Essen. Am Mittwoch spielt das DFB-Team gegen Nordmazedonien. Kapitän Pandev spricht im Interview über den Erfolg der jungen Balkanrepublik.

In seinem Heimatland genießt Goran Pandev bereits einen Legendenstatus, obwohl er mehr als die Hälfte seines Lebens als privilegierter Fußballemigrant in Italien verbracht hat. Der Rekordnationalspieler und Kapitän der nordmazedonischen Nationalmannschaft hat seinem Team im November letzten Jahres mit seinem Treffer im Play-off-Spiel gegen Georgien die Teilnahme an die bevorstehende EM ermöglicht. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Auswahl der jungen Balkanrepublik an einem internationalen Turnier teilnimmt. Am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) trifft er mit seinem Team auf Deutschland - Gruppengegner in der WM-Qualifikation.

Im Mai 2010 hatte der flexibel einsetzbare Stürmer bereits einen anderen Karrierehöhepunkt gefeiert: er holte mit Inter Mailand das Triple, nachdem die „nerazzurri“ mit dem Startrainer Jose Mourinho im Champions-League- Finale Bayern München mit 2:0 besiegt hatten. Der 37-Jährige steht momentan beim italienischen Serie-A-Klub CFC Genua unter Vertrag und möchte seine Karriere im Herbst, beim Länderspiel gegen Deutschland, in Skopje beenden.

Die WM-Qualifikationsrunde hat gerade begonnen. Wie betrachten Sie die Chancen Ihrer Mannschaft in der Gruppe mit Deutschland, Rumänien, Island und Liechtenstein?

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Pandev: Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland der Favorit auf den Gruppensieg ist. Der zweite Platz ist jedoch in meinen Augen völlig offen. Wir besitzen ein kompaktes Team, das gespickt mit jungen, ambitionierten, aber auch mit erfahrenen Spielern ist. Wir machen es keinem Gegner leicht! (lacht)

Welches Bild haben Sie von der deutschen Mannschaft?

Pandev: Es klingt trivial, aber die deutsche Nationalmannschaft ist weiterhin eines der besten Teams weltweit. Ich habe ferner registriert, dass nach der WM 2018 eine Umstrukturierung stattgefunden hat und dass Jogi Löw nach der bevorstehenden EM als Bundestrainer aufhören möchte. Für uns ist es eine Ehre gegen Deutschland zu spielen, zumal es eine Premiere in der Länderspielhistorie beider Länder darstellt.

Die ganze Welt bewegt sich im schweren Schatten der Corona-Pandemie. Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie in Italien, das im letzten Jahr arg vom Covid-19 getroffen wurde?

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Goran Pandev: Danke der Nachfrage, uns geht es soweit gut. Das Leben jedoch ist seit einem Jahr nicht mehr dasselbe, und dies betrifft alle Menschen. Die Kinder können nicht zur Schule gehen, viele dürfen ihren Beruf nicht ausüben und die sozialen Kontakte sind auf ein Minimum reduziert. Alles andere als normale Umstände, auf die wir uns angepasst haben!

Sie leben, mit einer kleinen Unterbrechung, als Sie für ein Jahr zu Galatasaray Istanbul wechselten, seit fast zwanzig Jahren in Italien. Sind Sie schon zum Ehrenkonsul Ihres Landes ernannt worden?

Pandev: Als ich im Sommer 2001 von meinem Heimatverein FK Belasica zu Inter Mailand kam, hätte ich mir niemals vorstellen können, dass ich in Italien heimisch werde. Nun, sind meine Kinder hier geboren und ich habe mittlerweile auch die italienische Staatsangehörigkeit erhalten, was mich besonders stolz macht. Das Amt des Ehrenkonsuls übe ich trotzdem nicht aus. Zumindest noch nicht! (lacht)

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Nordmazedonien hat sich zum ersten Mal für ein EM-Endrunde qualifiziert. Das Turnier droht unter ganz besonderen Bedingungen ausgetragen zu werden, eventuell auch ohne Zuschauer. Betrachten Sie das als Ironie des Schicksals?

Pandev: Das ist eine Tatsache, die eine höhere Gewalt darstellt. Insofern müssen wir die Gegebenheiten so akzeptieren, wenn man berücksichtigt, welche Entbehrungen die Menschen weltweit über sich ergehen lassen. Aber selbst diese Einschränkungen können den Riesenerfolg unserer Mannschaft, der eine Euphoriewelle in Skopje und Umgebung ausgelöst hat, nicht trüben. Das ganze Land fiebert dem Turnier entgegen. Ich hoffe, dass bis zum Turnieranfang eine Mindestzahl von Zuschauern im Stadion erlaubt wird, damit zumindest etwas Stimmung in den Arenen aufkommt. Nach einem Jahr „Geisterspiele“ sehnen wir uns alle auch nach einem Stück Normalität.

Ist die EM-Qualifikation von Nordmazedonien in Ihrer Wahrnehmung höher einzustufen als der Gewinn der Champions-League mit Inter Mailand im Mai 2010?

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Pandev: Man kann die beiden Erfolge nicht vergleichen. Natürlich ist der Gewinn der Champions-League ein Traum für jeden Fußballer. Vor allem wenn man bedenkt, dass manch großem Spieler dieser Erfolg verwehrt blieb. Für mich stellt jedoch die Teilnahme an der EM mit meinem Heimatland den größten Erfolg in meiner Karriere dar!

Apropos Heimatland. Sie sind im ehemaligen Jugoslawien geboren und haben als Kind dessen blutigen Zerfall erlebt. Welche Erinnerungen haben Sie aus jener Zeit?

Pandev: Zum Glück blieb mein Land von kriegerischen Auseinandersetzungen wie in Bosnien oder Kroatien verschont. Meine Erinnerungen von jener Zeit sind vom Erfolg von Roter Stern Belgrad geprägt, als der damalige jugoslawische Meister im Jahr 1991 den Landesmeister-Pokal im Finale gegen den Favoriten Olympique Marseille geholt hat. Im Team standen zudem mit Ilja Najdovski und Darko Pancev zwei hervorragende Spieler aus Nordmazedonien.

Wie war eigentlich Ihre Zusammenarbeit mit dem „special one“, Jose Mourinho?

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Pandev: Abgesehen davon, dass sie mit dem Gewinn des Triple gekrönt wurde, war sie für mich auch besonders lehrreich. Ich meine, dass jeder Fußballspieler sich einen Trainer wie Mourinho an der Seitenlinie wünscht: er ist kompetent, wortgewandt, offen, ehrlich und ein Super-Motivator. Um seine Spieler zu beschützen ist im manchmal jedes Mittel recht, was oft in ein falsches Licht gerückt wird.

Sie haben in der jüngsten Vergangenheit immer wieder beteuert, dass Sie Ihre aktive Laufbahn im Oktober dieses Jahres beim Länderspiel gegen Deutschland in Skopje beenden möchten. Was müsste passieren, damit Sie Ihre Entscheidung revidieren?

Pandev: In der Tat möchte ich meine Karriere im Herbst vor heimischer Kulisse, im-hoffentlich-ausverkauften Nationalstadion von Skopje beenden. Diesen Entschluss hatte ich bereits vor dieser Saison gefasst und ich kann mir, momentan, nicht vorstellen noch ein weiteres Jahr zu spielen. Mit 38 Jahren kann man erhobenen Hauptes das Feld für die jüngeren räumen. (schmunzelt)

Ihr Nationaltrainer, Igor Angelovski, meint, dass Ihre Zeit noch nicht vorüber sei, und verweist auf die Perspektive einer WM-Teilnahme. Ist das nicht ein guter Grund um über eine „Verlängerung“ nachzudenken?

Pandev: Angelovski ist ein guter Trainer und ein feiner Charakter. Dank seiner Bemühungen bin ich 2016, nach dreijähriger Abstinenz, zum Nationalteam zurückgekehrt. Die Zustände im Fußballverband und im Kreis der Nationalmannschaft hatten mich damals zu diesem Schritt bewogen, zumal ich keine Alternative zum Rücktritt sah. Jetzt hat sich das Arbeitsklima in der Nationalmannschaft enorm verbessert, was auch unser jüngster Erfolg widerspiegelt. Trotzdem möchte ich im Oktober in Skopje mein Abschiedsspiel absolvieren. (schmunzelt)

Sie besitzen in Ihrer Heimatstadt Strumica einen Fußballverein (Anm. d. Red. Akademija Pandev), wo auch Ihr jüngerer Bruder spielt. Planen Sie nach dem Karriereende dort eventuell als Trainer oder Sportdirektor zu fungieren, oder bleiben Sie eher in Ihrer Wahlheimat?

Pandev: Die Akademie ist mein „Baby“, das mittlerweile elf Jahre alt geworden ist und bereits als Pokalsieger in der Europa-League Qualifikation teilgenommen hat, was mich sehr stolz macht. Ich bin in den Vereinsabläufen größtenteils involviert und verfolge das Geschehen von Genua aus. Das wird auch in Zukunft so bleiben, nachdem ich nicht beabsichtige mich als Trainer oder Funktionär im Club zu engagieren, zumal ich und meine Familie unseren Lebensmittelpunkt weiterhin in Italien behalten möchten.