Köln. Corona stellt den Handball vor Probleme. Vor der Krisensitzung der HBL spricht Geschäftsführer Frank Bohmann über den Existenzkampf der Klubs.
Der Sport ruht, und mit ihm steckt auch die Handball-Bundesliga (HBL) in der Krise. Eine herausfordernde Zeit auch für Frank Bohmann. Der 55-Jährige ist der Geschäftsführer der 1. und 2.Liga, die wegen der Coronakrise unterbrochen, aber noch nicht abgebrochen sind. Ein Gespräch über die derzeitige Situation, Lösungsansätze und die langfristigen Folgen der Zwangspause.
Herr Bohmann, die Handball-Bundesliga pausiert, noch ist nicht klar, wann oder ob es überhaupt weitergeht. Haben Sie Angst?
Angst habe ich nicht. Es ist aber schon eine Arbeit im Krisenmodus. Derzeit geht es auch nicht mehr wirklich darum, wer in dieser Saison Deutscher Meister wird oder wer absteigt, sondern es geht neben den gesundheitlichen Aspekten vor allem darum, die wirtschaftliche Überlebenskraft der Klubs zu stärken. Das ist momentan zentraler Inhalt, nicht nur meiner Arbeit, sondern auch die der Klub-Geschäftsführer.
Sie haben also keine Angst um die Existenz der Bundesliga?
Wir sollten die Situation nicht verharmlosen, sie ist wirklich ernst und noch nie so dagewesen. Aber es ist auch klar, dass es eine Zeit nach Corona geben wird. Die Folgen des Virus werden uns noch einige Monate beschäftigen, so lange müssen wir den Kopf oben behalten, aber danach kommen wir wieder, da bin ich mir ganz sicher. Die meisten Manager der Klubs stehen derzeit vor nie gekannten Herausforderungen, aber sie machen ihren Job insgesamt sehr gut.
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Sie haben auch keine Angst um den deutschen Handball an sich?
Man kann sich Sorgen machen, aber dann schon generell um den Handball, denn den Handballern in ganz Europa geht es momentan ja nicht anders als uns. Und andere Sportarten leiden ebenso, wir tauschen uns fast täglich mit dem Basketball, Eishockey und Fußball aus. Alle haben die gleichen Baustellen.
Sprich: Es wird nicht gespielt, darum gibt keine oder kaum Einnahmen durch Zuschauer und Sponsoren. Die Klubs setzen auf Kurzarbeit oder freiwilligen Gehaltsverzicht der Teams. Eine historische Situation.
Das stimmt. Und im Handball muss man sich wirklich noch mal die Einnahmen- und Ausgabenstrukturen vor Augen führen: Während der Fußball sich zu großen Teilen aus Medienrechten finanziert, sind für den Handball viel mehr die Spieltagserlöse und das Sponsoring entscheidend. Es gibt derzeit also keine Einnahmen. Auf der Ausgabenseite haben wir weiterhin Spielergehälter, die ungefähr zwei Drittel der Kosten ausmachen. Und beim restlichen Drittel der Ausgaben lässt sich kaum sparen. Es geht also nur über die Solidarität der Spieler, und die wissen auch, dass wir alle im selben Boot sitzen und sie mit anpacken müssen. Da gibt es viele positive Zeichen.
Wie ist der derzeitige Stand der Dinge?
Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten alle Gewerke des Handballs sehr eng zusammen. Mit den Klubs der 1. und 2. Liga werden wir uns noch in dieser Woche konkreter abstimmen. Wir werden bereits am Donnerstag beim Treffen des HBL-Präsidiums und am Freitag bei der nächsten Videokonferenz mit den Klubchefs voraussichtlich eine Ausweitung der Unterbrechung der Liga beschließen. Bisher hatten wir den 23. April als Ende der Unterbrechung gesetzt. Nun müssten wir spätestens am 16. Mai anfangen, um den letzten Spieltag regulär am 24. Juni beenden zu können. Am Ende der ersten Maiwoche muss also angesichts der Entscheidungen der Politik festlegt werden, ob es dann weitergeht in der 1. und 2. Bundesliga oder eben nicht.
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Ich würde Ihnen gerne ein paar Einschätzungen aus der Bundesliga nennen. Sven-Sören Christophersen, Geschäftsführer der TSV Hannover-Burgdorf, sagt: „Allen steht das Wasser bis zum Hals.“
Das klingt so apokalyptisch, ich würde es nicht ganz so drastisch ausdrücken. Aber ja, es bestehen wirtschaftlich große Herausforderungen. Aber man muss auch sagen, dass uns Türen aufgemacht werden, sei es durch Kurzarbeit, durch staatliche Beihilfen, durch Vergünstigungen bei Steuern und Sozialabgaben. Da ist viel Bewegung und Unterstützung von staatliche und behördlicher Seite und es gibt auch viel Solidarität von denen, die jetzt Forderungen stellen könnten: Dauerkartenbesitzer zum Beispiel, da halten sehr viele zu ihren Klubs.
Werden wir noch apokalyptischer. Bob Hanning, Manager der Füchse Berlin, sagt: „Wenn der Staub sich legt, sieht man, wer noch steht.“
Das kann er meinen, sollte er aber besser nicht so formulieren. Es ist wirtschaftlich gesehen eine existenzgefährdende Situation für Liga und Klubs, keine Frage. Es geht nun wirklich darum, die Liquidität der Klubs zu gewährleisten, nicht nur bis zum 30. Juni, sondern auch in der gesamten folgenden Saison. Auch in der werden wir noch im Krisenmodus arbeiten. Aber wenn wir erst einmal anfangen zu spielen, werden wir uns am eigenen Schopf wieder aus dem Schlamassel ziehen. Insolvenzen halte ich in dieser Saison zwar nicht mehr für wahrscheinlich, aber die nächste Spielzeit wird noch einmal ein Kraftakt. Viel wird davon abhängen, wann und wie wir den Spielbetrieb wieder aufnehmen können.
Nationaltorhüter Andreas Wolff urteilt aus Polen, wo die Saison vorzeitig beendet wurde, dass auch in Deutschland ein Abbruch „alternativlos“ sei.
Das lässt sich aus seiner Sicht leicht sagen, er gehört in Polen zu den bestbezahlten Handballern der Welt, er urteilt aus einer Komfortsituation, er muss nicht das Geld ranbringen. Ein Abbruch ist für uns eben nicht alternativlos, weil wir die Alternative gerade umsetzen. Und diese bringt einige Vorteile mit.
Kann man den wirtschaftlichen Schaden beziffern, den die Liga durch die Corona-Zwangspause genommen hat?
Ja, das kann man. Den Schaden kann lässt sich bis zum Ende der Saison mit rund 25 Millionen Euro für die 1. und die 2.Liga beziffern. Das ist für Handball ein dickes Brett. Da müssen wir alle weiterhin sehr fokussiert ein bestmögliches Krisenmanagement an den Tag legen.
Handball setzt überwiegend auf regionale Sponsoren, große Unternehmen sind darunter, aber auch viele aus dem Mittelstand. Also die, die sehr stark mit den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu kämpfen haben.
Es ist eine ernste Situation, wir brauchen aber auch nicht den Teufel an die Wand zu malen. Bislang haben wir die Krise bestmöglich gemeistert. Nach vor stehen wird aber vor gewaltigen Herausforderungen und Krisenmanagement bleibt weiter unser tägliches Brot. Wichtig wird sein, dass wir unsere Kräfte bündeln, dass Spieler, Manager, Sponsoren und Anhänger an die gleichen Ziele glauben und an einem Strang ziehen. Solidarität ist für uns alle ein entscheidender Faktor zur erfolgreichen Bewältigung der Coronakrise.
Welche Rolle spielen denn die TV-Gelder? Im Fußball gelten sogenannte Geisterspiele ja als Alternative, um wirtschaftliche Schadensbegrenzung zu betreiben.
Ich würde sie nicht Geister-, sondern Medienspiele nennen. Da ist für uns der geldwerte Vorteil mit dem Fußball aber nicht zu vergleichen. Dass der Deutschen Fußball-Liga sehr daran gelegen ist, die Spiele zu übertragen, liegt nahe, aber im Handball ist der Anteil der TV-Gelder viel geringer als im Fußball. Trotzdem ist es wichtig, dass wir unsere Sportart gemeinsam mit unseren Medienpartnern weiter zeigen können. Deshalb halten wir uns auch diese Möglichkeit offen und wägen Vor- und Nachteile ab.
Wenn der große Fußball schon um seine Existenz fürchtet, muss es den Handball ja umso härter treffen, oder?
Auch den Fußball trifft die Coronakrise hart. Momentan müssen alle, die mit Sport ihr Geld verdienen, um ihr Dasein kämpfen, genauso so wie sehr viele andere Unternehmen außerhalb des Sports. Den Nachteil, den der Sport eventuell haben wird: Wir werden von Lockerungsmaßnahmen eher später profitieren, da der Sport als weniger systemrelevant wahrgenommen wird. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass Sport genauso wie auch Kultur eine große gesellschaftliche Relevanz haben. Darauf müssen wir aufmerksam machen.
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Handballer haben stets volle Terminpläne. Falls wieder gespielt wird – wie sollen noch internationale Wettbewerbe wie Champions League oder der EHF-Pokal in den Spielplan passen?
Da steht der europäische Verband EHF noch unter größerem Druck als wir, weil nicht nur die Regularien in Deutschland, sondern die vieler europäischer Länder bedacht werden müssen. Von daher ist die Fortsetzung dieser Wettbewerbe aus meiner Sicht unwahrscheinlicher als bei unseren nationalen Ligen.
Würde die aktuelle Bundesligasaison bei einem Abbruch überhaupt gewertet werden?
Wir haben mehrere Szenarien entwickelt, diese werden wir am Donnerstag mit dem HBL-Präsidium erörtern, ebenso am Freitag mit unseren Klubs. Wir sitzen alle in einem Boot.
Werden die Folgen der vergangenen Woche noch länger zu spüren sein?
Ja. Wir erleben eine bisher einmalige gesellschaftliche Krise, deren Auswirkungen uns noch lange Zeit beschäftigen wird. Alle Klubs werden wirtschaftlichen Schaden davontragen. Jeder unserer Profis wird sich auch für die nächste Saison auf ein niedrigeres Gehaltsniveau einstellen müssen. Die Finanzkraft der Liga insgesamt wird sinken. Aber wir werden am Donnerstag trotz dieser außerordentlichen Umstände unser Lizensierungsverfahren abschließen. Dieses bildet dann die Grundlage für die Planung der kommenden Spielzeit. Die Lebenswirklichkeit bilden die vor der Corona-Pandemie eingereichten Lizenzanträge unserer Klubs mittlerweile natürlich nicht mehr ab. Deshalb müssen wir die Klubs umso mehr eng und mit Augenmaß in ihrer wirtschaftlichen Planung begleiten. Ich gehe derzeit aber davon aus, dass wir Ende August wie geplant mit der Saison 2020/21 starten können.