Essen. Die Gruppenphase der EM lässt viele denkwürdige Momente zurück. Egal, ob Tore, Drama oder Missgeschicke. Ein Zwischenfazit.

Seit zwei Wochen läuft die Fußball-Europameisterschaft, die 36 Spiele der Gruppenphase sind bereits abgepfiffen. Zurück bleiben Emotionen, Trends, wunderbare Treffer – und enttäuschte Machthaber. Eine Zwischenbilanz.

Tore wie im Fleißband

94 Mal durften Fans in der Gruppenphase einen Treffer bestaunen. 2016 waren es nur 69 Tore. Die Niederlande beglückten mit acht Treffern am meisten, die Türkei und Nordmazedonien enttäuschten mit jeweils acht Gegentoren am häufigsten. Kurios: Schon acht Mal stolperten Profis den Ball ins eigene Netz. Das sind mehr Eigentore als bei den Europameisterschaften 2000 (1), 2004 (2), 2008 (0), 2012 (1) und 2016 (3) zusammen.

Die Alten können es noch

Vor dem Turnier ertönten Zweifel an Cristiano Ronaldo, doch den portugiesischen Superstar hindern seine mittlerweile schon 36 Lebensjahre nicht daran, mit fünf Turniertreffern mal wieder auf Platz eins der Torjägerliste zu thronen. Und er jagt Rekorde. Insgesamt steht er nun bei 14 EM-Toren, damit hat er den Zweitplatzierten Michel Platini (Frankreich) längst überflügelt. Zudem stehen in Ronaldos Bilanz nun 109 Erfolgserlebnisse für Portugal, wodurch er den Weltrekord des früheren FC-Bayern-Angreifers Ali Daei (Iran) eingestellt hat.

Doch auch andere Stars über 30 prägen das Turnier. Etwa der Franzose Karim Benzema (33), der Kroate Luka Modric (35), der Portugiese Pepe (38), Welttorhüter Manuel Neuer (35) aus Deutschland. Weltfußballer Robert Lewandowski (32) hat sich mit Polen nach dem 2:3 gegen Schweden bereits in die Sommerferien verabschiedet – trotzdem hat er den Ball insgesamt dreimal über die Linie geschossen.

Auch mit 36 Jahren noch der beste Torjäger der EM-Vorrunde: Cristiano Ronaldo.
Auch mit 36 Jahren noch der beste Torjäger der EM-Vorrunde: Cristiano Ronaldo. © AFP

Die Jungen werden jünger

Die Jungen sorgen dafür, dass die Statistiker bei diesem Turnier häufig ihre Rekordbücher überarbeiten müssen. Für ein paar Tage durfte sich Englands Jude Bellingham mit 17 Jahren und 349 Tagen jüngster EM-Debütant nennen, dann wurde Borussia Dortmunds Mittelfeldspieler durch den Polen Kacper Kozlowski (17 Jahre und 246 Tage) abgelöst. Der Spanier Pedri führt nun mit 18 Jahren und 201 Tagen die Liste der jüngsten EM-Spieler aus Spanien an, Jamal Musiala mit 18 Jahren und 117 Tagen die aus Deutschland. Zudem hat sich Kai Havertz mit 22 Jahren und 8 Tagen seit seinem Treffer im Spiel gegen Portugal (4:2) zum jüngsten deutschen EM-Torschützen gearbeitet.

Ein Drama verbindet ein Land

Die wunderbarste Geschichte dieser Vorrunde haben die Dänen geschrieben. Sie begann mit dem schockierenden Zusammenbruch von Christian Eriksen, der gegen Finnland (0:1) aufgrund eines Herzstillstandes auf dem Platz um sein Leben kämpfte, dem es mittlerweile aber deutlich besser geht. Seine Mitspieler spielten weiter, das Land rückte zusammen. Im letzten Gruppenspiel weinten die Dänen nicht vor Verzweiflung, sondern vor Glück. Durch einen 4:1-Erfolg über Russland katapultierte sich die Elf von Trainer Kasper Hjulmand ins Achtelfinale, dort wartet mit Wales eine lösbare Aufgabe. Der Weg des Europameisters von 1992 könnte also noch weitergehen.

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Besondere Momente

Der Tscheche Patrik Schick narrte Schottlands Torhüter David Marshall bei seinem Tor aus 50 Metern. Modric schlitzohrte den Ball beim 3:1-Erfolg über Schottland mit dem Außenrist in die linke Ecke. Lewandowski zirkelte ihn gegen Schweden (2:3) in die rechte Ecke. Dann wäre da die Geste des niederländischen Kapitäns Georginio Wijnaldum, der der nordmazedonischen Legende Goran Pandev ein Oranje-Trikot mit der Nummer 122 überreichte. Weil dieser sein 122. und wohl letztes Länderspiel erlebte.

So stark bin ich: Tschechiens Torjäger Schick jubelt nach seinem Elfmeter-Treffer trotz blutiger Nase.
So stark bin ich: Tschechiens Torjäger Schick jubelt nach seinem Elfmeter-Treffer trotz blutiger Nase. © dpa

Schiedsrichter – war da was?

Auffällig selten erhitzten bislang die Schiedsrichter die Gemüter. Die großen Debatten über die Handspielregel oder den Videobeweis blieben aus, weil bislang weitestgehend ruckelfrei gepfiffen wurde. Der Videoassistent überprüfte strittige Szenen meist schnell. Doch jetzt starten die K.o.-Spiele, die Emotionen steigen, da könnten die Debatten über die Schiedsrichter schnell wieder Fahrt aufnehmen.

Vom Punkt flattern die Nerven

Von 14 Elfmetern wurden sechs verschossen. Besonders patzte Spanien: zwei Versuche, kein Tor.

Die Machthaber ärgern sich

Die EM dürfte die Machthaber, die von Menschenrechtlern kritisiert werden, enttäuscht haben. Wladimir Putin (Russland), Andrzej Duda (Polen), Viktor Orban (Ungarn), Recep Tayyip Erdogan (Türkei) mussten mitansehen, wie ihre Mannschaften früh ausgeschieden sind.

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Die Fans sind wieder da

Plötzlich übertönt die Lautstärke der Fans wieder die Trainer. Bei der Europameisterschaft strömen Zuschauer in die Stadien, die meisten sind aber nicht voll besetzt. Zum Halbfinale und Finale in London sollen sogar 60.000 ins Wembley-Stadion dürfen, obwohl dort die Delta-Variante die Corona-Krise wieder verschärft. Die Stimmung erwärmt das Herz, aber im Kopf bilden sich Fragezeichen, ob dies verantwortungsvoll ist. Aber dies wird wohl erst die Abschlussbilanz nach dem Turnier beantworten.