Stuttgart. Angelique Kerber wurde am Dienstag in Stuttgart empfangen. Nach ihrem Wimbledon-Triumph fühlt sie sich gerüstet für nächsten Jahre.
Der Rausch ist noch nicht ganz verflogen, der Rausch nach diesem Schlag in die Tennis-Unsterblichkeit. Und so hat Angelique Kerber auch drei Tage nach ihrem Wimbledon-Triumph nicht ihr strahlendes Lächeln verloren, nicht die tiefe Zufriedenheit, auch nicht die Gelassenheit, die nicht ganz neuen Fragen mit den nicht ganz neuen Antworten zu versehen. Dienstag also, der Dienstag nach dem 14. Juli 2018 im All England Club, Kerber ist in Stuttgart angekommen, bei ihrem ältesten Sponsorenpartner Porsche.
Sie hat, wie es der selige Rolf Töpperwien wohl sagen würde, wieder deutschen Boden betreten, für das Blitzlichtgewitter der Fotografenmeute. Für schöne Posen mit der berühmten Siegerschale. Und eben auch fürs allerfrischeste Update, wie es einer Wimbledonsiegerin so geht: „Ich begreife so langsam, was passiert ist. Und ich weiß, dass dieser Moment auf dem Centre Court für ewig in mir sein wird“, sagt Kerber.
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Sie ist ein bisschen zu spät gekommen zu diesem gediegenen Pressetreff im Porsche-Museum, denn Angelique Kerber kann zwar hin und wieder selbst die titanische Serena Williams bezwingen – nämlich bei ihrem ersten und letzten von drei Grand Slam-Titelgewinnen. Aber gegen den Stuttgarter Verkehr ist auch die 30-Jährige machtlos, die zuvor mit dem Privatjet aus Posen eingeschwebt ist, deshalb die Dreiviertelstunde Verspätung. Hier dann noch schnell ein Interview fürs ARD-Mittagsmagazin, da noch eine Fotosession vor einem der schicken Automobile – und dann kann Kerber noch mal berichten, wie das so war in Wimbledon.
Kerber muss ungewöhnliche Fragen beantworten
Sie hat so ein Frage-und-Antwort-Spiel schon einmal absolviert, damals nach der Grand Slam-Titelpremiere in Melbourne im Januar 2016 – es war in Leipzig dann, am Rande des Fed-Cup-Matches gegen die Schweiz, und Kerber musste auch ein paar sehr ungewöhnliche Fragen vom aufmarschierten Zeitungsboulevard und Klatschblättern beantworten.
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Da kommt sie in Stuttgart nun besser weg, es ist alles sehr gesittet, sehr ordentlich, sehr rücksichtsvoll. Aber natürlich müssen auch hier und jetzt ein paar wichtige Dinge geklärt werden, also etwa die Sache mit dem roten Kleid vom Champions Dinner: Durfte sie das denn behalten, die Königin von Wimbledon? Sie durfte, in der Tat. Berichtet Kerber und ist froh über die Großzügigkeit des All England Club. Kann allerdings auch sein, dass das Haus der Geschichte mal anfragt und nach dem roten Dress fragt, so wie einst nach Schuhen und Schlägern des Herrn Becker.
Herzlicher Empfang bei den Großeltern in Polen
Da Kerber schon bei Oma und Opa in Polen vorbeigeschaut hatte, dort führte sie nämlich der erste Flugabschnitt von London hin, ist auch dies zu ermitteln: Wurde schon was Deftiges aufgetischt, als Belohnung für die Enkelin? Das muss die Queen des Centre Court verneinen, es sei spät geworden am Montag, es habe nur ein kleines Essen gegeben, dafür einen umso herzlicheren Empfang. Aber am Dienstag wird nun endlich gegrillt, draußen an der frischen, warmen Luft – wenn Kerber wieder zurückgeflogen ist nach Posen: „Das habe ich mir so gewünscht, ein Essen im Freien.“
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Und sonst, welche Wünsche sind denn jetzt noch offen, nachdem der Hauptpreis verteilt worden ist, der Sieg, über den Kerber sagt, sie habe 30 Jahre darauf warten müssen? „Eigentlich gibt es keine Rechnungen mehr, die zu begleichen sind“, sagt Kerber, „ich kann für mich sagen, dass meine Karriere komplett ist.“ Andererseits gebe dieser Lebenstraum auch Motivation und Antrieb: „Ich weiß, dass ich noch vieles gewinnen kann. Aber ich setze mich da nicht mehr großartig unter Druck“, so Kerber, „es wird nicht so sein, dass ich in ein großes, schwarzes Loch falle. Auch Roger Federer gewinnt ja immer noch. Und ist auch immer noch da.“
French-Open-Titel fehlt noch in der Sammlung
Ein Grand Slam-Titel fehlt Kerber in der exklusiven Sammlung, der von Paris, bei den French Open. Gilt dem nun alle Aufmerksamkeit und Konzentration? Das wehrt Kerber ab, schließlich gibt es nicht gerade eine große Liebesbeziehung zwischen den Sand-Festspielen und ihr selbst: „Aber wer weiß. Vielleicht kommt der Sieg noch mal dazu. Ich gehe es jedenfalls gelassen an.“
Es ist keineswegs so, dass Kerber diese ersten Stunden in Deutschland noch irgendwie rumkriegen müsste, als lästige Pflicht. Sie freut sich auf die beginnenden Sommerferien („Ich weiß noch nicht, wie lang sie sein werden“), aber sie genießt schon ein wenig die Nachfrage, den Rummel. Gut 60 Journalisten und diverse Kamerateams sind aufmarschiert, es wird noch einmal ein Kerber-Tag in den Medien sein, bei Presse, Funk und Fernsehen. Bevor nicht nur einfach der Urlaub ansteht, sondern auch ein wenig die Rückkehr in vorübergehend etwas mehr Normalität: „Am wichtigsten für mich ist nun, dass ich Zeit für mich habe. Zeit ist kostbar, dass habe ich gelernt.“
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Lernen müssen, will Kerber damit auch sagen. Und zwar in der Zeit nach der ersten Euphoriewelle, vor zwei Jahren, als sie zwei Grand Slams gewann und die Nummer 1 wurde. Danach aber abstürzte, weil sie sich auch in der Terminhatz verlor, zu sehr aufgerieben wurde in den Pflichten neben dem Centre Court.
Kerber fühlt sich gerüstet für das, was noch kommt. Ein paar Jahre will sie noch spielen, „ganz sicher“. Und dabei ist ihr auch eins besonders wichtig: „Ich will die gleiche Angie bleiben. Die Leute sollen spüren, dass ich mich nicht verändert habe durch den Erfolg.“ Vielleicht ist das sogar mindestens so wichtig wie noch so manch großer Titel und großer Pokal, der ins Wohnzimmer kommt neben die Wimbledon-Schale.