Mugello. Ferrari feiert am Sonntag beim Großen Preis der Toskana seinen 1000. Start in der Formel 1. Eine Annäherung an den Mythos.

Es muss dieses Rot sein. Am Wochenende ist es so dunkel, wie es mal war in den Fünfziger Jahren, als Alberto Ascari als letzter Italiener Weltmeister in der Formel 1 wurde. Er fuhr einen in tiefes Burgund getauchten Ferrari. Mit ebenso lackierten Rennwagen starten nun Sebastian Vettel und Charles Leclerc am Sonntag beim ersten Großen Preis der Toskana, der den stolzen Zusatz „Ferrari 1000“ trägt (15.10 Uhr/RTL und Sky).

Es ist ein Jubiläums-Grand-Prix in der Heimat des Traditions-Rennstalls, die Corona-Notsaison hat es möglich gemacht. Die Historie als Lichtblick und Wegweiser in einem auch sportlich schrecklichen Jahr. Dem Rot kann es nichts anhaben. Diesmal ist der so launische Rennwagen wieder eine rote Göttin.

Ganz Italien leidet mit Ferrari

Kein anderes Team weckt so viele Emotionen, weiß eine ganze Nation hinter sich, und das in jeder einzelnen Saison der Formel 1 seit der Premiere 1950 – nur nicht in jedem Rennen, weshalb die Serie bereits 2019 ihren 1000. WM-Lauf zelebrierte und Ferrari erst am Sonntag. Ganz Italien siegt und leidet mit seiner Scuderia. Und keiner leidet so schön wie die Ferraristi. Es gab aber auch schon viel zu feiern: 16 Kons­trukteurstitel, 15 bei den Fahrern. Immer noch einsamer Rekord. Nur eben kein Championat in diesem Jahrzehnt.

Firmengründer Enzo Anselmo Ferrari war einst bei Fiat weggeschickt worden, wo er sich als Mechaniker beworben hatte. Die Frage nach seiner Zukunft stellte sich neu. Er schwankte zwischen Opernsänger und Sportjournalist – und wurde Rennfahrer. Sein Talent war eher mäßig, aber als Charismatiker an der Piste war er unschlagbar. So kam Ferrari als Commendatore hinter der Boxenmauer zu Ruhm, hörig dem Klang der Zwölfzylinder-Motoren. Ein Egoist, der immer alles auf Rot setzte.

Mercedes erbietet Ehre und Anerkennung

Bis heute, da sich der Fiat-Konzern die edle Marke mit dem springenden Pferdchen längst einverleibt hat, gibt es keine nennenswerten Marketingmaßnahmen außerhalb der Sportabteilung. Sie muss den Ruf der Straßensportwagen befeuern, deren Ertrag wiederum den Rennen zu Gute kommt. Ein ewiger Kreisverkehr, der in etwa wie das ganz große Grundprinzip funktioniert: Die Formel 1 kann nicht ohne Ferrari. Aber Ferrari kann auch nicht ohne die Formel 1.

Rivale Mercedes, der drauf und dran ist, mit dem siebten Titel in Folge die Bestmarke der Schumacher-Ära zu übertreffen, erbietet den Italienern an diesem Wochenende Ehre und Anerkennung. Das Safety-Car wurde von Silber zu Rot umlackiert. Teamchef Toto Wolff will damit an die Rennsport-Historie des Konkurrenten erinnern, „der uns einige der größten Momente in der Formel 1 beschert hat. Die Frauen und Männer in Maranello blicken bei diesem Jubiläum auf eine stolze Geschichte zurück, und wir zollen ihnen damit Respekt“.

Vergessen der Streit um den Sonderbonus in zweistelliger Millionenhöhe, den Ferrari jedes Jahr einzig und allein dafür erhält, dabeigewesen zu sein. Der Macht der Marke kann sich kaum jemand entziehen. Auch Michael Schumacher, ein Realo, hat sich vom Mythos faszinieren lassen. Zum Abschied gestand er: „Ein Teil meines Herzens wird immer Rot sein.“ Am Sonntagmorgen wird sein Sohn Mick in Mugello eine Runde mit dem Weltmeister-Auto seines Vaters von 2004 drehen.

Stolz und Tragik

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Es gibt magische Geschichten wie jene aus der Saison 1988, dem Todesjahr von Enzo Ferrari, der mit 90 Jahren starb. Ayrton Senna und Alain Prost machten mit ihren McLaren alle Siege unter sich aus. Nur bei einem Rennen, dem im Autodromo Nazionale von Monza, gewann: Gerhard Berger im Ferrari. Oder 1958, als Mike Hawthorn Weltmeister wurde – als erster Engländer überhaupt. Das wird immer wieder gern hervorgeholt, wenn die Briten in Anspruch nehmen, die Großmacht in der Formel 1 zu sein.

Doch wo Stolz ist, ist auch Tragik. Wolfgang Graf Berghe von Trips starb 1961 in einem Ferrari. Auch Gilles Villeneuve ließ sein Leben im roten Auto. Niki Lauda überlebte schwer gezeichnet.

Für Enzo Ferrari stand stets „la macchina“, das Auto im Vordergrund. Noch heute steht weiß auf Rot an einer glänzenden Wand im neuen High-Tech-Firmenquartier sein Leitsatz: „Für mich ist das Wichtigste der Motor, weil er eine Seele hat – alles andere kommt von allein.“ Mit viel Sturheit hat sein Team stets die langen Leidenszeiten ertragen. Es lässt sich durchaus behaupten, dass Ferrari der Formel 1 Seele gibt. Wer die werkseigene Rennstrecke in Fiorano betreten will, muss an einer Madonnenfigur vorbei. Es wundert nur, dass sie weiß ist – und nicht rot.