Essen. An diesem Wochenende geht die finale Saison der Rennserie im alten Format zu Ende. Die Zukunft bringt viele Veränderungen.

Ein besonderer Hang zur Rührseligkeit kann Rene Rast eigentlich nicht nachgesagt werden. Die letzte Ausfahrt der echten DTM dürfte aber selbst beim stoischen Titelverteidiger für Wehmut sorgen: Das Saisonfinale in Hockenheim steht an, „und da werden mit Sicherheit auch zwei Tränen in den Augen dabei sein“, sagt Rast.

Schrumpfkur für die Rennserie

Denn nach den Rennen an diesem Samstag und Sonntag (je 13.30 Uhr/Sat.1) ist Schluss mit der DTM in ihrer jetzigen Form, die brüllend lauten Prototypen sind dann Vergangenheit. Ab 2021 schrumpft die DTM zur Serie im GT3-Format – und verliert ihr Alleinstellungsmerkmal. „Am Sonntag“, sagt Rast, „wird es ein sehr besonderes Gefühl sein, wenn man das Auto irgendwann abstellt. Wenn man die letzten Runden damit fährt, wird einem das sehr bewusst werden.“

Noch steht der Meister der Saison 2020 nicht fest. Doch bei den abschließenden Rennen auf dem Hockenheimring hat René Rast beste Chancen seinen Titel zu verteidigen. Der Pilot aus Minden geht mit 19 Punkten Vorsprung auf seinen Markenkollegen Nico Müller (Schweiz) in das Abschlusswochenende. Lediglich Außenseiterchancen besitzt Robin Frijns (Niederlande) mit 41 Zählern Rückstand. Im Qualifying und Rennen sind noch maximal 58 Punkte zu holen.

Von Audi über Ferrari bis Corvette

Kurz vor dem historischen Sieg: Audi-Pilot René Rast.
Kurz vor dem historischen Sieg: Audi-Pilot René Rast. © dpa | Juergen Tap

Ebenso spannend wie der Titelkampf ist das Ringen um die Zukunft der Tourenwagenserie. Nach dem Ausstieg von Audi und BMW zum Saisonende kommt es in der DTM zu einem Paradigmenwechsel. „Mir bricht es ein wenig das Herz, die Class-one-Autos ziehen zu lassen“, sagt DTM-Chef Gerhard Berger. Statt der teuren Prototypen nach Klasse-eins-Regeln, die von wenigen Herstellern aufgebaut werden, sollen private Rennteams Sportwagen nach dem weltweit gültigen GT3-Reglement an den Start bringen. Das Angebot ist groß. Aston Martin, Audi, Bentley, BMW, Corvette, Ferrari, Honda, Lamborghini, Lexus, McLaren, Mercedes, Nissan und Porsche haben entsprechende Modelle in ihrem Portfolio, sie haben 50 PS weniger, wiegen dafür gut 300 Kilo mehr als die Class-one-Boliden (600 PS/980 Kilo).

Nachdem Berger Mitte September Ideen von der künftigen DTM präsentiert hatte, bekundeten 40 Rennställe ihr Interesse am Neustart. Angemeldet jedoch hat sich noch kein Team. Der Einsatz eines Fahrzeugs würde etwa ein Fünftel von dem kosten, mit dem seither kalkuliert wurde – aber immer noch mehr als eine Million Euro. Noch sind die Pläne in vielen Bereichen zu vage. „Ich sehe noch viele Fragezeichen“, sagt Kimmo Liimatainen, Chef vom Team Rosberg.

Doch die Zeit drängt. Potenzielle Sponsoren haben ihre wegen Corona meist reduzierten Budgets längst verplant. Mehrere Teams haben deswegen Agenturen beauftragt – alle noch ohne erfolgreichen Abschluss. „Wir hoffen, dass wir bis zum Jahresende Klarheit haben“, sagt Thomas Biermaier, Geschäftsführer von Audi-Partner Abt-Sportsline.

Kein stehender Start mehr

Wie will sich die künftige DTM von den vielen GT3-Serien – zum Beispiel das ADAC GT Masters –, die es weltweit gibt, abheben? Der ehemalige Formel-1-Fahrer Berger träumte anfangs von 100 PS Mehrleistung. „Geht nicht“, sagten die Hersteller. Dann wollte er am stehenden Start festhalten. „Geht nicht“, hieß es wieder unisono, weil Antriebswellen und Kupplung neu entwickelt werden müssten. Um die Fahrer zu fordern, sollten ABS und Traktionskontrolle abgeschaltet werden. Wieder: „Geht nicht.“ Bleibt als einziges Alleinstellungsmerkmal, dass nur ein Pilot die etwa einstündigen Rennen bestreiten wird.

Diese Piloten sollen auch Profis sein. Wie Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock. Oder René Rast. Der zweimalige Meister, der im kommenden Jahr für Audi in der Formel E antreten wird, hätte Lust, weiter in der DTM dabei zu sein. „Jeder, der mich kennt, weiß, wie lange ich in die DTM wollte“, sagt der 34 Jahre alte Spätstarter, „in den letzten vier Jahren war ich Teil davon.“ Er wurde eines der Gesichter der Serie, die 1984 als Deutsche-Tourenwagen-Meisterschaft begann – und wird wohl am Wochenende ihr letzter Meister im alten Format.