Dortmund. . Mit dem Podolski-Abschied endet eine große Zeit in der Nationalmannschaft. Eine neue Spielergeneration ist gefordert – geboren im Jahr des letzten EM-Siegs.

Als Jogis Männer am Tag danach in ihrem Sporthotel in Kaiserau erwachten, da war Lukas Podolski doch tatsächlich verschwunden, weg, nicht mehr da. Wahrscheinlich, ach was, mit Sicherheit stand er zu diesem Zeitpunkt noch irgendwo im Dortmunder Stadion, ließ Fotos machen, schrieb Autogramme oder beantwortete Fragen. Weit nach Mitternacht war er zumindest bei genau diesen Tätigkeiten noch zu beobachten. Mit größter Hingabe erledigte er das alles, ungeduscht, das Trikot noch immer am Leib, die Kapitänsbinde noch immer am Arm.

Wie der Vater eines Kindes

Es sei jetzt Zeit loszulassen, sagte er und wirkte wie einer, der nicht loslassen will. Wie der Vater eines Kindes, das auszieht. Dabei ist er es, der auszieht und die Kinder zurücklässt. Der 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen England war sein letztes Länderspiel, Podolski schoss das einzige Tor, ein betörend schönes noch dazu. Ein Stoff, zu kitschig für Hollywood, gerade recht für die noch größere Traumfabrik Fußball.

„Ich war der letzte von meiner Generation. Das ist jetzt auch vorbei“, hauchte Podolski also spät am Abend, später im Leben als andere. Seine Wegbegleiter Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger, auch Miroslav Klose und Per Mertesacker, haben in den vergangenen Jahren nach und nach Abschied genommen. Die Vertreter der Goldenen Generation, die unverbraucht ins Sommermärchen 2006 starteten und acht Jahre später Weltmeister wurde, ist mit diesem Tage aus dem schwarz-rot-goldenen Elite-Trüppchen verschwunden. „Jetzt kommen viele Jungs, die einen guten Weg gehen können“, stellte Podolski beim letzten Tschö durchaus zufrieden fest. Er bezog sich auch auf das England-Spiel.

Eine Frage der Zeit

Um den Wunschtorschützen Podolski herum hatte Bundestrainer Joachim Löw (der Jogi) drei neuartige Offensivkräfte drapiert: den Debütanten Timo Werner, der am Donnerstag wegen eines Muskelfaserrisses abreisen musste, den geschmeidigen Leroy Sané und den angriffslustigen Julian Brandt. Die neue Generation nach Podolski.

Das mangelnde Verständnis füreinander entzweite sie noch ein wenig auf dem Platz. Aber das ist eine Frage der Zeit. Davon – das ist die gute Nachricht – haben sie reichlich, denn sie eint ihr Geburtsjahr: 1996. „Das waren sehr große Spieler, die sehr viel für dieses Land geleistet haben. Ich habe mich gefreut, dass ich noch mit Basti und Poldi zusammenspielen durfte. Sie haben mir sehr viele Tipps gegeben“, sagte Sané nach dem Spiel und ahnte: „Das sind jetzt natürlich sehr große Fußstapfen, in die wir treten. Das wissen wir alle. Aber keiner von uns jungen Spielern macht sich zu großen Druck.“ Die Schalthebel der Macht sind besetzt mit Männern wie Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos. Es geht um den Jahrgang 1996 und die Frage, wer von denen der neue Podolski sein kann.

Wer derjenige ist, der den Menschen neue unbekümmerte Freude bereitet. „Lukas kann man nicht eins zu eins ersetzen. Aber es kommen immer wieder andere nach, interessante Typen, die nicht immer nur Spaßvögel sein müssen“, rückt DFB-Manager Oliver Bierhoff das Anforderungsprofil aus dem humoristischen Genre ins sportliche.

Bewährte Kräfte

In diesem Bereich werden sich die Jünglinge – zu denen auch Julian Weigl, Leon Goretzka und Niklas Süle gehören – beweisen müssen in diesem Jahr, entweder beim Konföderationenpokal oder bei der U21-EM. In Dortmund machten sie alle noch einen allzu bemühten Eindruck. Das Versprechen für die Zukunft bleibt. In der Gegenwart wird der Bundestrainer verstärkt auf bewährte Kräfte zurückgreifen, wenn am Sonntag (18 Uhr / RTL live) das WM-Qualifikationsspiel in Aserbaidschan ansteht.

Ohne Punktverlust und Gegentor steht Deutschland an der Spitze der Tabelle. Entschieden pocht Löw darauf, die Teilnahme an der WM 2018 in Russland möglichst schnell sicherzustellen. Ob seine Mannschaft so schnell zwischen Experiment und Ernstfall umschalten kann? „Ich bin absolut überzeugt, dass wir unsere Siegesserie fortsetzen“, sagt der Bundestrainer und klingt nicht, als hätte er Zweifel an seinem Personal. Falls doch, weiß Lukas Podolski Rat: „Meine Nummer hat er ja.“ Es war ein Scherz. Vermutlich.