München. Der Franzose lebt seit fast sechs Jahren in München. Richtig ankommen ließ den 24-Jährigen das Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain.

Die Meldung kam nicht überraschend, vielmehr war sie erwartet worden. Allenfalls der Zeitpunkt der Nachricht von Jérôme Boatengs Abschied am Saisonende nach zehn Jahren beim FC Bayern verblüffte, so kurz vorm Hinspiel im Viertelfinale der Champions League gegen Paris Saint-Germain an diesem Mittwoch. Dass der Innenverteidiger im Sommer kurz vor seinem 33. Geburtstag gehen muss, wie das Fachmagazin kicker nun unter Verweis auf einen entsprechenden Aufsichtsrats-Beschluss berichtete, hatte sich schon länger abgezeichnet. Offiziell bestätigt wurde diese Personalie zwar noch nicht, doch das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Hansi Flick wirkte bei Nachfragen zu seiner Stammkraft am Dienstag genervt, verwies auf seine Wertschätzung für den Weltmeister von 2014 und ließ Unmut anklingen, „wie das so an die Medien kommt“. Der Trainer hatte sich stets für einen Verbleib Boatengs eingesetzt. Die offenbar aus dem Verein durchgesteckte Information wirkte wie eine Fortsetzung des Zwists zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Wegen der Geisterspiele wird sich Boateng nun wohl nicht einmal von den Fans verabschieden können.

kicker: Bayern trennen sich von Boateng

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    Seit mehr als einem Jahr spielen die Bayern ohne Zuschauer in ihrer Arena. Das führte jüngst zu einem ungewohnten Bild mit Kingsley Coman. Mit einem Pinsel hockte er über einem Plakat, hinter ihm lag eine Malerrolle, neben ihm stand ein Farbeimer. Im aktuellen Vereinsmagazin „51“ ist das Foto des Flügelspielers im Heimwerkerambiente abgedruckt, verbunden mit Grüßen an die ausgesperrten Anhänger. Wer den QR-Code scannt, sieht das PR-Video, in dem Coman auf Deutsch sagt: „Liebe Fans, ihr seid die wahren Champions.“ Kurz nach ihm sagt Mitspieler Javier Martínez: „Ihr habt München zu meiner Heimat gemacht.“ Ein bisschen stimmt Letzteres inzwischen auch für Coman. Zumindest lebt der 24 Jahre alte Franzose seit fast sechs Jahren in München. Seine Heimat wird zwar Paris bleiben, wo er geboren wurde, aufwuchs und bis zu seinem 18. Geburtstag für Saint-Germain kickte. Doch zu Hause ist Coman mittlerweile in München, allein schon, weil er das letzte Viertel seines bisherigen Lebens hier verbracht hat. Im Hinspiel am Mittwoch (21 Uhr/Sky) tritt er nun also zu Hause gegen seinen Heimatverein PSG an, am kommenden Dienstag folgt in Paris sein Auswärts-Heimspiel.

    Die richtige Wahl von Bayern-Trainer Hansi Flick im Finale

    Hinein ins Glück: Coman trifft per Kopf gegen Paris.
    Hinein ins Glück: Coman trifft per Kopf gegen Paris. © AFP

    Es gehört zu Comans besonderer Geschichte, dass es der jüngste Vergleich mit Paris war, der den flinken Dribbler beim FC Bayern so richtig ankommen ließ. Im Finale der Champions League gegen PSG am 23. August 2020 erlebte Coman seinen größten Münchner Moment, nachdem ihn Flick überraschend von Beginn an aufgeboten hatte. Noch verblüffender geriet, dass Coman in der 59. Minute nach Joshua Kimmichs Flanke das Tor zum 1:0-Sieg mit einem Kopfball erzielte, obwohl ihm Kopfbälle ein Graus sind. Davon kündeten auch seine geschlossenen Augen. „Ich bin sehr glücklich, ein unglaublicher Abend“, sagte er nach dem Titelgewinn.

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    Es ist dieses Tor, das offenbar viel verändert hat für Coman. Seit jener Nacht von Lissabon wirkt seine Spielweise stabiler und selbstbewusster. In der folgenden Hinrunde war er plötzlich die Nummer eins auf den Flügeln vor Serge Gnabry, Königstransfer Leroy Sané und Juventus Turins Leihspieler Douglas Costa. Von Juve war auch Coman 2015 als Leihkraft zu den Bayern gekommen, ehe er 2017 für 21 Millionen Euro Ablöse fest verpflichtet wurde als Kronprinz der langjährigen Flügelkönige Franck Ribéry und Arjen Robben. Inzwischen ist die Thronfolge vollzogen, mit Coman, genannt King, in einer Hauptrolle. Wenn Coman in dieser Saison in der Champions League eingesetzt wurde, dann stets von Beginn an. Auch in der Bundesliga kommt er unter den Münchner Flügelflitzern auf die meisten Startelfeinsätze.

    Die Münchener Geschichte von Coman ist auch kompliziert

    Inzwischen holen die Konkurrenten aber auf, zuletzt standen Gnabry und der verbesserte Sané verstärkt im Fokus. Der beste Vorlagengeber im Kader nach Thomas Müller (insgesamt 18 Assists) ist Coman mit 13 vorbereiteten Toren aber noch immer, zusammen mit Kimmich. Gegen Paris wäre es kein schlechter Zeitpunkt für eine weitere Torbeteiligung von Coman. Vielleicht ja im Zusammenspiel mit dem wahrscheinlichen Ersatz für den verletzten Stürmer Robert Lewandowski, Eric Maxim Choupo-Moting, ebenfalls ein ehemaliger Pariser im Bayern-Kader. Zumal der andere Ersatzkandidat Gnabry am Dienstag positiv auf das Corona-Virus getestet wurde und vorerst ebenso ausfallen wird wie der angeschlagene Marc Roca. Gnabry gehe es gut, er befinde sich in häuslicher Isolation, teilte der FC Bayern mit.

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    Kurz nach Comans Malerei hatte es übrigens die Nachricht gegeben, er habe ein Angebot abgelehnt, seinen bis 2023 datierten Vertrag um drei Jahre zu verlängern. Die Meldung fügte sich ins Bild seiner immer auch etwas komplizierten Münchener Geschichte. An einen Abschied dachte er schon mehrfach, nach häufigen Verletzungen sogar ans Karriereende. Doch stets blieb Coman in seinem zweiten Zuhause. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bezeichnete ihn schon als „unverkäuflich“. Bliebe Coman bis 2026, wäre er elf Jahre in München gewesen. Länger als Boateng.