Essen/Bukarest. Nach der Botschaft für die Menschenrechte gerät die deutsche Nationalelf in die Defensive. Joshua Kimmich verteidigt die Aktion.

In dem Video, über das so erhitzt debattiert wird, tunkt Joshua Kimmich eine Farbrolle in weiße Farbe. „Das R ist schwierig, da sind wir uns einig“, sagt er und kleckst dann diesen Buchstaben auf eines der schwarzen T-Shirts, mit denen die deutschen Nationalspieler vor dem Island-Spiel (3:0) gemeinsam die Botschaft „Human Rights“ (Menschenrechte) formten. In der Hoffnung, dadurch vor dem ersten WM-Qualifikationsspiel auf die teilweise desaströse Menschenrechtssituation im Gastgeberland Katar aufmerksam zu machen.

Ein DFB-Clip wie ein Werbefilm`

Nur zwei Tage später verteidigt nun jener Joshua Kimmich diese Aktion, die erst vor allem gelobt, später aufgrund des Clips, der wie ein choreografierter Werbefilm anmutet, von vielen verteufelt wurde. „Das war nicht für die Kameras, wir wollten ein Zeichen setzen“, kontert Kimmich am Samstag im grauen Trainingsanzug, gleich beginnt die erste Einheit in Bukarest. Hier misst sich Deutschland an diesem Sonntag (20.45 Uhr/RTL) im zweiten WM-Qualifikationsspiel mit Rumänien. „Im Fußball hat man die Chance, auf Dinge hinzuweisen“, ergänzt der 26-Jährige. Deswegen seien die T-Shirts entstanden. Die Kameraleute hätten die Profis beim Kleckern mit der Farbe dann nun mal eingefangen, sagt der Bayern-Profi, an dem sich der schwierige Spagat der Profifußballer wie an kaum einem anderen aufzeigen lässt.

DFB-Spieler: Spenden sammeln, trotzdem werben

Denn tatsächlich schreckt Deutschlands neue prägende Fußballer Generation auf der einen Seite nicht davor zurück, sich politisch zu positionieren. Auf der anderen Seite bricht sie aber auch nicht mit den Regeln des Fußballgeschäfts, sondern erhält die Geldmaschinerie am Laufen. Joshua Kimmich hat zu Beginn der Corona-Krise gemeinsam mit Leon Goretzka viele Millionen Euro an Spendengeldern gesammelt. Gleichzeitig ploppte zuletzt ein Spot des FC Bayern auf, in dem Kimmich für die katarische Fluglinie Quatar Airways wirbt. Da wundert es nicht, dass Kritiker den Spielern Doppelmoral vorwerfen.

„Ich fand es beeindruckend, es kam aus der Mannschaft selbst“, hält Bundestrainer Joachim Löw dagegen. Seine Spieler ständen für Werte, sie wüssten, was neben dem Fußballplatz passiert. „Wenn jemand denkt, dass sie sich aus Marketinggründen vor so einen Karren spannen lassen, der irrt gewaltig.“

Deutschland hat Respekt vor Rumäniens Offensive 

Und wie häufig, wenn gesellschaftliche Fragen am Beispiel der Nationalelf diskutiert werden, gerät das Sportliche in den Hintergrund. Deswegen ging etwas unter, dass Löw mit seiner Mannschaft im zweiten WM-Qualifikationsspiel vor der vielleicht schwierigsten Hürde steht. Die Rumänen seien technisch versiert, sagt der Bundestrainer. „Sie gehen mit Tempo durchs Mittelfeld. Sie sind in der Offensive echt brandgefährlich.“ Seine Spieler würde daher am Sonntag eine ganz andere Aufgabe als beim 3:0-Erfolg gegen die defensiven Isländer erwarten.

„Die Rumänen sind fußballerisch und technisch ein wenig stärker. Da müssen wir auf der Hut sein“, mahnt Kimmich. „Die Begegnung ist ein Schlüsselspiel, da sich nur der Erste direkt qualifiziert.“

Verteidiger Niklas Süle fehlt, weil ihn eine Muskelzerrung plagt. Es droht der Ausfall von Leon Goretzka (Wadenprobleme). Ihn könnte der Gladbacher Florian Neuhaus ersetzen. Auch hinter dem Einsatz von Leroy Sané prangt ein Fragezeichen, sein Oberschenkel schmerz. „Bei ihm sieht es etwas positiver aus“, meint Löw. Fest stehe  in jedem Fall, dass die Viererkette wie gegen Island Lukas Klostermann, Matthias Ginter, Antonio Rüdiger und Emre Can bilden werden.

Zudem wird Kimmich natürlich von Beginn an auflaufen. Er hat sich längst zum wohl wichtigsten deutschen Fußballer entwickelt. Beim Triple-Sieger FC Bayern ordnet er das Mittelfeld, die Nationalmannschaft führt er ebenfalls im Zentrum an. Deswegen soll er eine der Hauptrollen bekleiden bei der Europameisterschaft im Sommer - genauso wie bei der Winter-WM 2022 in Katar.

DFB-Trainer Joachim Löw gegen Katar-Boykott

Boykottieren werden diese die Spieler nämlich nicht, auch wenn dies aufgrund der Menschrechtsverstöße des arabischen Emirats von einigen Organisationen gefordert wird. „Generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott zehn Jahre zu spät dran sind, damals wurde die WM vergeben“, erklärt Kimmich. Ähnlich beurteilt dies Joachim Löw. „Ein Boykott hilft niemandem. Man kann mit so einem Turnier Aufmerksamkeit in der ganzen Welt erzeugen und Dinge in die richtige Richtung bringen“, meint der Bundestrainer.

Dafür benötigt es in Zukunft aber noch mehr als weiße Buchstaben auf schwarzen T-Shirts.