Stuttgart. Antonio Rüdiger und Niklas Süle gelten als Versprechen auf die Zukunft in der Fußball-Nationalmannschaft. Verletzungen warfen beide zurück.

Hoch und lang kommt der Ball geflogen. Florian Neuhaus läuft in Position, springt ab – und prallt dann förmlich ab an Antonio Rüdiger, der seinen Körper ebenfalls in die Höhe geschraubt hat und dieses Kopfballduell locker gewinnt. Dabei ist der Neuhaus mit 1,83 Meter Körpergröße nicht einmal klein, aber gegen den 1,90 Meter großen und 85 Kilogramm schweren Rüdiger hat er in diesem Trainingsspiel der deutschen Nationalmannschaft keine Chance. Das allerdings ist keine Schande, auch in Deutschlands Elite-Auswahl gibt es nur wenige, die mithalten können mit der körperlichen Wucht des Innenverteidigers vom FC Chelsea.

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Niklas Süle zum Beispiel, der Abwehrspieler vom FC Bayern, der noch einmal fünf Zentimeter größer und zwölf Kilo schwerer ist. Süle und Rüdiger, das sind zwei Spieler, die einiges verbindet: die hünenhafte Gestalt natürlich. Die Position des Innenverteidigers. Beide dürften in den Nations-League-Spielen gegen Spanien am Donnerstag und die Schweiz am Sonntag (beide 20.45 Uhr/ZDF) zur Stammformation zählen. Denn beide spielen seit langem eine absolute Hauptrolle in den Planungen von Bundestrainer Joachim Löw. Sie sind die Zukunft in der deutschen Abwehr – dabei sollten die eigentlich längst die Gegenwart sein.

Das Projekt Zukunft stand lange unter keinem guten Stern

Als Löw im März 2019 seine Weltmeister-Innenverteidigung aus Mats Hummels und Jerome Boateng ausmusterte, da hatte er klare Vorstellungen, wer das neue Duo im Zentrum sein sollte: Süle, 24 Jahre alt, und der 27-jährige Rüdiger. Süle hatte sich ja schon bei den Bayern zum Innenverteidiger Nummer eins aufgeschwungen, vor Hummels und Boateng. Und Rüdiger hatte den Bundestrainer mit seinen Auftritten beim FC Chelsea in der Premier League beeindruckt, wo es in den Zweikämpfen meist deutlich aggressiver und härter zugeht als in der Bundesliga. Doch das Projekt Zukunft stand unter keinem guten Stern: Im April 2019 zog sich Rüdiger eine Knieverletzung zu, es folgte eine langwierige Leistenverletzung. Erst im Dezember stand er wieder auf dem Platz. Ein Länderspiel mit Süle aber sollte nicht mehr folgen.

Rüdiger und Süle: Nur ein einziges gemeinsames Spiel

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Denn bekanntlich legte die Corona-Pandemie den weltweiten Fußball lahm, auch die Länderspiele im Frühjahr mussten abgesagt werden. Außerdem hätte Süle ohnehin nicht mitspielen können: Nachdem er in der EM-Qualifikation als neuer Abwehrchef überzeugt hatte, riss er sich im Oktober das Kreuzband. Es folgte eine neunmonatige Leidenszeit. Erst im August, im Finalturnier um die Champions League, konnte der 24-Jährige wieder auf dem Platz stehen. Es ist verrückt: Seit die beiden zum Abwehrduo der Zukunft auserkoren wurden, machten sie nur ein einziges gemeinsames Spiel: am 24. März beim 3:2-Sieg in den Niederlanden.

Hünenhafte Kerle, kindliche Freude

Wer Süle und Rüdiger nun im DFB-Quartier in Stuttgart erlebt, sieht zwei hünenhafte Kerle, die sich freuen wie kleine Kinder. „Ich bin froh, wieder dabei zu sein“, sagt Rüdiger, der gegen die Niederlande letztmals für Deutschland gespielt hatte. „Ich weiß gar nicht mehr, wann das war, so lange ist das schon her.“Und Süle berichtet von einer „nicht ganz so einfachen Zeit“. Die Nationalmannschaft habe ihm „unglaublich gefehlt, das sind immer ganz besondere Tage, weil wir eine geile Truppe haben“, sagt er. „Ich komme immer mit großer Freude hierher, deswegen war der Montag ein besonderer Tag, als ich erstmals wieder auf dem Platz war.“Er würde es so nie sagen, aber natürlich ist der Abwehrspieler sportlich ein Profiteur der Corona-Krise: Die Europameisterschaft hätte er wohl verpasst, wäre diese nicht verschoben worden. Nun hat der Münchener ein weiteres Jahr, sich in Form zu bringen – obwohl er sich schon in einem guten Zustand sieht: „Wenn man nach zehn Monaten Reha nicht fit ist, hat man etwas falsch gemacht“, meint Süle und verweist auf das Champions-League-Finale, als er nach 25 Minuten eingewechselt wurde und keine Probleme hatte. „Ich bin auf einem sehr guten Level und traue mir zu, beide Spiele zu machen“, sagt er.

Das Coronavirus bleibt allgegenwärtig

Rüdiger ist da schon weiter, seit dem Neustart der Premier League spielt er beim FC Chelsea unter Frank Lampard eine tragende Rolle. Für Süle dagegen gilt es nun, die nächsten Schritte zu machen, um wieder zur Führungsfigur auf dem Platz zu werden. Zwar habe er sich „nie zum Abwehrchef auserkoren, das waren nicht meine Worte“, sagt er – schiebt aber nach, dass er durchaus Verantwortung übernehmen will, dass er noch lauter, noch präsenter werden möchte. Und dass er nach dem Triple-Gewinn mit dem FC Bayern nun auch den maximalen Erfolg mit der Nationalmannschaft bei der EM im kommenden Jahr anpeilt: „Wir haben eine Mannschaft, die um den Titel mitspielen kann“, meint er. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, und wie volatil dieser sein kann, zeigt sich auch in diesen Tagen: Bei Spanien wurde ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet, ein weiterer Test war zweifelhaft. Bei den Schweizern hat sich Torwarttrainer Patrick Foletti infiziert.

Süle und Rüdiger aber machen sich keine großen Gedanken darüber, loben die strengen Hygienemaßnahmen rund um die deutsche Mannschaft. Für sie steht nach langer persönlicher Leidenszeit der Sport im Vordergrund – und Süle wird am Tag des Spiels gegen Spanien ohnehin Grund genug zum Feiern haben: Am Donnerstag wird er 25.