Frankfurt. DFL-Chef Christian Seifert wird nach Ablauf seines Vertrages im Juni 2022 aufhören. Das wird Auswirkungen auf den deutschen Profifußball haben.

Es ist jetzt gut ein halbes Jahr her, dass Christian Seifert über den Mut und die Ausdauer sprach, im Profifußball Veränderungen zu denken und über eine lange Strecke vorzunehmen. Nunmehr steht fest, dass der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht mehr der Gestalter dieses durch die Corona-Krise erzwungenen Langzeit-Wandels sein wird. Der vielleicht mächtigste Mann des deutschen Fußballs wird seinen im Juni 2022 auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Sein Rückzug kommt für den zu umfassenden Reformen gezwungenen deutschen Fußball zur Unzeit. Denn der 51-Jährige hinterlässt auf dem Zenit seines Wirkens ein riesiges Machtvakuum.

„Dies sind anspruchsvolle Zeiten, die danach verlangen, Klarheit und Verlässlichkeit zu schaffen. Das gilt für die DFL als Ganzes und auch für meine beruflichen Ambitionen. Deshalb habe ich Herrn Peter Peters als Aufsichtsratsvorsitzenden darüber informiert, dass ich die DFL nach Ablauf meines Vertrages im Juni 2022 verlassen werde“, teilte Seifert am Montag mit. „In zwei Jahren möchte ich ein neues berufliches Kapitel aufschlagen.“ Offenbar reizt den Topmanager eine Herausforderung abseits des Fußballs, über die nach derzeitigem Stand nur spekuliert werden kann.

Verlust einer Koryphäe für die DFL

Die DFL verliert eine Koryphäe, die die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge einzuordnen und bestens zu nutzen wusste. Das längst begonnene Tauziehen um eine Neuverteilung der Medienerlöse ist nur ein Vorgeschmack darauf, welche Machtkämpfe noch bevorstehen. Der Steuermann mit dem badischen Zungenschlag versprach, in seinen Funktionen weiterhin „vollen Einsatz“ zu zeigen. Anders als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) steht die DFL unter seiner Regentschaft für ein skandalfreies Tun. Dass seiner im feinen Frankfurter Westend in Sichtweite der großen Bankentürme residierenden Institution ein glattes, weil geschäftsmäßiges Image anhaftet, hat Seifert im Grunde nie gestört. Der scharfsinnige Strippenzieher fand das schlicht professionell.

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Bei seinem Wechsel vom Vorstand der KastadtQuelle New Media AG zum DFL-Geschäftsführer im Jahr 2005 noch skeptisch beäugt, haben heute Vorstände wie Karl-Heinz Rummenigge (FC Bayern) oder Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund) größten Respekt vor einem ebenso weitsichtigen wie geschäftstüchtigen Strategen, dem rhetorisch kaum jemand das Wasser reichen kann. Seinen Geltungsdrang sollte niemand unterschätzen. Ein Geschäftsführerkollege wie Andreas Rettig warf zwischendrin entnervt das Handtuch.

Bundesliga dank Seifert Vorbild in Corona-Zeiten

Als sich im vergangenen Jahr Liga-Präsident Reinhard Rauball zurückzog, wurde dessen Amt eingestampft - und Seifert zum Sprecher des Präsidiums bestimmt. Mit dieser Allmacht stieg er in der Pandemie zum Krisenmanager auf: Seine hohe Auffassungsgabe gepaart mit erstklassigen Verbindungen bis in die hohe Politik etwa zum Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) waren für die 36 Lizenzvereine in der Corona-Zwangspause Gold wert. Die Krise führte ihn an die Belastungsgrenze, zeitweise fühlte sich der Vater zweier Töchter im „Science-Fiction-Film“.

Doch die Bundesliga nahm als erste Profiliga weltweit den Spielbetrieb wieder auf. Überall wurde das deutsche Hygienekonzept nachgeahmt. Übrigens hatte der DFL-Boss zuvor beim Neujahrsempfang erstaunten Zuhörern empfohlen, in Deutschland nicht nur immer alles besser zu wissen, sondern es endlich mal wieder besser zu machen. Solch scharfzüngigen Spitzen, früher auch gerne in Richtung DFB, Uefa oder Fifa adressiert, konnte er sich deshalb leisten, weil er in seiner ureigenen Aufgabe – der Vermarktung der Liga - sagenhafte Ergebnisse herausholte. 2018/2019 hatten die Bundesliga-Klubs ihre Erlöse auf mehr als vier Milliarden Euro gesteigert. Auf dem Weg dahin betrugen die Steigerungsraten bei den Fernseheinnahmen 50 und 80 Prozent.

Großes Bedauern beim Aufsichtsrat

Der DFL-Geschäftsführer erkannte zuletzt, welch öffentlicher Gegenwind aufkam, als erste Traditionsvereine nach wenigen Wochen in die Zahlungsunfähigkeit rutschten, obwohl auch mit seinem Zutun immer höhere Summen bewegt werden. Seifert kündigte öffentlich Korrekturen an. Über eine Taskforce „Zukunft Profifußball“ soll eine Neujustierung beginnen. Wochen zuvor hatte Seifert noch einen neuen Medienvertrag ausgehandelt, der die Erst-und Zweitligisten bis 2025 vor allzu heftigen Einbußen verschont. Hausintern haben sie höchsten Respekt vor der Belastbarkeit eines Chefs, der nicht durchgängig mit harter Hand führt, sondern auch mal hemdsärmelig sein kann – aber immer klar im Kopf.

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Der Aufsichtsrat drückte „großes Bedauern“ über den Rückzug aus. „Der Wechsel an der Spitze der DFL bedeutet einen Einschnitt“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzender Peter Peters. Die Neubesetzung werde ohne Zeitdruck angegangen, dafür starte ein „umfassender Prozess“. Seiferts Entschluss kommt insofern überraschend, da von Amtsmüdigkeit wenig zu hören war.

Aufsichtsrat muss nun einen Nachfolger finden

Aus seiner Stellungnahme ist wenig Verbitterung abzulesen: „In meiner Funktion an der Spitze der DFL konnte ich die Entwicklung einer der größten Sportligen der Welt, einer bedeutenden gesellschaftlichen Institution sowie den Aufbau eines der innovativsten Medienunternehmen Deutschlands aktiv gestalten. Das war Ehre und Freude zugleich.“ Er habe die Entscheidung bereits so früh gefällt, damit sich der Aufsichtsrat überlegen könne, wie künftig die Organisation der DFL GmbH aussehen solle. Das hörte sich ganz so an: Einer Person allein die Nachfolge zu übertragen, ist bei solch riesigen Fußstapfen ein Ding der Unmöglichkeit.