Tokio. Für Benedikt Fürk, Sophia Popov, Max Kruse und Niels Giffey bietet sich die eine große Olympia-Chance. Wie stehen sie zum Turnier?

Wenn das Olympische Dorf nicht schon wegen seiner ausgezeichneten Lage gute Aussichten bieten würde, könnte man auch so zu dem Entschluss kommen, dass es sich die deutschen Hockeyspieler ganz gut eingerichtet haben für die kommenden Wochen.

Zwar versprechen in der Bucht von Tokio die riesigen Bauten, von denen eine dominiert wird von schwarzrotgoldenen Fahnen auf den Balkonen, nicht unbedingt Individualität und Abgeschiedenheit. Aber um zwischen ernsthafter Vorbereitung auf die Wettbewerbe und strikten Corona-Schutzmaßnahmen wie den allmorgendlichen Spucktests noch wenigstens das letzte bisschen Fünf-Ringe-Flair aufzusaugen, nutzen die Spielerinnen und Spieler kleine Radausflüge innerhalb des Dorfs ans Wasser. „Inzwischen ist die Vorfreude da“, sagt Benedikt Fürk.

Der Hockeyspieler von Uhlenhorst Mülheim hat wie die übrigen deutschen Olympia-Teilnehmer auch häufig Sprüche gehört wie: „Olympia muss abgesagt werden“ oder „Die Sorgen fliegen mit nach Tokio“ und „In einer Pandemie ist Olympia unverantwortlich“.

Es gibt berechtigte Bedenken für die Sommerspiele, die ersten Dorfbewohner sind infiziert – warum das Event in Tokio aus Sicht einiger Athletinnen und Athleten aber unter Berücksichtigung aller Auflagen zwingend ausgetragen werden solle, zeigt das Beispiel von Benedikt Fürk. Erst spät in den Genuss einer Teilnahme zu kommen, nur einmal in der Karriere auf dem Höhepunkt und ein Medaillenanwärter zu sein – der 32-Jährige vereint beide Ansätze. Olympia in Tokio ist nicht nur für ihn die eine große Chance.

Die große Olympia-Chance für Hockey-Spieler Benedikt Fürk

175 Länderspiele, zwei EM-Titel, WM-Teilnahmen – aber nie Olympia. Fürk ist keine Eintagsfliege im deutschen Hockey. Aber wann immer es auf den Höhepunkt alle vier Jahre zuging, standen die Schläger des Abwehrspielers zu Hause in der Ecke.

2012 in London holte Deutschland mit einer unglaublichen Mannschaft Gold. „Da war ich noch jung und neu dabei“, sagt Fürk. Vier Jahre später in Rio, es gab Bronze für Deutschlands erfolgreichste Mannschaftssportart, war er nach einer Verletzung körperlich nicht auf der Höhe. Man kann nach zwei so knapp verpassten Teilnahmen schon mal verzweifeln – oder es wie der Mülheimer aufnehmen.

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„Ich bin ein Typ, der damit nicht so lange hadert. Vielleicht war das eine Schutzreaktion, aber so konnte ich es gut verarbeiten“, sagt Fürk. „Umso schöner ist es, das jetzt bei der letzten Chance gepackt zu haben.“ Entsprechend groß waren mit der Entwicklung der Pandemie auch die Sorgen, dass es nach der Verschiebung der Spiele auch zur Absage hätte kommen können: „Den Gedanken hatte ich schon“, sagt Fürk, „die Verschiebung im März 2020 war schon ein richtiger Nackenschlag. Denn ich wollte unbedingt Olympia noch mal selbst erleben. Für uns gibt es nichts Größeres als Olympia.“

Die Befürchtung, dass Tokio zum Superspreader wird, hat er nicht. Vorgaben seitens des IOC seien sehr strikt, „wenn sich alle Sportler daran halten, sollte das eigentlich relativ unproblematisch werden.“

Sophia Popov: „Die Olympischen Spiele sind eine große Sache für mich“

Persönliche Beweggründe sollten nie über dem Gemeinschaftswohl stehen – dessen sind sich alle deutschen Olympioniken in Tokio bewusst. Und doch erfüllen sich in Japan Lebensträume von Leistungssportlern, erfahren sogar Familiengeschichten neue Wendungen. Wie im Fall von Sophia Popov: Die Golfspielerin, 2020 British-Open-Siegerin und die deutsche Nummer eins, wurde in den USA geboren und entstammt einer schwimmbegeisterten Familie.

„Die Olympischen Spiele sind eine große Sache für mich“, sagt die 28-Jährige gegenüber Golfpost, „wir sind ein bisschen fanatisch.“ Mutter Claudia, eine Amerikanerin, verpasste 1980 die Spiele von Moskau wegen des sportpolitischen Boykotts, Bruder Moritz scheiterte 2012 aus sportlichen Gründen nur knapp im Becken. Für Popov sei es nun riesiges Glück, „ein Teil von Olympia zu sein“.

Während Martin Kaymer die am Freitag beginnenden Sommerspiele wegen der Restriktionen vor Ort und des fehlenden Olympischen Gedankens als persönlichen Doppel-Bogey empfand, freut sich Sophia Popov, Nummer 24 der Weltrangliste, auf Tokio: „Es ist die coolste Sache. Für mich ist das etwas ganz, ganz Besonderes.“

Max Kruse: „Ich verstehe gar nicht, wie man keinen Bock auf Olympia haben kann“

Vorbereitungen auf Olympia 2021 in Tokio: Trainer Stefan Kuntz (links) gibt Max Kruse Anweisungen.
Vorbereitungen auf Olympia 2021 in Tokio: Trainer Stefan Kuntz (links) gibt Max Kruse Anweisungen. © dpa

Manchmal kann das Erlebnis Olympia auch völlig unverhofft kommen. „Ich war nie jemand, der gesagt hat, Olympia ist mein ultimatives Ziel“, sagt Basketballer Niels Giffey (30) vom Deutschen Meister Alba Berlin. „Das war fast außer Reichweite.“ Auf den letzten Drücker sicherten sich die langen Kerle noch das Flugticket für Japan. Auch Max Kruse nimmt im Alter von 33 Jahren gerne die Strapazen in Kauf: Der Fußballer von Union Berlin ist einer von drei älteren Spielern im nur 18-köpfigen Kader von Bundestrainer Stefan Kuntz.

„Ich verstehe gar nicht, wie man keinen Bock auf Olympia haben kann“, sagt Kruse sechs Jahre nach dem letzten seiner 14 A-Länderspiele zu den zahlreichen Olympia-Absagen im Fußball, „das ist ein Turnier, was man wahrscheinlich einmal im Leben mitnehmen kann.“ Bereits am Donnerstag geht es für die deutsche Mannschaft mit der Neuauflage des Rio-Finals gegen Brasilien los.Kruse: „Wir fahren dahin, um die Goldmedaille zu holen – die ist mehr wert als jedes Geld.“