Essen. Joachim Löw hofft in der Ukraine auf den ersten Sieg in der Nations League. Die Rückkehr der Münchener Spieler macht dem Bundestrainer Mut.
„Kimmich“, sagt Joachim Löw, und dann noch einmal lauter: „KIMMICH! Joshua Kimmich. JOSHUA!“ Der Übersetzer, der die Ausführungen des Bundestrainers ins Ukrainische übertragen soll, hat nämlich nicht verstanden, wen Löw da gerade ausführlich gelobt hat.
Kleine und große Widrigkeiten
Dass jemand diesen Kimmich nicht kennt, das kommt nur noch höchst selten vor, gerade bei Pressekonferenzen der Nationalmannschaft. Der 25-Jährige hat eben erst die Champions League gewonnen, er gab die Vorlage zum Siegtor im Finale und wurde zu Europas Verteidiger des Jahres gewählt. Und er soll nun helfen, dass es im Nations-League-Spiel gegen die Ukraine in Kiew an diesem Samstag (20.45 Uhr/ARD) endlich den ersten Sieg in diesem Wettbewerb gibt.
Es gehört allerdings zu den kleineren Widrigkeiten der Länderspielreise, dass ein Übersetzer den Namen Kimmich nicht kennt. Die größeren haben, wie meist in diesen Zeiten, mit der Corona-Pandemie zu tun. Die Ukraine ist Risikogebiet, dennoch sollen 21.000 Zuschauer ins Stadion kommen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, der frühere Box-Weltmeister, lockerte extra für die Partie die Auflagen für Sportveranstaltungen. Auch auf den Fußball schlägt die Corona-Pandemie voll durch, insgesamt 14 Spieler fehlen der Ukraine, sechs sind infiziert.
Die Erwartungshaltung ans DFB-Team ist klar
Es war also ein mulmiges Gefühl dabei, als die deutsche Nationalmannschaft am Freitagmittag bei angenehmen 20 Grad in Kiew landete. Angst aber habe er keine, versichert Löw. Er widmet sich am Freitag lieber dem Sport, und da hat es seine Stimmung durchaus aufgehellt, dass jener Kimmich mit im Flieger nach Kiew saß, dass dieser wie der gesamte Bayern-Block erstmals seit November wieder bei der Nationalmannschaft ist. Hinzu kommen die Profis von RB Leipzig sowie die zuletzt angeschlagenen Toni Kroos (Real Madrid) und Timo Werner (FC Chelsea). „Alle Spieler sind einsatzfähig“, verkündet Löw.
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Die Erwartungshaltung ist klar. Es muss unbedingt ein Sieg her in der Nations League, in der Deutschland nach zwei von sechs Spieltagen mit zwei Punkten hinter Spanien (4) und der Ukraine (3) nur auf Gruppenplatz drei liegt. Joachim Löw müht sich am Freitagnachmittag nach Kräften, den Gegner starkzureden: „Alle Spieler sind internationale Topklasse“, meint er auch zur Überraschung der ukrainischen Kollegen. Dennoch wäre alles andere als ein deutscher Sieg eine herbe Enttäuschung.
Viel Lob für Kimmich
Denn Löw hat ja jetzt Kimmich dabei, „die personifizierte Leidenschaft und Professionalität“, wie Löw sagt. Den Spieler, der ins Mittelfeld zudem „die Komponente Einsatz und Zweikampfhärte reingebracht hat“. Und der das vielbeschworene Bayern-Gen in sich trägt. Jenes von Forschern bisher unentdeckte, aber doch so wirkmächtige Stückchen Erbgut, das die Münchener in diesem Jahr zu bislang fünf Titeln getragen hat, das auch Niklas Süle, Leon Goretzka, Manuel Neuer und Serge Gnabry vollgepumpt hat.
Das wurde schmerzlich vermisst zuletzt, als dreimal in Serie eine Führung verspielt wurde. Einen „abgeklärteren, erwachseneren und dreckigeren Auftritt“ wünschte sich Emre Can nach dem 3:3 gegen die Türkei. Ein Wort, das dem Ästheten Löw nicht gefällt, er spricht lieber von mehr Spielkontrolle, mehr Konzentration, weniger Nervosität.
DFB-Team soll vom Bayern-Block lernen
„Wir wollen jetzt wieder eine positive Serie starten“, so formuliert es Manuel Neuer, der bei den Bayern sowie beim DFB das Tor hütet und die Kapitänsbinde trägt. Was der Bayern-Block dazu beitragen kann? „Wir haben jetzt viele Titel gesammelt, und ich hoffe, dass die Nationalmannschaft das von uns lernen kann. Wir hatten einen tollen Teamgeist, sehr großen Zusammenhalt. Das war ausschlaggebend dafür, dass wir so erfolgreich waren.“
Den muss sich auch die DFB-Auswahl wieder erarbeiten, da sie erstmals nach elf Monaten in fast kompletter Besetzung trainiert und spielt. Ein Sieg gegen die Ukraine wäre sicher kein schlechter Anfang.