Bad Ragaz. Trainer Favre fordert von den BVB-Profis im Trainingslager viel. Andere Bundesligisten setzen auf Erholung. Die richtige Mischung entscheidet.

Die malerische Gemeinde Bad Ragaz lädt durchaus dazu ein, die Seele baumeln zu lassen. Die Berge ragen in den Himmel. Die Wälder versprechen Abkühlung. Der Kurort lockt mit seiner Ruhe. Man könnte hier also ein paar erholsame Tage verbringen, wenn man nicht gerade als Profi bei Borussia Dortmund arbeitet.

BVB: Testspiel gegen Udinese Calcio

Denn ab heute gastieren auch die Fußballer des Vizemeisters in der Schweiz und sollen hier vor allem trainieren, schwitzen, sich auch mal quälen. Trainer Lucien Favre will von Samstag bis Freitag den Grundstein für eine möglichst erfolgreiche Saison legen. Schon heute findet das erste Testspiel statt. Die Dortmunder treten gegen den italienischen Erstligisten Udinese Calcio (17 Uhr/DAZN) an und überqueren dafür sogar extra die Landesgrenze nach Österreich, um in der Cashpoint Arena in Altach aufzulaufen. Viel Reisestress also. Aber wozu?

Eigentlich herrschen auch zu Hause ideale Trainingsbedingungen. Trotzdem gehört in der Vorbereitung die Übernachtung in fremden Hotelbetten so selbstverständlich dazu wie die Stollenschuhe im Reisegepäck. Der Fußball hat sich taktisch und physisch rasant weiterentwickelt, doch ins Trainingslager reisen die Millionenklubs noch immer.

Nicht nur Sport beim Trainingslager

BVB-Profis im Flugzeug während der USA-Reise
BVB-Profis im Flugzeug während der USA-Reise © BVB

„Es hat nunmal viele Facetten“, erklärt Professor Daniel Memmert von der Sporthochschule Köln. „Natürlich geht es um die Fitness, aber auch der Teamgeist soll gefördert werden. Die Spieler sollen sich kennenlernen und gemeinsame Ziele in der Spielzeit und persönliche Aufgaben auf ihren Positionen und im Spiel entwickeln.“ So viel Zeit wie in dieser intensiven Phase verbringe die Mannschaft ansonsten nicht miteinander. Unterschiede existieren allerdings dabei, wie häufig die Trainer ihre Spieler in dieser Phase über den Platz scheuchen.

Peter Bosz etwa ist sich bei Bayer Leverkusen treu geblieben. Wie schon während seiner BVB-Zeit traten seine Spieler im Trainingslager nur selten vor den Ball. In sieben Tagen absolvierte Bosz sechs Einheiten. „Einmal 100 Prozent bringen mehr als zweimal 60 Prozent“, meint der Trainer. Die Spieler beschwerten sich nicht. Mitchell Weiser konnte nur festhalten: „Das habe ich so auch noch nicht erlebt.“

Favre lässt häufiger trainieren als Peter Bosz

Denn bei vielen Bundesligisten gehört Quälerei nach wie vor dazu. Bei Fortuna Düsseldorf bittet Trainer Friedhelm Funkel seine Elf im österreichischen Maria Alm mindestens zweimal täglich auf den Rasen. Schalke-Trainer David Wagner verfährt in Mittersill ähnlich. Auch BVB-Trainer Favre lässt häufiger trainieren als Bosz, dem damals in Dortmund von einigen vorgeworfen wurde, dass die Mannschaft nicht fit gewesen sei. Dabei könne man keine generelle Antwort geben, wie viele Einheiten in der Vorbereitung nötig seien, sagt Memmert. Wichtig sei jedoch, dass auch der Kopf neben den müden Beinen regeneriert werde. „Aber man sollte nie vergessen, dass Training der wichtigste Indikator für Spielleistung ist. Training soll Spaß machen, aber Training muss auch hart sein.“

Wissenschaftliche Basis für die Belastung im Trainingslager

Einer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die richtige Mixtur aus Belastung und Erholung zu finden, ist der Sportwissenschaftler Sebastian Mühlenhoff. Mit der Firma iQathletik führt er unter anderem die Leistungsdiagnostik der BVB-Elf durch. Durch den Laktatwert im Blut und die Zusammensetzung der Atemgase lässt sich die Ausdauer der Spieler feststellen. „Das ermöglicht ein gezieltes Training, für das wir den Konditionstrainern der Mannschaften die entsprechenden Werte liefern“, sagt Mühlenhoff.

Vielleicht dürfen deswegen die Dortmunder, die beim Test gut abgeschnitten haben, die Seele in Bad Ragaz noch etwas baumeln lassen.