Dortmund. Boxer Marco Huck gibt sich vor dem WM-Kampf in Dortmund siegessicher. Dabei weist der Lette Mairis Briedis eine beeindruckende Vita auf.
Die Bilder sind furchtbar. Wer beim Videoportal Youtube die Namen Briedis und Charr eintippt, der bekommt einen der härtesten Knockouts zu sehen, die es in den vergangenen Jahren im Profiboxen gegeben hat. Mit einem ansatzlosen rechten Kinnhaken schlägt der Lette Mairis Briedis Manuel Charr durch die Ringseile. Der „Koloss von Köln“ ist bereits bewusstlos, bevor er mit dem Gesicht voran auf der Matte aufschlägt.
20 Monate ist das her, Wirkung entfaltet dieser Hieb allerdings noch immer, auch bei Marco Huck. Deutschlands bester Cruisergewichtler hat an diesem Sonnabend (22.45 Uhr/RTL) in der Dortmunder Westfalenhalle nämlich das zweifelhafte Vergnügen, sich mit dem in 21 Profikämpfen unbesiegten und 18-mal vorzeitig siegreichen Briedis herumschlagen zu müssen. „Ich erwarte eine Schlacht und werde durch die Hölle gehen müssen“, sagt Huck, „aber am Ende werde nicht ich es sein, der am Boden liegt.“
Image als Lautsprecher der Nation
Man kennt diese Sprüche von dem 32 Jahre alten Bielefelder, der jeden Morgen eine große Portion Selbstbewusstsein zu frühstücken scheint, um seinem Image als Lautsprecher der Nation gerecht werden zu können. In diesem Fall ist es aber der erste Teil der Aussage, der besondere Beachtung verdient. Denn tatsächlich ist die Aufgabe, der sich der seit der Trennung vom Sauerland-Team vor zwei Jahren in Eigenregie tätige Weltmeister des unbedeutenden Verbands IBO freiwillig stellt, eine der unbequemsten seiner Karriere.
Das Problem an seinem gleichaltrigen Kontrahenten ist, dass dieser außerhalb der Profiboxszene gänzlich unbekannt und deshalb dem durchschnittlichen Sportfan in Deutschland nur schwer als echter Prüfstein zu verkaufen ist. Dass der athletische, schlagstarke und aggressiv agierende Briedis allerdings schon mehrfach als Sparringspartner für Ex-Schwergewichts-Regent Wladimir Klitschko diente und sich über die Jahre trotz überwiegend mäßiger Gegnerschaft zu einem ernst zu nehmenden WM-Anwärter entwickelt hat, ist Huck und seinem Team aber natürlich nicht entgangen.
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Huck setzt auf seine Erfahrung
„Gegen solche Leute, die zwar niemand kennt, die aber richtig was draufhaben, ist es immer unangenehm“, sagt Huck, der vor allem auf seine Erfahrung aus 44 Kämpfen setzt. „Ich denke, dass ich mit den wesentlich stärkeren Leuten im Ring gestanden habe. Deshalb werde ich mich auch durchsetzen.“
Das muss er auch, schließlich ist das Duell mit Briedis die Chance für Huck, sich 20 Monate nach dem Verlust seines WBO-WM-Titels an den Polen Krzysztof Glowacki wieder an die Spitze eines bedeutenden Weltverbands durchzuschlagen. Am Mittwoch hatte das World Boxing Council (WBC) den Status des Kampfes festgelegt. Da der amtierende WBC-Champion Tony Bellew (England) nach seinem Triumph über Landsmann David Haye Anfang März im Schwergewicht bleiben möchte, wird der Sieger vom Sonnabend automatisch zum neuen WBC-Weltmeister erklärt. Entscheidet sich Bellew doch noch für eine Rückkehr, dürfte er sofort gegen Huck oder Briedis antreten.
„Mit Bellew beschäftige ich mich noch überhaupt nicht“, sagt Huck, der selbst einen erneuten Ausflug ins Schwergewicht nicht ausschließt, „für mich ist erst einmal nur wichtig, dass ich Briedis schlage und wieder Weltmeister bei einem der vier großen Verbände werde.“ Dafür hat der gebürtige Serbe in seinem Umfeld wieder einmal einige Umstellungen vorgenommen. So verpflichtete er für sein Trainingscamp in Braunlage erstmals einen eigenen Koch. Marvin Mende, der zuvor Fußball-Nationalspieler Julian Draxler begleitet hatte, soll mit der Ernährungsumstellung das kraftraubende Gewichtmachen unterstützen.
Oktay Urkal erwartet sehr schweren Kampf
Vor allem aber wird gegen Briedis ein neuer Mann das Sagen in Hucks Ecke haben. Der bisherige Cheftrainer Varol Vekiloglu, der allerdings auch nur zwei Kämpfe in der Verantwortung stand, rückt auf seine gelernte Position als Fitnesstrainer. Dafür ist nun Hucks ehemaliger Sauerland-Trainingskollege Oktay Urkal (47) im Team. Der ehemalige Weltergewichts-Europameister aus Berlin war von Hucks Bruder Kenan verpflichtet worden und will mit seiner Erfahrung aus vier (allerdings verlorenen) WM-Kämpfen helfen. „Es wird ein sehr schwerer Kampf, aber ich habe noch keinen Boxer erlebt, der so fleißig trainiert wie Marco. Deshalb bin ich mir sicher, dass er Briedis besiegen wird“, sagt Urkal.
Marco Huck, der seinen im November beim Punktsieg über den Ukrainer Dmytro Kucher erlittenen Bruch der rechten Hand vollständig ausgeheilt und auch psychisch verarbeitet hat, erwartet von seinem neuen Chef, „dass er mich immer wieder auf meine Fehler aufmerksam macht. Boxerisch kann man mir nicht mehr viel beibringen, aber vier Augen sehen mehr als zwei, deshalb ist Oktay auch für Varol eine wichtige Unterstützung.“
Das Gesamtpaket soll nun dafür sorgen, dass es auf Youtube an diesem Sonnabend keine neuen Bilder eines krachenden Knock-out-Sieges für Mairis Briedis geben wird.