Essen/Kiew. Auch nach dem mühsamen Debütsieg in der Nations League in der Ukraine gibt es Kritik am DFB-Team. Joachim Löw zeigt sich unbeeindruckt.

Joachim Löw sah diesen Fehler schnell ein. Das 2:1 (1:0) der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in der Nations League über die Ukraine war nicht einmal eine Stunde alt, da hatte der Bundestrainer im Olympiastadion von Kiew einen Monolog von handgestoppten vier Minuten und 25 Sekunden an seine Kritiker gerichtet. Dann dämmerte ihm, dass die bedauernswerte Übersetzerin nun alles ins Ukrainische überführen musste. „Ich fasse mich ab jetzt kurz“, versprach der 60-Jährige. Für viele Fragen war dann aber keine Zeit mehr, der Flieger wartete. Noch in der Nacht verließ die DFB-Auswahl Kiew und kehrte ins Mannschaftshotel Hyatt in Köln zurück. In der Domstadt geht es am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) gegen die Schweiz.

Schweinsteiger kritisch wie Matthäus

An anderer Stelle war Löw weniger einsichtig: „Ich stehe über den Dingen“, das war ein zentraler Satz seiner Ausführungen, ein weiterer: „Wir wissen schon, was wir tun, wir haben unsere Linie und unseren Plan.“ Öffentliche Kritik? Tangiert ihn nicht. Und Kritik hatte es einige gegeben. Von ARD-Experte Bastian Schweinsteiger etwa, einst Löws verlängerter Arm auf dem Platz: „Die Ergebnisse stimmen nicht. Die Attraktivität geht ein bisschen verloren“, sagte der frühere DFB-Kapitän. „Man kann sich nicht mehr hundertprozentig mit der Nationalmannschaft identifizieren. Das ist schade!“ Nach dem 3:3 im Testspiel gegen die Türkei am vergangenen Mittwoch hatte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus die Personalauswahl, die taktische Ausrichtung und die Wechsel bemängelt.

Am Wochenende war von Matthäus nichts zu hören, er traf sich mit den übrigen Weltmeistern von 1990 in der Toskana. Doch auch dort gibt es Fernseher, und sollte der 59-Jährige sich das Spiel angesehen haben, dürfte er sich nicht zwingend widerlegt gefühlt haben.

Bayern-Profis wirken fahrig und unkonzentriert

Natürlich stand am Ende der erste Sieg in der Nations League im siebten Anlauf. Natürlich war es aufgrund vieler Chancen ein verdienter Sieg. Das Ergebnis stimmte, das Erlebnis aber nur bedingt. „Man muss sagen, dass nicht alles gelungen ist“, räumte ja selbst Löw ein. Abwehrspieler Matthias Ginter meinte: „Wir haben nicht die Sterne vom Himmel gespielt.“ Gerade in der ersten Halbzeit war der Spielaufbau zu träge, gab es kaum Bewegung ohne Ball und dafür zu viele Ballverluste. Die auch von Löw artikulierte Hoffnung, dass durch die Rückkehr des Bayern-Blocks vieles von allein besser werden würde, erfüllte sich an diesem Tag nicht. Denn auch die Serien-Titelsammler der vergangenen Monate wirkten fahrig und unkonzentriert.

Immerhin ging Deutschland durch einen von Antonio Rüdiger willensstark vorbereiteten Treffer mit 1:0 in Führung, Matthias Ginter musste nur noch vollenden (20.). Beim 2:0 ließ Ukraine-Torhüter Georgij Buschtschan eine harmlose Flanke auf Leon Goretzkas Kopf fallen, der den Ball reaktionsschnell über die Linie stupste (49.). Es hätte ein glanzloser Arbeitssieg werden können – es wurde ein glanzloser Zittersieg, weil Niklas Süle auf plumpe Art einen Elfmeter verursachte und Ruslan Malinowski verkürzte (76.).

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Am Dienstag geht’s gegen die Schweiz

Selbstredend gab es mildernde Umstände: Dieses Team konnte nicht eingespielt sein nach einem gemeinsamen Training. Die Bayern-Profis und die Leipziger waren erstmals seit November wieder dabei, weil sie in den vergangenen Wochen ein strammes Programm zu absolvieren hatten. Die Belastung war ihnen anzumerken. Auch die Gesamtkonstellation mit drei Spielen in sieben Tagen und dem Kurztrip ins Corona-Risikogebiet Ukraine war keine solide Basis für Höchstleistungen.

Gleichwohl: Den anderen Mannschaften geht es ja nicht besser. Die Ukraine ist allen gegenteiligen Lobpreisungen von Löw zum Trotz alles andere als ein Spitzenteam, sie musste auf 14 Profis verzichten und so manche Verlegenheitslösung auflaufen lassen. Ein anderer, ein weniger harmloser Gegner hätte die deutsche Mannschaft für ihre vielen Fehler, für die leichtsinnigen Ballverluste härter bestraft. Die Schweiz zum Beispiel, gegen die es am Dienstag geht. Und ganz sicher die Spanier, die im November warten.