Düsseldorf/Duisburg. Die Nationalmannschaft startet am Donnerstag gegen Island in die WM-Qualifikation. Der scheidende Bundestrainer gibt sich gelassen.

Joachim Löw will immer hoch hinaus, das wird auch am Mittwoch wieder deutlich. „Wenn man in Patagonien oder den Anden auf 6000 Metern klettert, ist es gut, wenn man die Sprache der Einheimischen spricht“, sagt der Bundestrainer – und grinst dann. Ein kleiner Scherz als Antwort auf die Frage, warum er zurzeit Spanisch lernt. Normalerweise gehört das nicht zu den gängigen Fragen an einen Bundestrainer. Seitdem Löw aber verkündet hat, dass er im Sommer aufhört, dass er nach der Europameisterschaft und dann 15 Jahren im höchsten deutschen Traineramt abtritt, wird eben alles darauf abgeklopft, ob es ein Zeichen für seine Zukunft sein könnte.

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Ist es nicht, sagt der 61-Jährige. Er finde Spanisch eben gut, damit könne man fast überall auf der Welt etwas anfangen. Mit einem möglichen neuen Arbeitgeber habe das nichts zu tun. Ohnehin hat Löw seinem Berater die klare Anweisung gegeben, alle Anfragen und Angebote von ihm fernzuhalten. „Für mich gilt: volle Konzentration auf die EM“, sagt der Bundestrainer einen Tag bevor es in Duisburg gegen Island (20.45 Uhr/RTL) bereits um Punkte für die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Katar 2022 geht.

DFB-Manager Bierhoff: Löw ist „sehr enthusiastisch“

Die Partien gegen Island, in Rumänien und wieder in Duisburg gegen Mazedonien markieren den Anfang vom Ende der Ära Löw, und deswegen schauen nicht nur die Journalisten genauer hin. „Er ist sehr, sehr motiviert, das konnte ich in den ersten Tagen schon sehen“, hat Emre Can beobachtet. „Sehr enthusiastisch“ sei Löw, berichtet dessen Vorgesetzter Oliver Bierhoff, der auch „große Vorfreude“ wahrgenommen haben will.

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Nur der Bundestrainer selbst nicht so recht mitmachen: „Ich weiß nicht, ob ich besonders enthusiastisch war“, sagt er. Die Arbeit mit jungen Fußballern mache ihm schon immer Freude und große Vorfreude spüre er stets, wenn es auf ein Turnier zugehe.

Im Herbst wirkte Löw gereizt und fahrig

Aber es ist schon klar zu erkennen, dass sich im Duisburger Frühling ein ganz anderer Joachim Löw präsentiert als im Herbst. Da wirkte er oft gereizt und fahrig. Spielweise und Ergebnisse seiner Mannschaft passten ihm nicht, die einzige Spanisch-Lehrstunde war ein demütigendes 0:6 gegen die Iberer, die kritischen Fragen der Journalisten bereiteten keine Freude und die digitalen Gesprächsrunden schon gar nicht.

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Die ungewöhnlichen Corona-Umstände nervten ihn massiv, und ungewöhnlich ist es jetzt auch: Zum letzten Mal hat Löw seine Spieler zusammen, bevor die unmittelbare Turniervorbereitung beginnt, zum letzten Mal kann er Dinge ausprobieren und testen. Gleichzeitig muss er schon Punkte in der WM-Qualifikation sammeln, die dann seinem Nachfolger zu Gute kommen.

Bundestrainer braucht gute Ergebnisse, um Diskussionen zu vermeiden

Aber Löw hat seinen Frieden gemacht mit den Widrigkeiten dieses Turnierzyklus, er tritt gleichermaßen locker und hochkonzentriert auf – und mit klaren Vorstellungen. In den anstehenden Spielen soll sich die Mannschaft wieder auf die Grundprinzipien besinnen, vor allem das gemeinsame Verteidigen klappte im Herbst nicht so recht. Auch Löw braucht gute Ergebnisse, denn mit jedem enttäuschenden Auftritt würden die Diskussionen wieder losgehen, ob Löw noch der richtige Mann ist, ob nicht sofort ein Wechsel hermuss. Seit er seinen Abschied verkündet hat, sind die kritischen Stimmen erheblich leiser geworden, es herrscht zarte Aufbruchstimmung – die gilt es zu erhalten.

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Gleichzeitig genießt Löw die Freiheiten, die er nun hat. Er muss sich kaum noch kümmern um die Befindlichkeiten im Verband oder der Liga, im Sommer ist er eh weg. Und das hört man. „Im letzten Jahr haben wir viel Rücksicht genommen auf die Situation der Spieler und Vereine“, sagt er. „Jetzt können wir keine Rücksicht mehr nehmen, jetzt müssen wir punkten und möglichst gut einspielen für die EM.“

Reaktion auf das desaströse 0:6 gegen Spanien gefordert

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Langjährige Weggefährten wie Julian Draxler hat er wegen fehlender Form vorerst aus dem Aufgebot gestrichen. Von den verbliebenen Spielern fordert er in deutlichen Worten eine Reaktion auf das desaströse 0:6 gegen Spanien. Aber werden die ihm noch bedingungslos folgen, wo sie doch wissen, dass er im Sommer weg ist? Natürlich, meint Kapitän Manuel Neuer: „Ich bin 2009 als Baby zur Nationalmannschaft gekommen, ich habe alles mit demselben Trainer erlebt, das ist auch für mich etwas Besonderes.“ Und deswegen will er Löw „den bestmöglichen Abschluss wünschen, das wollen wir Spieler alle“.

Am Donnerstag gegen Island haben sie die erste Gelegenheit, das unter Beweis zu stellen.