Essen/Frankfurt. Nach diesem Sommer übernimmt der scheidende Bayern-Trainer das Amt von Joachim Löw. Es ist keine leichte Phase, in der er seinen Job antritt.

Das Bild an sich, das der Deutsche Fußball-Bund am Dienstag nach der Vertragsunterschrift von Hans-Dieter Flick, genannt Hansi, in die sozialen Medien pustete, wirkt unspektakulär. Der 56-Jährige sitzt an einem hellen Schreibtisch. Sein aufgeknöpftes Hemd strahlt in Weiß, das Sakko setzt sich in Schwarz ab, vor ihm liegt der gerade unterzeichnete Vertrag bis zur Heim-Europameisterschaft 2024. Nach diesem Sommer übernimmt der gebürtige Heidelberger das Amt von Joachim Löw. Hansi Flick wird neuer Bundestrainer.

Die vielen Geschichten, die das Bild erzählt, sind jedoch bemerkenswert. Denn vor nicht mal zwei Jahren hätte wohl niemand prophezeit, dass der DFB im Mai 2021 ein Foto verbreitet, auf dem Flick als kommender Bundestrainer lächelt. Lange werkelte er vor allem in der zweiten Reihe. Erst im November 2019 spülte der FC Bayern seinen bisherigen Co-Trainer an die vorderste Front, weil die Mannschaft unter Niko Kovac nur noch über den Rasen stolperte. Flick nutzte seine große Chance auf dem zweitwichtigsten Trainerposten in Deutschland, wuchtete mit den Bayern insgesamt sieben Trophäen in die Luft, darunter 2020 die Champions League.

DFB befindet sich auf der Suche

Nun übernimmt er den wichtigsten Trainerposten in seinem Heimatland in einer Phase, in der sich der DFB sportlich auf der Suche nach sich selbst befindet. Die Defensive schwankt. In der Offensive schlummert zwar gewaltiges Potenzial, das jedoch noch nicht nachhaltig herausgekitzelt wurde. Den Umbruch hat Joachim Löw daher vor der wichtigen Europameisterschaft in diesem Juni gestoppt und Thomas Müller und Mats Hummels zurückbeordert. Und weiterhin beklagt der Verband, dass derzeit nicht genügend Talente in den Jugendakademien reifen.

Die Aufgabe könnte Flick deswegen noch einige Kopfschmerzen bereiten. Er betreut die Elf erstmals am 2. September beim WM-Qualifikationsspiel in Lichtenstein. Keine anderthalb Jahre später findet bereits die Winter-Weltmeisterschaft in Katar statt. Viel Zeit bleibt da nicht, allerdings kennt Flick viele Nationalspieler vom FC Bayern. Den Rekordmeister formte er zu einer aggressiven Pressing-Mannschaft, durch die Balljagd erdrückten die Münchener viele Gegner. Die Profis schwärmten vom nahbaren Typen an der Seitenlinie, der bei all dem Druck die Menschlichkeit nicht vergisst. In dieser Spielzeit taumelte jedoch die Verteidigung durch das hohe Aufrücken regelmäßig, diese Probleme konnte Flick nie beheben. Die Deutsche Meisterschaft feierte der Klub trotzdem.

Bierhoff: Mit Flick zurück an die Weltspitze

Hansi Flick als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw.
Hansi Flick als Assistent von Bundestrainer Joachim Löw. © DPA

„In der Zeit bei Bayern München hat er gezeigt, wohin er eine Mannschaft als Cheftrainer führen kann“, sagt Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff daher. Die menschlichen und fachlichen Qualitäten von Hansi Flick kenne er seit den gemeinsamen Jahren beim DFB. „Wir haben ein großes gemeinsames Ziel: zurück an die Weltspitze.“

Flick hat die Entwicklung der Nationalmannschaft bereits nach dem Sommermärchen 2006 als Assistent von Löw bis zum WM-Erfolg 2014 mitgestaltet. Nach dem großen Triumph arbeitete er als DFB-Sportdirektor weiter. 2017 versuchte er sich als Geschäftsführer Sport bei der TSG Hoffenheim, scheiterte jedoch, ehe der FC Bayern anklopfte. Jetzt folgt die Rückkehr zum DFB, diesmal in der ersten Reihe.

Gehalt von Flick bei rund fünf Millionen Euro

„Es ging jetzt doch alles für mich überraschend schnell mit der Unterschrift, aber ich bin sehr glücklich“, erklärt Flick. „Ich sehe die Klasse der Spieler, gerade auch der jungen Spieler in Deutschland. So haben wir allen Grund, die kommenden Turniere, zum Beispiel die Heim-EM 2024, mit Optimismus anzugehen.“ Das Gehalt von Flick soll bei rund fünf Millionen Euro liegen. Zudem wird die deutsche Nationalmannschaft wohl zu einem Freundschaftsspiel beim FC Bayern antreten, da der Verein seinen Trainer trotz eines noch gültigen Vertrags bis 2023 freigegeben hat.

Als Joachim Löw im Februar dieses Jahres sein Ende nach der EM verkündete, ploppte der Name Hansi Flick als logischer Nachfolger sofort auf. Offizielle Gespräche durfte der DFB zunächst wegen des Bayern-Vertrages nicht führen. Flick aber bat selbstständig um eine Auflösung, auch das Machtgerangel mit Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic hatte ihn entnervt.

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Nur so konnte am Dienstag das eigentlich schnöde Bild von Hansi Flick geknipst werden, das so viele Geschichten erzählt.