Berlin. Nach Jürgen Klinsmanns peinlichem Rücktritt ist auch auch im Aufsichtsrat von Hertha BSC kein Platz mehr frei. Der Verein übt scharfe Kritik.
Matheus Cunha (20) zog sich im Nebenzimmer zum ersten Mal das Trikot von Hertha BSC über, aber kaum jemand nahm Notiz davon. Der Zugang von RB Leipzig, der für rund 18 Millionen Euro nach Berlin kam, posierte am Donnerstag ungestört für das Vereinsmagazin. So viel Ruhe ist selten, gerade für einen Neuen, aber bei Hertha geht es gerade um größere Dinge.
Der überstürzte Rückzug von Jürgen Klinsmann als Cheftrainer hatte den Verein derart beschäftigt, dass Hertha zu einer Veranstaltung lud, auf der sich Präsident Werner Gegenbauer, Manager Michael Preetz und Investor Lars Windhorst zum ersten Mal überhaupt gemeinsam äußerten. Es ging um die zukünftige Ausrichtung des Berliner Bundesligisten, an dessen Profiabteilung Windhorsts Tennor Holding seit dem vergangenen Sommer zu 49,9 Prozent beteiligt ist.
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Da Klinsmann als Vertrauensmann von Windhorst galt, wurde darüber spekuliert, wie es mit dem Investor und Hertha BSC weitergeht. Zumal Klinsmann noch am Tag seines Abschieds angekündigt hatte, wieder seine ursprüngliche Funktion als Mitglied im Aufsichtsrat der Profiabteilung übernehmen zu wollen.
Dazu wird es aber nicht kommen. „Jürgen Klinsmann hat viel von seiner Glaubwürdigkeit bei allen Beteiligten verloren. Die Art und Weise seines Abgangs ist so inakzeptabel, dass eine Zusammenarbeit mit ihm im Aufsichtsrat nicht möglich ist“, sagte Windhorst. Angesprochen auf Klinsmanns Flucht, der Berlin am Dienstagmorgen zügig verlassen hatte, antwortete er scharf. „Das kann man als Jugendlicher machen, aber im Geschäftsleben, wo unter Erwachsenen ernsthafte Vereinbarungen getroffen werden, sollte man das nicht machen.“ Seine Holding Tennor, die über die Besetzung von vier der neun Plätze im Aufsichtsrat bestimmen darf, werde Klinsmann nicht mehr nominieren, sagte der Unternehmer.
Investor Windhorst rechnet mit Klinsmann ab
Damit beantwortete Windhorst die drängendste Frage mit aller Deutlichkeit. Dass Klinsmann vereinsintern nicht mehr vermittelbar ist, war klar. Weniger deutlich war, wie der einflussreiche Unternehmer inzwischen zu seinem einst engsten Vertrauten steht. Der hatte stets eine große Nähe zwischen ihm und Windhorst suggeriert.
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Der Investor bedauerte zwar das Ende von dessen Tätigkeit („Klinsmann hatte eine unglaubliche Strahlkraft, die uns weiterhin gut getan hätte“), machte aber deutlich, dass sein Engagement bei Hertha BSC nicht von einer Person abhängt und weiterhin langfristig angelegt ist. „Ich gehe fest davon aus, dass wir hier in jedem Fall über zehn Jahre engagiert bleiben. Gern auch 20 oder 30 Jahre“, sagte Windhorst. Klinsmanns freien Platz wolle er zeitnah mit sportlicher Fachkompetenz besetzen. „Wünschenswert wäre jemand mit Glaubwürdigkeit und Strahlkraft.“
Trotz des „unerwarteten Rückschlags“ habe er sich entschlossen, „auf Herrn Gegenbauer und den Verein zu vertrauen“. Allein die Tatsache dass Hertha im Winter um die 80 Millionen Euro in neue Spieler investierte – mehr als jeder andere Verein in Europa -, zeuge laut Windhorst davon, „dass alle Beteiligten die gesteckten Ziele ernst nehmen“. Das sei zunächst der Klassenerhalt, ehe in der kommenden Saison die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb gelingen soll. Nach der Konsolidierung in der Spitzengruppe möchte man dann mittelfristig auch die Meisterschaft ins Auge fassen. „Natürlich haben wir nicht in Hertha investiert, damit alles dort so bleibt, wie es ist“, sagte Windhorst.
Hertha und Windhorst demonstrieren Einigkeit
Dass über die Geschwindigkeit, mit der die ambitionierten Ziele erreicht werden sollen, nicht immer Einigkeit herrschte, deutete Präsident Gegenbauer an, aber in Zukunft wolle man sich noch enger austauschen.
Hertha und der Investor demonstrierten Einigkeit. Alle Seiten waren bemüht, den Eindruck zu verwischen, in den vergangenen Tagen hätte im Verein Chaos geherrscht. Gegenbauer stärkte Michael Preetz gewohnt den Rücken, auch weil Klinsmann immer wieder verbal Spitzen warf in Richtung von Herthas Manager und eben jenen als Bremser des Hertha-Tennor-Projekts darstellte. Davon könne keine Rede sein, „natürlich haben alle die gleichen Ziele“, sagte Preetz.
Der geht als klarer Sieger aus dem Machtkampf mit Klinsmann hervor, aber seine Personalentscheidungen dürften in Zukunft noch kritischer beäugt werden. Die Besetzung des Cheftrainerpostens mit Ante Covic geriet zum Desaster. Auch dass Klinsmann kam, fand breite Zustimmung bei Preetz, der sich schon länger um den ehemaligen Bundestrainer bemüht hatte.
Einen nicht ganz unwesentlichen Beschluss verkündete der Manager, noch bevor Hertha später bekannt gab, dass Mittelfeldspieler Per Skjelbred im Sommer in seine norwegische Heimat zu Rosenborg Trondheim zurückkehren wird. Klinsmanns Co-Trainer Alexander Nouri wird Herthas Profis in den kommenden Wochen betreuen, wenn möglich, bis zum Ende der Saison. Dann soll „die Nachbesetzung der Cheftrainerstelle vorgenommen werden. Es ist unsere Aufgabe, einen Cheftrainer zu finden, der mit uns ehrgeizig die kommenden Ziele angeht“, sagte Preetz.
Die Ernennung von Nouri zum Cheftrainer auf Zeit ist nicht ohne Risiko. Bei seinen letzten Engagements in Bremen und Ingolstadt blieb er vereinsübergreifend 21 Spiele in Folge ohne Sieg. Hertha befindet sich trotz sechs Punkten Vorsprung als Tabellenvierzehnter weiterhin in Abstiegsgefahr. Die Zweite Liga, das machten alle Beteiligten am Donnerstag deutlich, sieht der Plan von Hertha und Tennor aber nicht vor.