Stuttgart. Die abstiegsbedrohten Stuttgarter entlassen Sportvorstand Reschke. Der Ex-Nationalspieler tritt die Nachfolge an. Doch im Verein rumort es.
Mit unterschiedlichen Auffassungen über den weiteren Weg begründete der VfB Stuttgart am Dienstagmittag die überraschende Entlassung von Sportvorstand Michael Reschke. Der 61-Jahre alte Rheinländer wird durch den 36-jährigen Thomas Hitzlsperger ersetzt, der bisher als Leiter des Nachwuchszentrums tätig war.
In einer Pressemitteilung bedauerte der Fußball-Bundesligist, dass die Arbeit von Reschke nicht zum gewünschten Erfolg geführt habe. Der Klassenerhalt sei in erheblicher Gefahr. Deshalb habe der Aufsichtsrat in einer Sitzung am Montagabend die Trennung beschlossen. Damit stellen die Stuttgarter Reschke als Hauptverantwortlichen für die sportliche Krise dar.
Klassenerhalt als einziges Ziel
„Es geht nur um den Klassenerhalt“, sagte Hitzlsperger auf einer Pressekonferenz und versicherte unbeholfen, er bringe Energie und Freude mit.
Die Lösung mit ARD-Experte Hitzlsperger mag vorerst die Lage etwas befrieden, mehr als der Versuch, den Anhängern eine Beruhigungspille zu präsentieren, ist es allerdings nicht. In den Fan-Foren fordern die Anhänger weiter den Rücktritt des Präsidenten und Aufsichtsratschefs Wolfgang Dietrich.
Präsident Dietrich in der Kritik
Der 71-Jährige hatte nicht nur Reschke verpflichtet, nachdem er dessen Vorgänger Jan Schindelmeiser im Sommer 2017 vor die Tür setzte. Dietrich stützte fragwürdige Vertragsverlängerungen von Altstars und Transfers, für die der Klub rund 60 Millionen Euro investierte.
Reschke bekomme mit jedem Trainer Ärger, hieß es nun. Reschke hatte sich tatsächlich immer wieder in die Arbeit der Trainer eingemischt und massiv Einfluss genommen. Bisher hatte ihn Dietrich dabei allerdings nicht gebremst.
Knapp 42 Millionen hatte man durch den Verkauf von 11,75 Prozent der Vereinsanteile an den Autobauer Mercedes erlöst. Eine Strategie konnten Reschke und Dietrich nicht präsentieren und mancher Fan zweifelt, ob das nun dem WM-Dritten von 2006 gelingt.
Zuletzt wollte Reschke Trainer Markus Weinzierl, den dritten Coach, den er in 18 Monaten verpflichtet hatte, entlassen, während Hitzlsperger und Dietrich trotz der zehn Niederlagen in 14 Spielen vorerst mit Weinzierl weiterarbeiten wollten. Inzwischen scheint der Nachfolger des Ex-Schalkers Tayfun Korkut im Kader kaum mehr Rückhalt zu genießen.
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Mit Hitzlsperger im Vorstand scheut der schwäbische Klub trotz seiner Not den großen Umbruch. Funktionäre wie Präsident Dietrich oder der seit seinen Attacken gegen Vereinsikone Guido Buchwald (58) umstrittene Vize-Aufsichtsrats-Vorsitzende und Daimlervorstand Wilfried Porth (60) bleiben im Amt. Porth hatte das kritische Aufsichtsratsmitglied Buchwald mit respektlosen Vorwürfen zum Rücktritt getrieben.
Katastrophale Außendarstellung
Nicht nur Porth und Dietrich waren durch herabwürdigende Kommentare gegen Schindelmeiser und andere aufgefallen. VfB-Fans und zahlreiche Vereinsikonen beklagten die katastrophale Außendarstellung des Vereins, der als Klub der Wahrheitsbeuger und Blender verspottet wurde.
Es bleiben Zweifel, ob mit Hitzlsperger die Wende gelingt. Der gilt als leicht beeinflussbar und ist im Bereich Management völlig unerfahren. Der Ex-Nationalspieler suchte stets die Nähe zu Dietrich und hat so indirekt viele der fatalen Entscheidungen mitgetragen.
Die Stuttgarter Fans kündigten weitere Proteste an. Die Angst vor dem großen Aufstand am Rande des Spiels gegen RB Leipzig am Samstag (15.30 Uhr/Sky) ist nicht kleiner geworden.