Stuttgart. Bundestrainer Joachim Löw kritisiert eine Regeländerung und den vollen Terminkalender – und trifft damit auch seinen Arbeitgeber DFB.
Es ging schon auf Mitternacht zu in der Stuttgarter Arena, alle Beteiligten hatten ein äußerst intensives Länderspiel erlebt beim 1:1 (0:0) zwischen Deutschland und Spanien. Doch Joachim Löw hatte offenbar noch Energie. Zumindest redete sich der Bundestrainer ordentlich in Rage, als er auf ein Thema angesprochen wurde, auf das er schon in den vergangenen Tagen mehr oder weniger allergisch reagiert hatte: die Belastung seiner Fußballspieler.
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Wegen des späten Saisonstarts und der im Sommer anstehenden Europameisterschaft sind die Termine in der anstehenden Spielzeit dicht gedrängt, Ruhepausen sind kaum vorgesehen. Nationalspieler, die mit ihren Klubs auch noch in den Europapokalwettbewerben erfolgreich sind, könnten bis zum Sommer – inklusive EM – auf über 70 Spiele kommen. Auch wegen einer dichten Taktung an Länderspielen: In den Abstellungsphasen im Oktober und November tritt die DFB-Auswahl zu jeweils drei Partien an. „In zehn Tagen drei Spiele zu absolvieren, bei diesem Programm, das finde ich wenig sinnvoll“, sagte Löw. „Da noch zwei Freundschaftsspiele einzubauen, das bringt mir als Trainer nichts.“
Bundestrainer Löw befürchtet "große Probleme"
Denn dann bleibe kaum Zeit zum Training, die gemeinsame Zeit bestünde aus kaum mehr als Reisen, Spielen und Regenerationseinheiten. „Der Terminkalender ist wahnsinnig voll, das war er auch schon in Vergangenheit“, schimpfte ein immer energischerer Löw. „Wir müssen aufpassen, die Gesundheit der Spieler steht über allem“, fuhr er fort. „Bei diesem Programm bekommt man, wenn man nicht aufpasst, im März, April oder Mai große Probleme.“
Inhaltlich dürfte kein Experte dieser Welt dem Bundestrainer widersprechen, und doch waren seine Aussagen durchaus erstaunlich. Denn sie richteten sich ja zu großen Teilen gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB), der Löw mit einem durchaus üppigen Gehalt alimentiert. An den Terminen der Nations League kann der DFB nicht rütteln, die legt die Europäische Fußball-Union Uefa fest. Die Freundschaftsspiele, über die der Bundestrainer so schimpft, werden aber vom DFB veranstaltet. Denn der ist, das haben die Verantwortlichen mehrfach betont, auf die Einnahmen angewiesen, die Auftritte der Elite-Auswahl sind die wichtigste Geldquelle des Verbands. „Die Verbandsinteressen vertrete ich grundsätzlich auch, natürlich freut sich Verband über die Einnahmen“, räumte auch Löw ein –bevor er ein weiteres Mal erkennen ließ, dass er den Terminkalender für ziemlichen Wahnsinn hält.
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Und wo der 60-Jährige schon einmal dabei war, bekam auch die Uefa ihr Fett weg. Die nämlich hatte kurz vor den Nations-League-Spielen die Rolle rückwärts beschlossen: Statt der zwischenzeitlich erlaubten fünf Auswechslungen, um in den Zeiten der Corona-Wirren die Belastungen besser zu verteilen, erlaubt der Verband in seinem Wettbewerb künftig wieder nur drei Wechsel. „Das ist auch ein Punkt, über den ich mich aufrege“, polterte Löw, was angesichts seines immer energischeren Vortrags ein nicht mehr benötigter Hinweis war. „Gerade jetzt hätte man es gebraucht, weil die Spieler gerade jetzt ein Mammutprogramm absolvieren müssen. Einige gehen auf dem Zahnfleisch, das war zu erwarten – und gerade dann passieren oft Muskelverletzungen.“
Julian Draxler teilt Löws Meinung
Zumal Löw mit Spielern in ganz unterschiedlichen Belastungsphasen arbeiten muss: Einige haben kürzlich noch Champions League gespielt, einige kommen direkt aus dem Urlaub, einige haben schon eine komplette Vorbereitung in den Beinen. „Wir kommen alle aus ganz unterschiedlichen Situationen. Da ist es riskant, 90 Minuten zu spielen, wenn man gerade zweimal trainiert hat“, sprang Julian Draxler seinem Trainer bei. „Aber wir als Spieler haben wir da leider sehr, sehr wenig bis gar keinen Einfluss.“
Der des Bundestrainers aber ist kaum größer – und so wird er sich weiter ärgern und irgendwie das Beste aus der Situation machen müssen.