Silverstone. Bei der Formel 1 wird es auch beim zweiten Rennen in Silverstone um das perfekte Reifen-Management gehen. Lewis Hamilton winken bald Rekorde.
Das Drama zum Schluss des Großen Preises von Großbritannien kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mercedes weiterhin in einer Champions League für sich fährt. Nach vier Rennen schon halten alle Lewis Hamilton für den sicheren Formel-1-Weltmeister, auch die ärgsten Konkurrenten. Dass es trotzdem nicht langweilig wird, dafür sorgt die generelle Kampfbereitschaft. Vor dem Jubiläums-Grand-Prix am kommenden Wochenende in England ist es so etwas wie ein rasender Fünfkampf, der auf der Rennstrecke tobt.
Der Kampf gegen die Strapazen
Die linken Vorderreifen werden auf dem ehemaligen Flugplatzkurs ganz besonders beansprucht, so konnte es zu gleich drei Reifenschäden in den Schlussrunden kommen, die das Ergebnis noch einmal auf den Kopf gestellt haben. Das liegt an den vielen extrem schnellen Kurven der Piste, manche davon gehen mit 300 km/h – und daran, dass die runtergefahrene Lauffläche empfindlich ist für Fremdkörper wie abgesplitterte Flügelteile. Silverstone war schon immer ein Reifenkiller, 2013 und 2017 explodierten die Gummis ebenfalls reihenweise. Für das kommende Wochenende droht noch mehr Gefahr: dann kommen weichere Mischungen zum Einsatz und es wird wieder richtig heiß.
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Der Kampf mit dem eigenen Auto
Ein Ehrenpunkt, das ist kein Trost für einen vierfachen Weltmeister. Sebastian Vettel und der SF 1000 werden einfach nicht richtig Freund. Dass er eine halbe Minute hinter dem Teamkollegen Charles Leclerc hinterherhinkt, kann nicht normal sein. Wieder hat der Hesse alle möglichen Probleme auf sich gezogen, das bemitleidet auch Scuderia-Chef Mattia Binotto. Vettel hat nie zu seinem Rhythmus gefunden, im Gegenteil, er musste im Rennen ständig die Fahrweise anpassen – das Auto hat diktiert, was der Fahrer tut. Trotzdem war der Ferrari kaum auf der Piste zu halten. Vettel entnervt: „Irgendwo ist grundlegend etwas faul – entweder bei mir oder im Auto.“ Ungeachtet seiner weiterhin offenen eigenen Zukunft konzentriert er sich auf die Fehlerdiagnose, der ur-hessische Trotz kommt durch: „Es kann ja nicht sein, dass über Nacht alles rückwärts läuft.“
Der Kampf um die Rekorde
Sieben Siege auf seiner Heimatstrecke, 87 insgesamt, nur noch vier bis zu Michael Schumachers Rekord. Den könnte der Brite, der in der Form seines Lebens fährt, schon im September in Italien einfahren. Max Verstappen und Charles Leclerc beantworteten in Silverstone die Frage, ob jemand die Siegmaschine Hamilton stoppen könne, unisono mit „Nein“. Der Titelverteidiger fährt mit sich selbst um die Wette, kombiniert das überlegene Auto mit seinen eigenen Fähigkeiten. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hält das inzwischen für eine „eigene Magie“. Auf drei Rädern zum Triumph zu fahren, das ist höchst ungewöhnlich, aber für den WM-Spitzenreiter auch nicht ganz neu: In einer Nachwuchsformel war ihm schon ähnliches gelungen, nachdem durch einen Aufhängungsbruch ein Vorderrad in der Luft hing.
Der Kampf gegen die Einsamkeit
Schon lange vor der dramatischen Schlussphase war für Max Verstappen das Rennen eigentlich gelaufen. Der Niederländer konnte den beiden Mercedes vorn nicht richtig folgen, der Ferrari hinter ihm konnte ihm nicht gefährlich werden. Zum Spaß ermahnte er seinen Renningenieur, doch das Trinken nicht zu vergessen – wenn richtig Action ist auf der Piste kommt diese Aufforderung nämlich umgekehrt. Der Champagner hinterher schmeckte dem Abstauber des zweiten Platzes gut, obwohl ihm 400 Meter zum neunten Formel-1-Sieg fehlten: „Ich habe heute einen zweiten Platz gewonnen, nicht einen Sieg verloren. Lewis hat nicht Glück, sondern Pech gehabt. Ohne den Reifenschaden wäre ich ihm nie so nah gekommen. Deshalb gibt es auch keinen Grund, irgendetwas zu bedauern.“ Kein Gedanke auch an den zusätzlichen Boxenstopp für die schnellste Rennrunde, ohne den Verstappen locker gesiegt hätte, als die Silberpfeile Probleme bekamen – Rennen werden nach vorn gewonnen und nicht im Rückblick.
Der Kampf um die zweite Chance
Nico Hülkenbergs Comeback hängt wieder von einem Corona-Test ab – dem bei Sergio Perez. Der Mexikaner, der vergangene Woche positiv getestet worden war, hofft, dass er den britischen Bestimmungen entsprechend nur sieben Tage in Quarantäne bleibt muss, also am Freitag wieder im Auto sitzen könnte. Allerdings hätte der Automobilweltverband FIA, der die Regeln bisher bewusst strikter hält als alle Regierungen, lieber eine zehntägige Zwangspause. Hoffen und Bangen also für den Emmericher, dem ein defekter Antriebsstrang am Racing Point-Mercedes die Chance auf eine Wiederbelebung der Karriere genommen hatte. Seine Achterbahnfahrt geht weiter …