Paris. Ein Handspiel von Kapitän Thierry Henry sichert Frankreich gegen Irland die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Trotzdem hält die Kritik an Trainer Raymond Domenech an.

Sieger sehen anders aus. Mit einem gequälten Lächeln und zerknautschter Miene trat Frankreichs Kapitän Thierry Henry vor die Kameras. "Ja, es war ein Handspiel", gestand der Barça-Star wie ein reuiger Sünder, um zugleich entschuldigend hinzu zu fügen: "Aber ich bin nicht der Schiedsrichter."

Es war das dreiste Handspiel des französischen Ausnahmespielers (51 Länderspieltore) in der 103. Spielminute im "Stade de France", das der "Equipe Tricolore" den 1:1-Ausgleich gegen die heldenhaft kämpfenden Iren und zugleich das WM-Ticket 2010 bescherte. Fast an der Torauslinie nahm Henry den Ball mit der ganzen Handfläche an, schlenzte ihn elegant zu William Gallas, der mühelos einköpfen konnte. Nach dem 0:1 in Dublin reichte Frankreich Zuhause ein Unentschieden.

"Miraculeux" (wunderbar) titelte die Hauptstadt-Zeitung "Le Parisien", während "L'Equipe", Frankreichs führende Sport-Tageszeitung, ihre Titelseite aufmachte mit der Schlagzeile: "La Main de Dieu". Eine Anspielung auf die legendäre "Hand Gottes", die dem argentinischen Fußball-Genie Diego Maradona gehört und ebenso in die Fußballgeschichte eingegangen ist wie das Wembley-Tor.

Der Dusel der "Bleus" war an diesem denkwürdigen Fußballabend in Saint-Denis so groß, dass sich die Freude in Frankreich über die vierte WM-Qualifikation in Folge sichtbar in Grenzen hält. Für überschwänglichen Jubel in Paris sorgte an diesem Abend lediglich die algerische Kolonie, die nach dem 1:0 gegen Ägypten zu Tausenden den Prachtboulevard Champs-Elysées lahm legte, um die WM-Teilnahme mit einem frenetischen Hupkonzert und Freudenfeuern zu feiern.

"Ein katastrophales Match", urteilte stellvertretend Bixente Lizarazu. Der Weltmeister von 1998 und frühere Bayern-Star ließ gegenüber dem Fernsehsender "TF1" kein gutes Haar an der Nationalelf. "Wir haben keinen Grund stolz zu sein." Eine schonungslose Einschätzung, die an Frankreichs Stammtischen und in den einschlägigen Internet-Foren geteilt wird. Vor allem hier wird Kübel weise Spott über die Nationalelf ausgeschüttet. "Die Qualifikation ist eine Schande", schreibt etwa ein gewisser Benoo, während "Ludo" eingesteht: "Heute Abend schäme ich mich Franzose zu sein."

"Kein Stil, keine Identität, keine Ideen"

Selbst der "Equipe"-Kommentator fällt in seiner Spielanalyse in frappierender Schonungslosigkeit über die Mannschaft, vor allem aber über den schon seit Jahren umstrittenen Trainer Raymond Domenech her. Während der gesamten WM-Qualifikation sei der Mannschaft nicht ein einziges Spiel gelungen, in dem sie internationales Niveau bewiesen habe. Die Schuld für diese "Malaise" wird trotz der glücklichen WM-Qualifikation dem Trainer angelastet. Nicht nur die Mehrheit in Fußball-Frankreich ist sich einig, dass der Coach die "alte Schule" verkörpert. Selbst die Nationalspieler probten vor einigen Wochen den Aufstand gegen den farblosen Fußballlehrer. "Kein Stil, keine Identität, keine Ideen" hatte ihm kein Geringerer als Kapitän Henry bescheinigt. Zwar flehte Domenech nach dem Abpfiff "Lasst mich diesen Moment genießen", doch der wird nur sehr kurz sein. Denn nicht nur "L'Equipe" bezweifelt ausdrücklich, dass Domenech der richtige Trainer für die WM-Elf sein wird.

Ein schwacher Trost bleibt dem arg Gescholtenen auf jeden Fall. Denn nachdem er die WM-Qualifikation 2006 ebenfalls nur mit Ach und Krach geschafft hatte, stürmten die "Bleus" bis ins Finale vor. Erst dort unterlagen sie den Italienern - wohl auch, weil ihr Idol Zinédine Zidane ("Zizou") wegen des überflüssigen Kopfstoßes an Materazzi vom Platz geflogen war.