Lissabon. RB Leipzig ist stolz auf den Höhenflug in der Champions League. Ob die Sachsen ihn auch tatsächlich wiederholen können, ist fraglich.
Allein saß Yussuf Poulsen Dienstag in der Nacht am Spielfeldrand des Estadio da Luz in Lissabon. Weit nach Abpfiff des Spiels gegen Paris St. Germain, von dem sich der Däne erhofft hatte, es würde ihn und seine Kollegen von RB Leipzig ins Champions-League-Finale bringen. Es kam bekanntlich anders. Die Sachsen verloren das Duell 0:3 (0:2) – und mussten gestern Nachmittag die Heimreise antreten.
Poulsen saugte den Moment deshalb tief in sich hinein. Minutenlang saß er bewegungslos da, die Arme um die angewinkelten Beine geschlungen. Ein Stillleben von Einkehr und Trauer, das allerdings einen falschen Eindruck erweckte. „Der Stolz überwog in dem Moment“, berichtete er später. „Klar bin ich traurig darüber, dass wir das Finale nicht erreicht haben, aber ich bin vor allem stolz, wie weit wir gekommen sind.“ Immerhin bis ins Halbfinale des größten Klubwettbewerb im Weltfußballs – und angekommen im Kreis der Elite.
Ob der 27-Jährige irgendwann sein Finale noch bekommt, steht freilich in den Sternen. Möglich ist es, RB Leipzig hat in den drei gewonnenen Partien gegen Tottenham Hotspur (Hin- und Rückspiel Achtelfinale) und gegen Atletico Madrid (Viertelfinale) gezeigt, dass es mit den Großen des europäischen Fußballs mithalten kann. Paris St. Germain hat die Grenze gesetzt.
Neymar, Mbappé und di María drehen auf
Vor allem die drei Topstars Neymar, Kylian Mbappé und Angel di María zeigten den Sachsen auf, wie weit es noch bis aufs Toplevel ist. Talent spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Es ist vor allem das Geld. Fast eine halbe Milliarde Euro hat der Petrolklub aus den Emiraten allein in das Trio investiert, das an allen Toren beteiligt waren. Di Maria (65 Millionen Euro) bereitet zwei Treffer vor und schoss eines selbst. Neymar (222 Millionen) und Kylian Mbappé (200 Millionen) bereiteten die Wege dafür.
„Die haben schon ein bisschen was gekostet“, sagte RB-Coach Julian Nagelsmann später, der unumwunden zugab, dass der „Gegner heute übermächtig war“. Das müsse man „anerkennen“. Es hätten deshalb auch keine tausend Matchpläne die Niederlage verhindern können. „Sie haben es einfach sehr gut gemacht.“
Dem 33-Jährigen ging es nach dem Turnier-Aus deshalb wie seinem Stürmer. „Wir hatten das Herz am rechten Fleck und haben uns hier gut geschlagen. Wir waren im Halbfinale, darauf können wir stolz sein“, sagte er und legte das seinem Personal gleichzeitig als Hilfsgedanken nahe, denn schwer wird nun der Gang zurück in den Alltag. „Das ist psychologisch nicht einfach. Wir müssen uns wieder raffen.“
Nun warten Nürnberg und Mainz
Eine Woche bekommen seine Spieler frei. Danach beginnt die Vorbereitung auf die neue Saison. Die ersten Gegner heißen dann nicht mehr Atlético de Madrid oder Paris St. Germain, sondern 1. FC Nürnberg (DFB-Pokal) und 1. FSV Mainz 05 (Liga). Das kann wehtun.
Es kann aber auch neue Freude auf neue Chancen hervorbringen. Vermutlich wird sich Letzteres durchsetzen, dafür wird Nagelsmann schon sorgen, der gerade beim 2:1 gegen Atletico gesehen hat, dass man keinen 120-Millionen-Euro-Transfer wie den von Joao Felix braucht, um den Gegner im Kollektiv und mit klugem Matchplan zu besiegen.
Der rastlose Trainer war deshalb kurz nach der Niederlage gegen Paris schon wieder Richtung Zukunft unterwegs. Zwar hat Klubchef Oliver Mintzlaff bereits ausgeschlossen, dass die Mehreinnahmen aus der Champions League Geld für teure Transfers freisetzen, aber mögliche Neuzugänge sollen trotzdem abgeklopft werden. Priorität hat eine weitere Verstärkung im Sturm, wo bislang nur der Südkoreaner Hee-chan Hwang den Abgang von Timo Werner zum FC Chelsea kompensiert.
Sörloth von Trabzonspor ein Thema
Kandidat ist u.a. der Norweger Alexander Sörloth vom türkischen Klub Trabzonspor. „Demnach haben wir noch Aufgaben“, sagte Nagelsmann, dem Yussuf Poulsen zur Seite saß. Schnell musste er dem Dänen versichern, „dass er auch gern viele Tore schießen darf“. Ob der aber Werners Quote von 47 Scorerpunkten aus der Vorsaison erreicht, „weiß ich nicht“. Poulsen nahm es mit Humor. Der 27-Jährige war auch von der Frotzelei des Trainers nicht davon abzubringen, dass „ich gerade vor allem genieße, was wir hier erreicht haben. Wir waren unter den besten vier in Europa.“