Frankfurt. Die Toten Hosen bekommen eine Auszeichnung vom in der Fanszene ungeliebten DFB. Alt-Punker Campino erklärt das Engagement gegen Rassismus.

Eine DFB-Auszeichnung für die Toten Hosen? Die Band betrachtet den Julius-Hirsch-Preis, der ein Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung setzen will, als sehr sinnvoll. „Wenn wir die Aufmerksamkeit mit unseren Namen noch ein bisschen stärker auf diesen Preis lenken können, machen wir das sehr gerne“, sagte Frontmann, Preisträger und Fußballfan Campino (57).

Die Toten Hosen engagieren sich schon seit Jahrzehnten gegen Rechts. Warum ist es heute wichtiger denn je?

Campino: Diesen gefühlt viel zu hohen Anteil an Wahlberechtigten, die in Krisenzeiten schnell geneigt sind, das Kreuz bei Rechtsaußen zu machen, gibt es in Deutschland schon ewig. In den 70-er und 80-er Jahren haben viele gesagt: „Lasst mich mit eurem Protest in Ruhe“. Heute gibt es deutlich mehr Menschen, die sich dagegenstellen. Und das ist enorm wichtig.

Was ist heute anders als früher?

"Die Toten Hosen" mit Michael Breitkopf (l-r), Andreas Meurer, Campino, Andreas von Holst und Stephen George Ritchie. © dpa

Was wir zur Zeit beobachten, ist eine Radikalisierung im Netz. Dort präsentiert sich die wirkliche Fratze der Hässlichkeit. Diese Menschen sind extrem gut organisiert und zeigen offen, dass sie da sind. Rechtsextremes Gedankengut gab es schon immer. Durch das Internet sehen wir nun, wie tief es schon in unser gesellschaftliches Bewusstsein eingedrungen ist.

Was kann da die Kunst bewirken? Und welche Parallelen sehen Sie zum Fußball, der auch massenwirksam ist?

Das würde ich nicht trennen wollen. Es geht hier nicht um Kunst oder Fußball, sondern darum, wer sich wie einbringen kann. Fußball ist nun mal Volkssport Nummer eins. Da sind zum Beispiel die Amateurclubs, die eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe übernehmen, nämlich die Integration von Leuten verschiedenster Kulturen – das ist nicht hoch genug zu würdigen.

Wie sehen Sie den Julius-Hirsch-Ehrenpreis?

Ich muss mir nicht selbst dafür auf die Schultern klopfen, mich seit fast 40 Jahren gegen rechts einzusetzen. Wir wollen mit unserer Anwesenheit auch helfen, den Fokus auf diesen Preis zu richten, denn wir finden es gut, dass der DFB es als seine Aufgabe sieht, klare Kante zu zeigen gegen Fremdenhass, Rassismus und Homophobie.

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Fußball selbst hat ein Problem in der Fan-Szene, was Rassismus und Homophobie betrifft. Wie kann der DFB da aufräumen?

Man könnte immer mehr tun, dieser Preis steht dem DFB aber gut zu Gesicht. Rechtsradikale Hooligans gab es in den 60-er und 70-er Jahren auch. Das Politbewusstsein auf der anderen Seite ist jedoch relativ neu. Vielleicht auch durch die Fankultur bei St. Pauli. Dieser Geist hat sich bis Freiburg ausgebreitet. Man sieht viele Initiativen in den Fanblocks, die sich mit dem Faschismus auseinandersetzen. Aber es gibt immer noch zu viele Vereine, in denen Rechtsaußen die Oberhand hat und alles andere wegzudrücken versucht.

Haben Sie das Gefühl, dass der Fußball sozial überfrachtet wird?

Das lässt sich nicht verallgemeinern. Großbritannien ist ein sehr schwieriges Land, dort gab es rechte Hools bis fast in die 90-er Jahre hinein. Dann hat man komplett aufgeräumt und zum Glück gibt es keine üblen Buhrufe gegen schwarze Spieler mehr. Die Jungs sind gewillt, vom Platz zu gehen, wenn es ihnen zu weit geht. In anderen Ländern, beispielsweise Italien, sieht es problematischer aus. Am Beispiel England kann man sehen, dass man durchaus ein anderes Bewusstsein ins Fan-Publikum bekommt.

Nationalmannschaft hat in Deutschland immer auch etwas mit national, mit Nationalität zu tun. Ist das ein schmaler Grat?

Das hat sich speziell über die WM 2006 in Deutschland sehr entkrampft. Natürlich ist es immer auch ein sensibles Thema, wenn Nationalmannschaften gegeneinander antreten. Wir sollten Verständnis dafür haben, dass es Menschen gibt, die darauf empfindlich reagieren, weil Deutschland nun mal das bevölkerungsreichste Land in Europa ist und das vielen Respekt einflößt. Es ist eben nicht das putzige Liechtenstein, wo in jedem Hintergarten eine Fahne hängt und es niemanden stört. Dieses Land hat eine Kraft. Wir sind alle bemüht, sie in guten, demokratischen Bahnen zu halten. Uns gelingt das über große Strecken. Aber mit einer Vergangenheit wie der unseren ist es in Ordnung, vorsichtiger damit umzugehen als andere Länder.

Die aktive Fanszene verweigert sich der Nationalmannschaft. Wie können Sie sich das erklären als Fortuna- und Liverpool-Fan?

Ich finde es völlig in Ordnung, wenn sich ein Fußballfan entschließt, nur Anhänger seiner Stadt und seines Clubs zu sein. Dass es ihm mit der Nationalmannschaft zu weit geht oder es ihn nicht mehr so berührt, nach dem Motto „Ich kann mir das angucken, aber ich muss da nicht mitfeiern“. (dpa)