München. Rummenigge ist nach dem 1:2 des FC Bayern in Frankfurt um Schadensbegrenzung bemüht - auch in Hinblick auf seine eigenen Aussagen.

Karl-Heinz Rummenigge ließ von Beginn an eine klare Agenda erkennen, und damit hatte er am späten Samstagabend der Mannschaft des FC Bayern durchaus einiges voraus. Jene Selbstkritik, die Manuel Neuer und Leon Goretzka nach der 1:2 (0:2)-Niederlage bei Eintracht Frankfurt vortrugen, musste sich der Vorstandsvorsitzende des deutschen und aktuell sogar weltweiten Branchenführers nach seinem Auftritt im aktuellen sportstudio des ZDF jedenfalls nicht vorwerfen. Doch auch er dürfte die Bühne kaum in dem Gefühl verlassen haben, dass ihm ein erfolgreicher Auftritt gelungen war, so sehr er sich auch um Schadensbegrenzung in den jüngsten Debatten um die mangelnde Demut und um die Sonderbehandlung des Fußballs bemüht hatte. Zumindest hatte er seine Verteidigung durchweg aufrecht erhalten, anders als zuvor Hansi Flicks Mannschaft.

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„Die erste Halbzeit haben wir komplett verpennt, da waren wir überhaupt nicht auf dem Platz“, hatte Goretzka nach den Gegentoren von Daichi Kamada (12.) und Amin Younes (31.) bemängelt. Unterlaufen sei ihnen der nächste Fehlstart, „weil wir nicht aus dem Bielefeld-Spiel gelernt haben“, sagte Manuel Neuer. Immerhin habe man in der zweiten Halbzeit ein gutes Bild abgegeben. Doch mehr als Robert Lewandowskis 26. Ligator dieser Saison (53.) gelang nicht mehr, weshalb der Tabellenführer FC Bayern nun auf fünf verlorene Punkte inklusive des 3:3 gegen Bielefeld vom Montag zurückblickt und die Konkurrenz wieder näherkommt. Für Kapitän Neuer besteht dennoch kein Grund zur Sorge. „Wenn wir so von Anfang an spielen, gewinnen wir das Spiel sicher in einer gewissen Höhe“, befand er.

Viele Debatten rund um Aussagen von Bayern-Vertretern

Von einer ähnlichen Haltung kündete Rummenigges Auftritt, als es um die Debatten zum aktuellen Fußballbetrieb ging und um die Münchner Beiträge. Zum Beispiel, als sie sich auf dem Weg zur Klub-WM in Katar dem Berliner Nachtflugverbot beugen mussten. Für Ehrenpräsident Uli Hoeneß stellte das einen „Skandal ohne Ende“ und eine „Unverschämtheit“ dar. Es folgten: Rummenigges Vorschlag, die Impfreihenfolge zu ändern, mit Fußballern als Vorbilder für Impfskeptiker. Sowie Flicks Kritik am SPD-Gesundheitsexperten und Epidemiologen Karl Lauterbach, den der Trainer als einen „sogenannten Experten“ bezeichnet hatte, dessen ständiges Gemahne man nicht mehr hören könne. Lauterbach hatte zuvor die Katar-Reise und die aufwendige Rückholaktion für den mit Corona infizierten Thomas Müller kritisiert. Flick und Lauterbach haben sich inzwischen ausgesprochen.

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Vorstandschef Rummenigge ließ nun nicht erkennen, dass er Gründe sieht, grundlegend etwas zu ändern, weder am Auftreten noch am Denken. „Der Fußball hat nach wie vor die Demut“, sagte er gleich zu Beginn seines Auftritts, „ich glaube nicht, dass wir irgendwie arrogant sind und irgendwelche Sonderwürste in Anspruch nehmen.“ Es war ein Satz, den er noch mehrfach in ähnlicher Form vortrug. Offenbar hatte er diese Botschaft ganz oben auf seine Agenda gesetzt. Doch substanziell entkräften konnte er den Eindruck, den die Kritiker zuletzt gewonnen hatten, nicht, wenn er erneut sagte: „Wir sind überhaupt nicht arrogant, wir verlangen überhaupt keine Sonderbehandlung.“

Rumenigge: "Nicht alles auf die Goldwaage"

Und auch seine Bitte um Verständnis und Nachsicht dürfte bei jenem Teil des Publikums verhallt sein, das das Gebaren des Fußballs missbilligt. „Wir sind auch nervös, wir sind auch alle in unserem Land angespannt“, sagte Rummenigge. Die Corona-Pandemie zehre an den Nerven aller, „auch an den Nerven des Fußballs“. Er verwies gar auf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), den er in der vergangenen Woche bei einem TV-Auftritt als „angespannt“ und „kaputt“ wahrgenommen hatte. Rummenigge sagte: „Wir sind alle kaputt, wir sind alle angespannt, und ich glaube, man darf nicht den Fehler machen, alles auf die Goldwaage zu legen.“

Später, als es um die langjährigen Geschäftsbeziehungen des Vereins zu Katar trotz der dortigen Menschenrechtsverletzungen ging und um die Frage, warum sich der reiche FC Bayern nicht mehr Moral leiste, verwies Rummenigge auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese habe den Mittelstand 2018 auf einer deutsch-katarischen Veranstaltung aufgefordert, Handelsbeziehungen zu Katar aufzunehmen. Und auf die Frage, warum im Fußball angesichts der Pandemie samt Mutationen nicht auf die vielen Reisen verzichtet werde, sondern sogar Heimspiele im Ausland ausgetragen werden, sagte Rummenigge: „Das ist eine Entscheidung der Uefa.“ Die Vereine könnten nichts tun.

Bayern-Boss Rummenigge fühlt sich falsch verstanden

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Es waren Sätze, die eher nicht danach klangen, dass der Chef des aktuell erfolgreichsten und vielleicht auch mächtigsten Fußball-Vereins der Welt bereit ist, in seiner Vorbildrolle Verantwortung zu übernehmen oder einzufordern. Rummenigge kann sich den Fußball als Vorbild aber nach wie vor sehr gut vorstellen. Zum Beispiel beim Thema Impfen. Er sei zuvor falsch verstanden worden bei seinem Vorschlag und habe sich vielleicht missverständlich ausgedrückt. „Wenn es irgendwann ausreichend Impfstoff gibt“, habe er gemeint, „dann wäre es vielleicht am Fußball, ein Vorbild zu sein und seine Spieler impfen zu lassen, um den Bürgern zu zeigen, dass Impfen keine Schädigungen mit sich bringt.“

Den entstandenen Eindruck, sich unter einem Vorwand Vorteile verschaffen zu wollen, versuchte er zu widerlegen. „Eigene Probleme wollen wir nicht lösen“, sagte Rummenigge und ergänzte: „Wir wollen uns in keinster Weise vordrängeln.“ Im Gegensatz zur Mannschaft stand die Verteidigung bei ihm durchweg stabil. Doch als wirklich überzeugend dürften die Kritiker auch Rummenigges Defensivarbeit wohl kaum empfunden haben.