Lausanne/Essen. Bis vor wenigen Monaten war Claudia Pechstein einer breiten Öffentlichkeit vor allem als jene Athletin bekannt, die sich bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City nach ihrem zweiten Olympiasieg eine schwarz-rot-goldene Perücke übergestülpt hatte.

Seit Mittwoch ist ihr Name weniger mit einem fragwürdigen PR-Gag, der auch als Affront gegen ihre Dauerrivalin Anni Friesinger (Stichwort: „Zickenkrieg”) verstanden worden war, denn mit einem sportpolitischen Wendepunkt verbunden: Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) segnete die Entscheidung des Eisschnelllauf-Weltverbandes (ISU) ab, die fünfmalige Olympiasiegerin als erste prominente Sportlerin nicht wegen eines positiven Dopingbefundes, sondern allein aufgrund auffälliger Blutwerte für zwei Jahre zu sperren.

Wie reagierte die Athletin auf das Urteil?

„Das zu akzeptieren ist für mich unheimlich hart. Nach dem wochenlangen, unwürdigem Hin und Her war das Urteil aber abzusehen”, wird Pechstein in einer Erklärung ihres Managements zitiert. Schon vorher hatte sie erklärt, sich zuletzt „wie eine Aussätzige gefühlt zu haben” und von einer sportpolitisch motivierten Entscheidung gesprochen: „Ich habe das Pech, das Versuchskaninchen für die indirekte Beweisführung zu sein.”

Wie lautet die Begründung für das Urteil?

Die Richter stellten fest, dass der Weltverband „die Beweislast zur Zufriedenheit des Gremiums” getragen habe und Pechstein die ungewöhnlichen Werte „nicht in vertretbarer Weise” mit einer angeborenen Krankheit oder einer Blut-Abnormalität erklären könne. Fazit: Die Manipulation des Blutes der Athletin stelle „die einzige vernünftige Alternative für die Ursache ihrer abnormalen Werte dar”.

Welche Bedeutung hat das Urteil für den Anti-Doping-Kampf?

Für viele Sportfunktionäre wie den IOC-Vizepräsidenten Thomas Bach ist das Urteil „wegweisend”, weil es die Kriterien für den „so wichtigen indirekten Dopingbeweis” formuliere. Er fordert Verbände, denen entsprechende Testwerte vorliegen auf, „nunmehr umgehend Sanktionen zu verhängen”,

Welche Konsequenzen hat das Urteil für Claudia Pechstein?

Die Chancen, sich selbst bei einem Erfolg vor der nächsten Instanz, dem Schweizer Bundesgericht, noch für die Olympischen Winterspiele zu qualifizieren tendieren gegen Null. Bei einer Bestätigung der Sportgerichts-Urteile dürfte Pechsteins Karriere beendet sein. Zudem drohen der 37-jährigen Bundespolizistin die Aberkennung ihres Beamtenstatus und der Verlust zahlreicher Werbeverträge und die Übernahme der teuren Anwaltskosten.

Welche juristischen Möglichkeiten bleiben Claudia Pechstein noch?

Die Athletin hat Einspruch vor der nächsten Instanz, dem Schweizer Bundesgericht, angekündigt. Ihre Anwälte werden versuchen, möglichst schnell eine einstweilige Verfügung gegen das CAS-Urteil zu erwirken. Notfalls will die Sportlerin, die „definitiv bis zum Letzten kämpfen” will, bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.

Wie haben ordentliche Gerichte in vergleichbaren Fällen entschieden?

Der bisher prominenteste Fall des früheren 100-Meter-Weltrekordlers Tim Montgomery endete im Jahr 2008 vor einem New Yorker Gericht mit 46 Tagen Haft für den Kläger.