Berlin. Der Diskus-Weltmeister Robert Harting entschuldigt sich nach seiner sprachlichen Entlgeisung gegenüber Dopingopfern und gelobt Besserung. Der Verband will den Fall nach der WM aufarbeiten.

Gut, dass Robert Harting den Chef des Nachtclubs Dante am Hackeschen Markt in Berlin kennt. „Vielleicht waren wir etwas laut”, fürchtet der neue Diskus-Weltmeister nach einer durchfeierten Nacht. Im Dante gibt es XXL-Cocktails für 20 Euro und Wodka-Specials. Ein Liter Wodka mit fünf Softdrinks dazu für 99 Euro, drei Liter mit 15 Softdrinks für 249 Euro.

Harting war nach seinem Titel-Triumph mit seiner Freundin Kay und 25 Leuten unterwegs. „Hat Spaß gemacht”, sagt er. Im Namen des Katers schiebt er hinterher: „Aber ich halte mich doch gut und sitze hier, oder?” Hier ist in diesem Fall das Podium, auf dem der Deutsche Leichtathletik-Verband immer morgens um neun im Schatten der Gedächtniskirche seine Athleten präsentiert.

Wütender Harting

Harting hat für diesen Morgen seine Entschuldigung angekündigt. Zwischen Qualifikation und Finale hat er die Dopingopfer der früheren DDR verbal angegriffen, verhöhnt und ihnen einen Diskuswurf an den Kopf gewünscht. Wenn der 24-Jährige wütend ist, tragen die Wörter die Abdrücke seiner Zähne. Und Harting war wütend. In solchen Momenten ist er wie ein Westernheld, der durch die Saloontür stapft und seinem Gegner erstmal die Whiskeyflasche über den Kopf zieht.

Er fühlte sich angegriffen, weil der Verein zum Schutz der Dopingopfer angeblich seinen WM-Ausschluss gefordert hatte. Und in solchen Augenblicken wird die Zündschnur seines Zorns eben immer kürzer. „Ich trainiere ein Jahr hart, dann solche Attacken. Ich habe unbedacht reagiert, aber das ist doch menschlich. Ich werde daraus lernen, es soll nie wieder vorkommen, und ich möchte mich entschuldigen!”

Der eine kann reden, der andere werfen

Wer nun was und wie in den vergangenen Tagen gesagt und gemeint hat, lässt sich kaum noch rekonstruieren. Offensichtlich sind viele Dinge aus dem Ruder gelaufen.

Eike Emrich, der Delegationsleiter des WM-Teams, sitzt auf dem Podium neben Harting und greift ein. Emrich ist Soziologie-Professor und ein glänzender Rhetoriker. In einem fünfminütigen Pro-Seminar wäscht er Harting von allen Vorwürfen rein. Man hört zu und glaubt irgendwann, Harting sei eine Mischung aus Gandhi und Konfuzius. Dabei hat er in Wahrheit Sätze von großer Dummheit gesagt.

Harting selbst blickt nach dem Vortrag Emrichs zur Seite und sagt: „Danke! Du kannst einfach besser reden als ich.” Dafür kann der 24-Jährige weiter werfen. „Ich hätte doch im Urlaub keine ruhige Minute am Strand gehabt, wenn der Pole das Ding gewonnen hätte”, sagt er zum Sport. Piotr Malachowski lag mit dem polnischen Rekord von 69,15 Metern vorne, bevor Harting zu seinem letzten Versuch in den Ring stieg.

Auf die Technik ist Verlass

Vielleicht verwechselt der Berliner manchmal Humor mit Rumor, aber im Diskuskäfig weiß er, was zu tun ist. „Auf meine Technik kann ich mich verlassen”, beschreibt er. „Also habe ich voll drauf gehauen.” Der Gewaltwurf entwickelt sich zum Langstreckenflug und landet erst bei 69,43 Metern. Gold!

„So ein Ding im letzten Versuch haben nur die wirklich Großen des Sports drauf”, ordnet Franka Dietzsch die persönliche Bestleistung von Harting zum Abschluss des WM-Finales ein. Dietzsch muss es als dreimalige Diskus-Weltmeisterin wissen. Aber sie macht sich auch Sorgen. „Robert ist ein hochsensibler Mensch, der nach außen wie ein roher Klotz wirkt. Vielleicht will er das sogar so. Ich habe immer auf ihn aufgepasst, aber das müssen jetzt andere übernehmen.” Die 41-Jährige beendet in Berlin ihre Karriere in der Nationalmannschaft.

Aufruf zur Salben-Spende

Für Dietzsch sind vor dem Finale schon die Berliner als Aufpasser eingesprungen. Harting hatte Rückenprobleme, und die Tube mit seiner Spezialsalbe dagegen war leer. Nur: Die Salbe wird nicht mehr hergestellt, und ein Radiosender rief die Berliner Bevölkerung auf, alle Reste der Salbe aus den Medizinschränken zum Mannschaftshotel zu bringen. „Unglaublich, wie viele Leute kamen”, staunt Harting. „Ich habe jetzt genug Salbe, um noch drei Jahre werfen zu können.”

Aber droht ihm nicht doch noch eine Sperre durch den Verband wegen seiner Provokationen? Emrich sagt: „Nein! Von meiner Seite gibt es keinen Gedanken an eine Strafe. Robert ist ein junger Mann, der sich entwickelt, wie man an der Entschuldigung sieht.” DLV-Präsident Clemens Prokop hat das Thema dagegen noch nicht abgehakt. Er will den Fall „nach der WM aufarbeiten”.

Harting fügt sich am Tag nach seinem Triumph. „Ich habe keine Kraft mehr, den Sündenbock zu spielen und werde mich bessern”, verspricht er. Aber fest steht auch: Wer rund geboren ist, der stirbt nicht als Quadrat. Fortsetzung folgt.