Budapest. Mercedes ist mit drei Siegen in drei Rennen der Dominator der Formel 1. Doch der Erfolg hat mehrere Namen als Lewis Hamilton.

Der erste von drei Dreierpacks dieser höchst ungewöhnlichen Formel-1-Saison endet mit einem Mercedes-Hattrick. Lewis Hamilton kehrt nach seinem zweiten Sieg hintereinander an die WM-Spitze zurück, der Brite ist in Rekordlaune. Er spürt, dass er Michael Schumachers Rekordmarken egalisieren und übertrumpfen kann. Noch tut der Brite so, als ob ihm das nicht besonders viel bedeutet. Aber das Gegenteil ist der Fall. Hamilton schreitet unabhängig schwieriger Wetter-, Temperatur- oder Reifenbedingungen unaufhörlich voran, beim Großen Preis von Ungarn fuhr er unantastbar.

In der allerletzten Runde legte er noch einen Streckenrekord nach. Der Titelverteidiger ist ein Alphatier, er kann exzentrisch sein, wenig rücksichtsvoller Egomane. Aber er vergisst auch nie, dass Solo-Erfolge in der Königsklasse in Wirklichkeit immer eine Mannschaftsleistung sind. Am Hungaroring macht er seinen Kollegen ein Kompliment und unterstreicht damit zugleich das Erfolgsrezept der aus Stuttgart finanzierten englischen Rennmannschaft: „Dieses Team verblüfft mich einfach immer wieder.“

Vettel spendet sich selber Trost

Harter Schnitt, hin zu Ferrari. Die Inquisition bei der Scuderia findet per Videokonferenz statt. Beide Fahrer überrundet, Sebastian Vettel immerhin noch Sechster, Charles Leclerc außerhalb der Punkte. Der Motor lahmt weiterhin allen Ansprüchen hinterher, die Balance des SF 1000 ist Glückssache, die Taktik war katastrophal. Vettel stand 9,2 Sekunden in der Box, weil der Stopp falsch kalkuliert war. Dementsprechend sind die Gesichter. Teamchef Mattia Binotto hat keine Maske auf, aber sein Gesicht wirkt wächsern.

Sebastian Vettel, im Kopf schon weit in seiner eigenen Zukunft, aber hinter dem Lenkrad Realo und Rennfahrer genug, um mit dem ungeliebten roten Auto alles herauszuholen, spendet sich selbst Trost: „Wir sind nicht da, wo wir sein wollen, aber wenigstens haben wir alles getan, was wir tun konnten.“ Sein Chef kleidet in bittere Worte, was an seiner Miene abzulesen ist: „Dieses Resultat ist nur schwer zu schlucken.“ Er kündigt eine Aufräumaktion in Maranello an, zumindest mental: „Jeder muss jetzt seine eigene Arbeit analysieren und wenn notwendig, den Kurs wechseln. Eine andere Lösung, um diese Situation in den Griff zu bekommen, gibt es nicht. Die aktuelle Dynamik ist nicht akzeptabel.“

„Das Maximale aus dem Moment herausholen“

Schwenk zurück ins Silberpfeil-Lager. Seit sechseinhalb Jahren gibt es dort wenig Irritationen, am wenigsten öffentliche. Der ungarische Grand Prix begann und endete allerdings damit. Am Start ließ sich Valtteri Bottas von plötzlich aufblinkenden Lichtern am Lenkrad fast zu einem Frühstart verleiten, daraus wurde dann ein Spätstart, der Mercedes den zweiten Doppelerfolg in Serie kostete. In der Schlussphase verlangte der einsam vorausfahrende Lewis Hamilton noch einmal frische Reifen, um noch die schnellste Runde zu drehen. Das war in der Taktik aber nicht vorgesehen, dementsprechend diskutierten Fahrer, Strategen und Ingenieure.

Die Nummer 1: Lewis Hamilton steigt nach seinem Sieg aus dem Mercedes.
Die Nummer 1: Lewis Hamilton steigt nach seinem Sieg aus dem Mercedes. © Getty Images | Mark Thompson

Der Champion setzte sich durch, fuhr im letzten Umlauf Streckenrekord und kassierte einen Bonuspunkt: „Ich weiß, wie es ist, wenn man eine Weltmeisterschaft wegen eines Pünktchens verliert…“ Das war 2007 passiert, das soll sich nie wieder vorkommen: „In diesem Jahr ist es entscheidend, das Maximale aus jedem Moment herauszuholen.“ Teamchef Toto Wolff brummte, nicht unzufrieden: „Aus dieser Debatte werden wir eine Menge lernen.“ Denn was die Einschätzung, respektive das Nicht-Unterschätzen der Gegner angeht, ist er sich mit seinem Paradefahrer einig: „Ein Vorsprung kann nie groß genug sein.“

Red Bull mangelt es an ausgeglichener Stärke

Wie macht Mercedes das? Gewiss, die Leistung von Red Bull, eine Radaufhängung samt Spurstange in der Startaufstellung zu wechseln, war ebenfalls weltmeisterlich. Aber dem derzeit härtesten Verfolger der Champions mangelt es an ausgeglichener Stärke. Dort wird auf wütende Angriffe gesetzt, Mercedes hingegen spielt Puzzle mit sich selbst – alles fügt sich ineinander. Hakt ein Teilchen nur ein bisschen, wird es geschliffen.

Mit einer Unaufgeregtheit, der nicht einmal die Fehde Hamilton/Rosberg groß etwas anhaben konnte. Toto Wolff beschreibt seine erfolgreiche Philosophie so: „Arbeitskultur ist nichts, was über eine powerpoint-Präsentation funktioniert. Man muss sie leben.“ In der pointierten Konsequenz bedeutet das: „Im Wörtchen Team steckt kein Buchstabe „i“ für Ich. Das Ego eines Einzelnen darf niemals über dem Team stehen. Wir wissen auch, dass Ego nicht die Intelligenz schlagen darf.“

Alle ziehen bei Mercedes mit

Stabilität kommt durch die bedingungslose Unterstützung von ganz oben, dazu gehört auch die Daimler-Konzernspitze. Der innere Antrieb ist bei praktisch allen gleich hoch, es geht allen darum, das Auto noch besser zu machen. „Deshalb gibt es nicht bloß eine Antwort darauf, was uns so stark macht“, sagt Teamchef James Allison – der Mann, der Ferrari vor ein paar Jahren nicht gut genug war. Möglicherweise bemüht sich die Scuderia aber jetzt um Andy Cowell, der Kopf hinter dem Mercedes-Hybridsystem, der sich vor ein paar Wochen mit unbekanntem Ziel verabschiedet hat.

Lewis Hamilton beschreibt in Budapest ganz praktisch, wie Mercedes das eigene Niveau nicht nur hält, sondern immer noch ein Stückchen anhebt: „Wenn wir nach einem Sieg ins technische Briefing gehen, dann strahlen alle für ein paar Minuten glücklich. Danach aber sind wirklich alle wieder todernst. Wenn wir über das Auto Rennen, dann hat noch nie jemand gesagt, wie großartig es ist. Es wird nur darüber geredet, was noch besser sein könnte. Genau deshalb geht es immer aufwärts.“