München. Lina Magull will mit den Frauen des FC Bayern an diesem Sonntag gegen Chelsea einen Schritt Richtung Champions-League-Finale machen.

Lina Magull, das zeigen die kleinen Fältchen um den Mundwinkel, lacht gerne und viel. Als Scherzkeks ist die aus Dortmund stammende Fußballerin in ihrer Karriere oft bezeichnet worden, in Corona-Zeiten schimmert noch eine ganz neue Facette bei der Kapitänin des FC Bayern durch: ihr Hang zum Schreiben. Und so arbeitet die 26-Jährige an einem Buch, das ihre persönliche Geschichte mit den Veränderungen durch das Corona-Virus verknüpft. Ein fiktiver Charakter, der von seinen Eindrücken nach der Ankunft auf der Erde erzählt. Nun wartet am Wochenende mal wieder eine ganz irdische Herausforderung auf die Hobbyautorin: Die Frauen des FC Bayern können im Halbfinal-Hinspiel der Women’s Champions League gegen den FC Chelsea am Sonntag (17 Uhr/ Sport1) und im Rückspiel eine Woche später nämlich selbst Geschichte schreiben, in einem Europapokal-Endspiel standen die Münchnerinnen noch nie.

Mini-Krise des FC Bayern zur Unzeit

Lange reihte der FC Bayern in dieser Saison Sieg an Sieg, ehe es Anfang des Monats die allererste Niederlage im DFB-Pokal-Halbfinale beim VfL Wolfsburg (0:2) gab. Es folgte eine unerwartete Heimpleite in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim (2:3). Die Mini-Krise der Münchnerinnen kommt zur Unzeit, schließlich strotzt Chelsea mit der ehemaligen Bundesliga-Torjägerin Pernille Harder, der früheren Bayern-Spielerin Melanie Leupolz und der zuletzt wieder für die DFB-Frauen zum Einsatz gekommenen Torhüterin Ann-Katrin Berger vor Selbstvertrauen. Magull erwartet gegen den englischen Meister „zwei enge Spiele“. Die Londonerinnen würden vereinsintern „besonders gehypt“, sagt Magull, „aber entscheidend ist auf dem Platz.“

Bayern-Frauen wie Leverkusen bei den Männern

Ein bisschen geht’s auch um die europäische Deutungshoheit im Frauenfußball, nachdem die Vereine, der Verband und nicht zuletzt Medien und Sponsoren auf der Insel gemeinsam gewaltige Anstrengungen unternehmen, die weltweit stärkste Frauen-Liga aufzubauen. Nachdem sich Seriensieger Olympique Lyon gegen Paris St. Germain bereits aus der weiblichen Königsklasse verabschiedet hat, findet es Magull allemal „interessant, dass es nicht mehr nur die eine Macht gibt“. Stößt ihr Klub in dieses Machtvakuum und zieht ins Finale am 16. Mai in Göteborg ein?

Der Makel des ewigen Zweiten

Man habe gezeigt, dass auch „die deutschen Topteams auf überdurchschnittlichem Niveau sind“, sagt Magull, aber Titelansprüche formuliert sie nicht. Die vergangenen Jahre war der FC Bayern im Frauenfußball nämlich das, was den Männern von Bayer Leverkusen als Makel anhängt: der ewige Zweite. Seit den Meistertiteln 2015 und 2016 haben die FCB-Fußballerinnen nichts mehr gewonnen, obgleich der Verein die Anstrengungen noch einmal intensiviert hat. Für Trainer Jens Scheuer ist es erst einmal ein „großer Erfolg, im Halbfinale zu stehen“. Doch der Coach weiß, dass sein Arbeitgeber nur die höchsten Ziele ausgibt.

Ein Auge auf Borussia Dortmund

Auch für Magull geht es letztlich um mehr. Die 48-fache Nationalspielerin hat sich mit ein bisschen Verzögerung zu einer meinungsfreudigen Vordenkerin entwickelt. Sie will insgesamt mit ihrem Sport vorankommen, kämpft für gesellschaftliche Akzeptanz und bessere Wahrnehmung. Es sei positiv zu bewerten, „dass die großen Vereine merken, auf den Frauenfußball können und müssen wir setzen, weil es ein unheimlicher Mehrwert ist, erstens für die Gesellschaft und zweitens für die fußballbegeisterten Menschen“. Im zweiten Halbfinale trifft der FC Barcelona auf Paris.

Magull selbst hat übrigens mal verraten, dass es sie eigentlich enorm reizen würde, für Borussia Dortmund aufzulaufen, sofern der Verein es mit seinen Anstrengungen bei den Frauen ernst meint. Der BVB-Langzeitplan, bei dem es viele Jahre bis zum Aufstieg in die Bundesliga dauern kann, macht solchen Planspielen aber einen Strich durch die Rechnung. Vielleicht kommt das aber in ihrem Buch vor.