Dortmund. Der BVB kassiert nur ein Tor in drei Spielen und unterstreicht seine Ambitionen. Noch aber ist unklar, wie nachhaltig die Defensivstärke ist.
Michael Zorc hielt es nicht mehr aus. „Komm, pfeif endlich ab da!“, forderte er immer wieder. Doch Schiedsrichter Felix Brych konnte den Sportdirektor von Borussia Dortmund nicht hören, was nicht weiter verwunderlich war: Zorc stand in den Katakomben des Bremer Weserstadions und sah auf einem Fernsehschirm die Nachspielzeit zwischen Tabellennachbar Borussia Mönchengladbach und der TSG Hoffenheim. Und so dauerte es noch, bis Brych beim Stand von 1:1 abpfiff und Zorcs Nervosität der Freude über einen Gladbacher Punktverlust wich.
Der 2:0-Sieg der eigenen Mannschaft beim Tabellenvorletzten Bremen war für den 57-Jährigen weit weniger nervenaufreibend gewesen, trotz zäher erster Halbzeit. „Wir sind schwer in die Gänge gekommen“, urteilte Zorc. Raphael Guerreiros Freistoß von der Seite, der ohne Berührung aufs Tor flog und von Jiri Pavlenka pariert wurde (43.), war die einzige ernsthafte Dortmunder Torannäherung vor der Pause.
BVB-Torhüter Bürki kann „endlich wieder gut schlafen“
Dennoch gab es keinen ernsthaften Zweifel daran, dass der BVB dieses Spiel gewinnen würde. Denn so schwer sich die Gäste im Spiel nach vorne taten, so konzentriert arbeiteten sie nach hinten. „Wir standen sehr sicher und solide“, lobte Zorc.
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Sehr zur Freude von Torhüter Roman Bürki: „Wenn du kein Tor kassierst, verlierst du das Spiel schon mal nicht“, sagte der Schweizer. „Und mit unserer Offensive werden wir immer ein Tor schießen.“ Dieses Mal war es die Defensivkraft Dan-Axel Zagadou, die eine Ecke mit dem linken Fuß ins Tor wuchtete (52.), bevor Erling Haaland mit seinem inzwischen schon obligatorischen Tor (66.) für die Entscheidung sorgte. Bürki war regelrecht beschwingt: „Ich kann endlich wieder gut schlafen“, sagte er lachend.
Nach dem 3:4 gegen Leverkusen ist etwas passiert
Denn das Zu-Null-Spiel in Bremen setzte einen erfreulichen Trend fort: In den jüngsten drei Pflichtspielen gab es nur ein Gegentor – nachdem es in den fünf Spielen zuvor zehn waren. Nach dem 3:4 bei Bayer Leverkusen vor zwei Wochen ist etwas passiert in der Mannschaft. Es hätten endlich alle erkannt, „dass wir nicht immer fünf Tore schießen können, um ein Spiel zu gewinnen“, formulierte Bürki nur leicht überspitzt. „Wir verteidigen jetzt alle zusammen, jeder kommt zurück“, erklärte er. „So wie heute Thorgan Hazard und Jadon Sancho. Und auch Achraf Hakimi, der früher das Verteidigen manchmal ein bisschen vergessen hat, macht das super.“
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Wenn Stürmer und Flügelspieler nicht mitarbeiten, „dann kannst du nicht verteidigen“, erklärte Trainer Lucien Favre. „Jeder weiß das.“ Seine Spieler allerdings haben bis weit in die Rückrunde hinein gebraucht, um diese simple Weisheit zu erkennen und konsequent umzusetzen.
Ein Stürmer stärkt die Defensive
Dazu tragen beide Winter-Zugänge gehörig bei: Emre Can, der die Vorderleute immer wieder zur Defensivarbeit antreibt. Und Erling Haaland, der diesen Antrieb gar nicht braucht. Der 19-Jährige schraubte in Bremen nicht nur weiter an seiner beeindruckenden Quote: Neun Tore in den ersten sechs Bundesligaspielen gab es noch nie, zwölf Tore in den ersten acht Pflichtspielen auch nicht. In insgesamt 30 Saisonspielen für den BVB und zuvor für RB Salzburg hat Haaland 40 Treffer erzielt. „Er ist ein Killer vor dem Tor“, lobte Mitspieler Axel Witsel, hob aber anderes hervor: „Erling ist heute überall hingerannt und hat dem Team geholfen. So müssen wir spielen, wenn wir den Ball nicht haben, und zwar in jedem Spiel.“
Dank der neuen Defensivstärke scheint der Traum vom Titel wieder realistischer. Aber so ganz sicher sind sie sich in Dortmund noch nicht, wie nachhaltig der aktuelle Trend ist – zu oft gab es in der laufenden Saison Rückschläge. „Wir arbeiten daran und müssen immer weiter arbeiten“, mahnte Michael Zorc.
Allerdings erst ab Dienstag, bis dahin hat Trainer Favre frei gegeben. Danach wird man an Wegen tüfteln, auch am Samstag gegen Freiburg (15.30 Uhr/Sky) ohne Gegentor zu bleiben und Zorcs Nervenkostüm weiter zu schonen.