Fußball ist nicht alles. Das wurde selten so verdeutlicht wie an diesem Samstag in der Münchener Arena, wo an den getöteten Dominik Brunner erinnert wurde.
Das Bild des FC Bayern München ist geprägt durch beispiellosen sportlichen Erfolg, hinter dem ein meisterhaftes Management steht, und ein Selbstverständnis, das permanent die Grenzen zur Arroganz streift bzw. überschreitet. Beide Seiten verkörpert wie kein zweiter Uli Hoeneß.
Weil der Noch-Manager und künftige Aufsichtsratschef, sobald es um die Belange des Rekordmeisters geht, selbst vor persönlichen Attacken gegen Kontrahenten nicht zurückzuschrecken pflegt, macht er es auch seiner Umgebung mitunter schwer, ihn zu verstehen. Dass der 57-Jährige ein anderer Mensch ist, wenn er die Vereinsbrille absetzt, hat er am Wochenende eindrucksvoll bewiesen.
Als er es nicht bei der „üblichen" Gedenkminute für den Münchener S-Bahn-Helden Dominik Brunner, der seine Zivilcourage mit dem Leben bezahlt hatte, beließ, sondern mit einfühlsamen Worten über „praktizierte Nächstenliebe" sprach, traf Hoeneß den Nerv seiner Zuhörer. Und machte damit den dicksten Punkt an diesem Bundesliga-Spieltag. In jenem bewegenden Moment der Stille in der Münchener Arena ist wohl auch dem letzten Zuschauer bewusst geworden, dass der Fußball eben doch bloß die schönste Nebensache der Welt ist.
Nächstenliebe muss natürlich nicht so weit gehen, dass die Fußballanhänger sich wie Kirchgänger verhalten. Der Sport lebt von Emotionen. Er bezieht seinen Reiz auch daraus, dass er Menschen, die sich im oft tristen Alltag unter Kontrolle haben müssen, ein Ventil für Gefühle bietet – Enttäuschung, Ärger und Empörung inklusive.
Es wäre ja schon viel erreicht, wenn die Fans – und selbstverständlich auch die Medien – bei ihrer Kritik, die ihnen niemand verwehren will, den Trainern oder Funktionären nicht die Würde nähmen. Oder wenn sich etwa Schalker oder Dortmunder Anhänger spätestens nach dem Abpfiff des kommenden Derbys als Teil einer Gemeinschaft verstehen würden, die doch ihre Liebe zum Fußball stiften sollte. Darüber nachzudenken lohnt sich übrigens auch für Uli Hoeneß. Wenn er mal wieder durch die Vereinsbrille schaut.