Essen. Beim politischen Protest schaltet die Uefa schnell weg, bei Christian Eriksens Überlebenskampf halten die Kameras drauf. Eine TV-Kolumne.

Eigentor Hummels, Knabberattacke Rüdiger, Bodycheck Gosens und ein Falschirmspringer: die vier markantesten Szenen des EM-Auftaktspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich am Dienstagabend. Während die ersten drei Aktionen in jeglicher Fernseh-Perspektive und Zeitlupe in die Wohnzimmer übertragen wurden, war die missglückte Protestaktion von Greenpeace handgestoppte neun Sekunden in Großaufnahme zu sehen, ehe das TV-Bild den am Mittelkreis wartenden Mbappé zeigte.

Die Ansage der Uefa ist eindeutig: Abschalten!

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Am Samstagabend, beim Drama um Christian Eriksen, hielten die Kameras noch minutenlang auf den um sein Leben kämpfenden Dänen. Sowohl die Uefa als Produzent der TV-Bilder als auch das übertragende ZDF mussten dafür viel Kritik einstecken. Diesmal ging es in der Uefa-Regie viel schneller, weil der Verband auf Szenarien wie Flitzer oder ebenjene politische Proteste vorbereitet ist. Die Ansage ist eindeutig: Abschalten!

Gefährliche Nähe: Ein Gleitschirmspringer von Greenpeace trudelt vor dem Länderspiel zwischen Frankreich und Deutscland durchs Stadion.
Gefährliche Nähe: Ein Gleitschirmspringer von Greenpeace trudelt vor dem Länderspiel zwischen Frankreich und Deutscland durchs Stadion. © AFP

Die Uefa und die Fernsehbilder, das ist so eine Sache. Bei vergangenen Europameisterschaften zeigte der Verband bewusst keine Szenen von prügelnden oder Pyrotechnik zündelnden Fans auf der Tribüne. Man wolle keine Nachahmer erzeugen, lautete damals die Begründung. Und 2012, nachdem Mario Balotelli die DFB-Elf aus dem Turnier geschossen hatte, wurde ein weinender deutscher Fan eingeblendet – blöd nur, dass diese Aufnahme bereits vor Anstoß entstanden war. Die Uefa macht sich die Fußball-Welt, wie sie ihr gefällt.

Die Uefa ist Monopolist in Sachen EM-Bilder

Und das ist gar nicht so schwierig. Das Weltsignal, das Bild-Macht-Monopol, kommt schließlich direkt von der Uefa. Übertragende Sender haben kaum Einflussmöglichkeiten – und prangerten dies zuletzt immer wieder an. Was das blitzsaubere Milliarden-Produkt beschmutzen könnte, wird herausgefiltert. Dass die ganze Welt mitbekommt, wenn jemand im Stadion die Menschenrechtslage im Emirat kritisiert? Nicht mit der Fußball-Union und ihrem EM-Sponsor Qatar Airways.

Keine politischen Meinungen im Stadion, eine bessere Story, wenn man Bilder so aneinanderreiht, wie es denn gerade passt. Die Corona-Zeit hat zudem bewiesen, dass sich Fangesänge auch ganz hervorragend vom Band abspielen lassen. All das klingt dystopisch. Wie eine eigene Fußballrealität, die erzeugt wird. Immerhin müssen die Spieler noch selbst kicken.