Essen. Ein Bundesliga-Trio um Watzke erhöht den Druck auf die Politik. Fußball soll wieder im Normalbetrieb stattfinden. Noch gibt es offene Fragen.
Der Supercup ist kein Spiel von hoher Bedeutung. Das Aufeinandertreffen zwischen Meister und Pokalsieger taugt höchstens als Stelldichein auf die neue Saison. In diesem Jahr könnte das Duell zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am 17. August aber mehr sein: der Beginn einer Bundesliga-Saison mit Zuschauern.
Die EM taugt derzeit als Bühne für das, was möglich ist: Fußballspiele vor zehntausenden Fans. In München fieberten 14.000 mit, in Ungarn war das Stadion sogar ausverkauft. Die „Big Three“ der Bundesliga erhöhen deshalb den Druck auf die Politik. In einem Interview der Bild-Zeitung sprachen sich DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, der scheidende Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge und BVB-Chef Hans-Joachim Watzke für eine schnelle Rückkehr zur Normalität aus. Watzke würde auch einem Modellversuch beim Supercup im Dortmunder Stadion zustimmen: „Wir setzen uns gern mit allen maßgeblichen Organisationen an einen Tisch und beraten, was möglich und sinnvoll ist.“
Ilja Kaenzig vom VfL Bochum: EM lässt hoffen
Der Wunsch nach einer „vollen Kapelle“ (Rummenigge) ist finanzieller Natur. Corona hat das Geschäftsmodell des Fußballs bedroht. „Die Klubs der DFL sind kleine und mittelständische Unternehmen. Nach fast eineinhalb Jahren Pandemie ist die Situation, wie in der gesamten Wirtschaft, bei einigen deutlich angespannter als bei anderen“, sagte Seifert. Der BVB, kein Klein-Unternehmen, rechnet mit coronabedingten Verlusten von mehr als 75 Millionen Euro. Bundesliga-Aufsteiger VfL Bochum befürchtet einen Schaden von neun Millionen. „Die Tatsache, dass bei der Euro Spiele vor Zuschauern stattfindet, lässt hoffen“, sagt Ilja Kaenzig, Sprecher der Geschäftsführung, im Gespräch mit dieser Redaktion. Vorsichtshalber hat der VfL trotzdem die am 13. August beginnende Hinrunde ohne Zuschauer geplant.
Die Entscheidung wird nicht von den Klubs getroffen, die sich kommende Woche zusammenschalten, sondern von der Politik. Sie wird auch wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen. Wie gefährlich sind Großveranstaltungen?
Studie aus Düsseldorf untersucht Auswirkungen
Einen Hinweis liefert eine Studie des Institute for Competition Economics der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Untersucht wurden die Auswirkungen von Fußballspielen in den ausrichtenden Städten. „Die Studie belegt, dass Massenveranstaltungen einen Effekt auf die Sieben-Tage-Inzidenz hatten und somit im letzten Sommer und Herbst ein Risiko in der Pandemie-Bekämpfung dargestellt haben“, sagt Kai Fischer (21), wissenschaftlicher Mitarbeiter. Analysiert wurden 660 Spiele der ersten vier Ligen vor Zuschauern, zu einer Zeit, als es noch keine Impfungen gab. „Die Inzidenz stieg in den jeweiligen Landkreisen und Städten nach etwa drei Wochen um 3,6 bis 6,4. In den mehr als 540 untersuchten Spielen ohne Zuschauer war kein Anstieg feststellbar.“ Die Studie wird in einer Vorstufe von Experten diskutiert.
Auffällig sei noch ein anderer Effekt: „Je höher die Inzidenz ist, desto mehr ist von Massenveranstaltungen wie Fußballspielen abzuraten“, sagt Fischer. „Bei einer Inzidenz von Null gibt es natürlich keine Coronafälle. Aber ab einer Inzidenz von 35 hatten die untersuchten Fußballspiele einen deutlichen Effekt im betroffenen Landkreis oder in der betroffenen Stadt.“ Watzke, Rummenigge und Seifert ziehen die Bedeutung des Inzidenzwertes in Zweifel. Noch sind nicht alle Fragen geklärt. Trotz Impfung.
Fischer hat noch ein Aspekt bei der Untersuchung der Inzidenz nachdenklich gemacht: „Was interessant ist, ist dass der Effekt zehn bis 14 Tage versetzt sichtbar wird. Was passiert also in der Zeit nach dem Spiel? Das Stadion ist ja nur der Auslöser für die dann folgende Infektionskette.“