Köln. Einst galt Toni Kroos als zu weich, um viele Titel zu holen. Gegen die Schweiz macht er sein 100. Länderspiel – und ist als Anführer anerkannt.
Der 3. März 2010 ist nicht unbedingt ein Tag für die Fußball-Geschichtsbücher. Deutschland empfängt Argentinien in München, das Spiel geht 0:1 verloren und die 65.152 Zuschauer pfeifen gewaltig – weil damit auch die Generalprobe für die Weltmeisterschaft 2010 mächtig in die Hose geht, was einige Monate und ein berauschendes Turnier später aber schon wieder vergessen ist.
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Toni Kroos allerdings dürfte sich noch sehr genau und auch gerne erinnern an diesen Tag: Er machte damals sein erstes Spiel für die Nationalmannschaft, kam in der 67. Minute für Thomas Müller, einen weiteren Debütanten. Gleichzeitig wurde Cacau für Mesut Özil eingewechselt, im Sturm spielten Miroslav Klose und Lukas Podolski, im Mittelfeld sorgte Michael Ballack für Ordnung, das Tor hütete René Adler. Manuel Neuer saß auf der Bank.
Großes Lob von Löw
Neben Neuer ist Kroos der einzige Akteur von damals, der übrig geblieben ist. Auch den Umbruch nach der verkorksten WM 2018 hat er überstanden. Und gegen die Schweiz wird er an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) sein 100. Länderspiel bestreiten.
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Kroos stößt vor in einen exklusiven Zirkel, nur 15 deutsche Fußballspieler haben die 100 erreicht. Michael Ballack, der große Unvollendete, blieb bei 98 Partien, Berti Vogts bei 96, Sepp Maier bei 95. Kroos wird die 100 übertreffen, das ist sicher. Denn in der Nationalmannschaft ist er absolut unverzichtbar. „In unserem Spiel ist er Dreh- und Angelpunkt“, sagt Bundestrainer Joachim Löw. „Was er an Konstanz und Klasse zeigt, ist einmalig.“
Die Ruhe ist seine Stärke
Fünf große Turniere haben beide zusammen erlebt. „Und egal in welchem Spiel auf welchem Niveau in welcher Phase: Bei Toni gibt es nie irgendwelche Anzeichen von Nervosität“, sagt Löw. „Vor dem WM-Finale 2014 in Rio de Janeiro waren wir alle angespannt, auch die Trainer. Aber Toni war die Ruhe in Person. Er ruht in sich selbst, weil er so viel Selbstvertrauen und so viel Vertrauen in sein Können hat.“ Und das ist wohl die größte Stärke des Mittelfeldspielers, noch vor der sauberen Technik, der unglaublichen Übersicht und den präzisen Pässen, die über fünf wie über 50 Meter fast immer das Ziel erreichen.
Toni Kroos, so schrieb es mal ein Journalist, erledige alles mit dem gleichen Pulsschlag: Brötchen holen, Fernsehen, Fußball spielen. Das allerdings war nicht als Kompliment gemeint. Toni Kroos galt der Öffentlichkeit lange als zu weich, zu phlegmatisch, als der Querpass-Toni, der dem Spiel wenig bringe. Auch der FC Bayern ließ ihn 2014 ohne großen Widerstand zu Real Madrid ziehen, weil man bezweifelte, ob der gebürtige Greifswalder die nötige Härte für große Titel hatte. Drei Champions-League-Titel in Serie und diverse nationale Pokale später zweifelt niemand mehr.
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Zidane schwärmt von der Leichtigkeit
Seine Trainer waren eigentlich immer überzeugt. „Wenn ich in den Ruhestand gehe, kann ich sagen: ‚Ich habe Cristiano, Bale, Modric, Ramos trainiert‘. Aber ich werde auch sagen, dass ich Toni Kroos trainiert habe“, sagt Real-Trainer Zinedine Zidane, selbst einer der größten Mittelfeldspieler der Geschichte. „Er ist nie nervös und liebt es, ebenso aus der Distanz zu schießen wie einen Rückpass zu spielen. Die Leichtigkeit, mit der er mit beiden Füßen spielt, fasziniert mich.“
Und auch die Mitspieler: „Toni ist ein unglaublicher Fixpunkt auf dem Platz“, sagt Leon Goretzka. „Er ist einer, der immer den Ball haben will, egal wie das Spiel verläuft und wie der Spielstand ist. Und er findet immer Lösungen, das ist sehr beeindruckend.“
Selbst Ronaldo hörte auf Kroos
Ein Lautsprecher aber ist er nicht, eher ein Mann der leisen Töne. Ein Familienmensch, dem Ehefrau Jessica und die drei Kinder Leon, Amelie und Fin das Wichtigste sind. Aber wenn er etwas sagt, dann hat sein Wort Gewicht, dann ließ sich auch ein Superstar wie Cristiano Ronaldo etwas sagen, berichtet Zidane, der beide in Madrid trainiert hat. „Toni redet nicht viel, er ist ein ruhiger, zurückhaltender Junge, aber wenn er spricht, dann kommt seine Botschaft an“, sagt Zidane. „Ich habe viele Diskussionen erlebt, in denen seine Meinung die Entscheidung brachte.“
Und auf dem Platz „ist es für eine junge Mannschaft extrem wichtig, dass da einer ist, der alles erlebt hat, der weiß, wie man Titel gewinnt, der in schwierigen Situationen für die Mannschaft da ist und allen Widerständen zum Trotz das Spiel an sich reißen und dirigieren kann“, meint Goretzka.
Für die EM im kommenden Sommer ist Kroos deswegen ein Eckpfeiler in Löws Planungen. Der EM-Pokal fehlt dem 30-Jährigen noch. „Den würde ich tatsächlich gerne noch holen“, sagt er.