Essen/Frankfurt. . DFB-Präsidium möchte am Montag von Niersbach Details zur 6,7-Millionen-Euro-Zahlung im Rahmen der WM 2006 erfahren. Keine Rücktrittsforderungen.

Den direkten Draht zum DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach hatte Harald Strutz am Samstag exklusiv. Der Mainzer Fußball-Chef saß beim 2:0 über den VfL Wolfsburg auf der Haupttribüne direkt neben Niersbach. Der zog die Bundesliga dem Sportpresseball nebst rotem Teppich vor. Dort hätte sich der wegen einer dubiosen 6,7-Millionen-Euro-Zahlung rund um die WM 2006 schwer in die Kritik geratene Düsseldorfer wohl kaum über den Protest eines Unbekannten amüsiert. Der war zum Auftakt des Ballabends an der Alten Oper mit Niersbach-Gesichtsmaske aus einer Limousine gestiegen, hatte 500-Euro-Notenkopien geworfen. Drauf stand: „Wir sind der DFB! Wir können uns alles leisten!“

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Der Mann wurde abgeführt, hatte aber live das Fußball-Gesprächsthema Nummer eins befeuert. Am Montag um 14.30 Uhr trifft sich das 16-köpfige Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes zur Bestandsaufnahme. Harald Strutz sitzt als DFB-Vizepräsident für den Ligaverband auch mit am Tisch. Mit einem Rücktritt von Wolfgang Niersbach ist allerdings nicht zu rechnen. Nach Informationen dieser Zeitung gibt es aktuell keine größere Gruppe im Präsidium, die den DFB-Chef aufgrund des im Raum stehenden Vorwurfs der Steuerhinterziehung zum Rückzug auffordern würde. Was die Öffentlichkeit kritisch sieht. In einer Emnid-Umfrage sprachen sich kürzlich knapp zwei Drittel der Befragten für einen Rücktritt aus.

Chronologie der DFB-Affäre

16. Oktober

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) räumt in einer Pressemitteilung Ungereimtheiten rund um eine Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Weltverband FIFA ein.

16. Oktober

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, dass für den Zuschlag der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen ist, um damit vier entscheidende Stimmen im FIFA-Exekutivkomitee zu kaufen. Das Geld soll vom damaligen Adidas-Boss Robert Louis-Dreyfus gekommen sein.

16. Oktober

Der DFB weist den "Spiegel"-Bericht als haltlos zurück.

17. Oktober

Fedor Radmann, ehemaliger Vizepräsident des WM-Organisationskomitees, weist den Vorwurf des Stimmenkaufs zurück.

17. Oktober

Erstmals äußert sich Niersbach zu den Vorwürfen: "Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat."

18. Oktober

Franz Beckenbauer meldet sich zu Wort und dementiert den "Spiegel"-Bericht: "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat."

19. Oktober

Die Staatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren. Als mögliche Tatbestände nennt eine Sprecherin Betrug, Untreue oder Korruption.

19. Oktober

Niersbach weist die Korruptionsvorwürfe erneut vehement zurück, räumt aber erstmals "den einen offenen Punkt" ein: "Dass man die Frage stellen muss, (...) wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden."

19. Oktober

Ex-DFB-Boss Theo Zwanziger äußert Zweifel an der internen Aufarbeitung des DFB.

21. Oktober

Die DFB-Landesverbände fordern von Niersbach eine schnelle Aufklärung der Korruptionsvorwürfe.

22. Oktober

Niersbach tritt in Frankfurt sichtlich erschöpft vor die Presse und bringt nur wenig Licht ins Dunkel um die WM 2006.

23. Oktober

Das DFB-Präsidium stärkt Niersbach den Rücken, hält aber "strikt daran fest [...], dass lückenlos aufgeklärt wird."

23. Oktober

Zwanziger bezichtigt Niersbach der Lüge und bestätigt im "Spiegel" erstmals die Existenz einer schwarzen Kasse "in der deutschen WM-Bewerbung". Es sei "ebenso klar, dass der heutige Präsident des DFB davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005."

26. Oktober

Beckenbauer räumt in der Affäre erstmals einen "Fehler" ein. Das Organisationskomitee hätte nicht auf einen Vorschlag der FIFA-Finanzkommission eingehen dürfen, um einen Finanzzuschuss zu bekommen, teilte der damalige OK-Präsident mit.

27. Oktober

Die vom DFB beauftragte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erklärt, mit Ergebnissen in der Affäre sei nicht schnell zu rechnen.

28. Oktober

Zwanziger sagt vor den externen Ermittlern der Anwaltskanzlei aus: "Ich habe dort alle meine Dokumente vorgelegt, meine Anmerkungen und meine Einschätzungen präsentiert."

3. November

Die Staatsanwaltschaft führt beim DFB in Frankfurt/Main eine Steuer-Razzia durch. Zudem durchsucht sie die Wohnungen von Niersbach und Zwanziger. Die Beamten ermitteln im Zusammenhang mit 6,7-Millionen-Euro-Zahlung wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall.

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Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei befragte Niersbach

Die in der WM-Steueraffäre vom DFB beauftragte Düsseldorfer Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer befragte Niersbach am Donnerstag zu den Vorwürfen. Franz Beckenbauer, Dr. Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt, Günter Netzer und auch Fedor Radmann stehen als Mitglieder des WM-Organisationskomitees von 2006 ebenso auf der Befragungsliste. Gleichwohl ist das Quintett nicht verpflichtet, sich dieser Untersuchung zu stellen.

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Anders sieht das bei den parallelen staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen einer möglichen Steuerhinterziehung aus. Diese gelten als juristischer Griff, um die ominöse 6,7-Millionen-Euro-Zahlung von Ex-Adidas-Chef Louis-Dreyfus an den DFB und von dort „zurück“ auf ein Fifa-Konto in der Schweiz im Jahr 2005 zu klären. Vorladungen des Staatsanwalts können hier nicht ausgeschlagen werden.

Niersbach droht Sperre durch Fifa

Weil die Zahlung erst in der DFB-Steuererklärung für 2006 als Kulturprogramm, das jedoch nie stattgefunden hat, und damit wohl als unzutreffende Betriebsausgabe steuermindernd angegeben war, ist eine strafrechtliche Verfolgung möglich. Was je nach Betrugsschwere auch Gefängnis bedeuten kann. Aus dem Schneider wäre man steuerstrafrechtlich erst nach zehn Jahren.

Bis Ende November soll das Ergebnis der Wirtschaftskanzlei Freshfields formuliert sein. Dann droht Präsident Niersbach weiteres Ungemach. Die Fifa-Ethikkommission interessiert sich ebenfalls für die 6,7-Millionen-Euro-Zahlung. Das Gremium könnte, wie im Falle von Fifa-Chef Sepp Blatter und Uefa-Boss Michel Platini, eine befristete Sperre gegen Niersbach verhängen. Der interne Plan B scheint dieser zu sein: Ligapräsident Reinhard Rauball soll mit DFB-Vize Rainer Koch eine Interimsdoppelspitze bilden.

Übrigens:

Auch die Vertreter der fünf Regional- sowie der 21 Landesverbände, darunter der Niederrhein und Westfalen, werden am Montag ab 16.30 Uhr in Frankfurt den Stand der unerfreulichen Dinge von Präsident Wolfgang Niersbach persönlich erfahren.

Gleichwohl plant der Präsident, am Donnerstag mit der Nationalmannschaft zum Testländerspiel gegen Frankreich (Freitag, 21 Uhr) nach Paris zu reisen. Zuvor steht noch eine Sitzung bei der Uefa in Nyon/Schweiz auf dem Plan.

Fragen und Antworten zur DFB-Affäre

Worum geht es in der Affäre?

Im Zentrum des Skandals stehen 6,7 Millionen Euro. Nach Darstellung des DFB hat der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus diese Summe im Jahr 2002 für das deutsche Organisationskomitee an den Weltverband FIFA überwiesen. Die nach wie vor ungeklärten Fragen sind: Wer genau erhielt dieses Geld? Wozu brauchten die deutschen WM-Macher die Hilfe von Louis-Dreyfus? Bislang gibt es für die ominösen 6,7 Millionen weder Belege noch einen Zahlungseingang bei der FIFA. Laut DFB und OK-Chef Franz Beckenbauer floss das Geld, um sich einen Organisationszuschuss der FIFA zu sichern. Die anderen Theorien sind: Mit dem Geld wurden Stimmen für die WM-Vergabe gekauft oder der mittlerweile gesperrte FIFA-Chef Joseph Blatter unterstützt. Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geht es jetzt um die vermeintliche Rückzahlung der 6,7 Millionen an Louis-Dreyfus drei Jahre später. Die wurde vom WM-OK zur Tarnung als Beitrag für eine FIFA-Gala deklariert, die später nie stattfand. Auch bei dieser Zahlung liegt bislang fast alles im Dunkeln. Ob und auf welchen Kanälen das Geld vom DFB über die FIFA wieder bei Louis-Dreyfus angekommen sein könnte, ist weiterhin offen.

Gegen wen ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Im Visier stehen der amtierende DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der damals Vizepräsident des Organisationskomitees war, sein Präsidenten-Vorgänger und OK-Schatzmeister Theo Zwanziger sowie Horst R. Schmidt. Dieser war geschäftsführender Vizepräsident des OK und bis 2007 Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes.

Weshalb ermittelt nun die Staatsanwaltschaft?

Den Beschuldigten wird vorgeworfen, "die Einreichung inhaltlich unrichtiger Steuererklärungen veranlasst" und damit Körperschafts- und Gewerbesteuern sowie den Solidaritätszuschlag für das Jahr 2006 "in erheblicher Höhe" hinterzogen zu haben. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ermittler soll eine Zahlung des OK im Frühjahr 2005, die als Kostenbeteiligung an der FIFA-Gala deklariert war, als Betriebsausgabe steuermindernd geltend gemacht worden sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Zahlung in Wirklichkeit einem anderen Zweck hatte. Damit wäre sie keine abzugsfähige Betriebsausgabe mehr gewesen. Die Zahlungszusage des OK vom 19. April 2005 wurde von Zwanziger und Schmidt unterzeichnet.

Weshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht auch gegen den damaligen OK-Präsidenten Franz Beckenbauer?

Das ist bislang unklar. Die wahrscheinlichste Erklärung: Beckenbauer und sein enger Vertrauter Fedor Radmann wohnen in Österreich bzw. der Schweiz und damit außerhalb des Zugriffsbereichs der Ermittler.

Was droht den Beschuldigten?´

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall aufgenommen. Steuerhinterziehung ist in Paragraf 370 der Abgabenordnung geregelt, darin heißt es in Absatz 5: "In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren."

An welchen Stellen wird sonst noch ermittelt?

Die Affäre dürfte den deutschen Fußball noch lange Zeit in Atem halten. Die vom DFB selbst in Auftrag gegebene Ermittlung durch die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer soll noch "einige Wochen" dauern. Auch an der Unabhängigkeit dieser Untersuchung gibt es mittlerweile massive Zweifel - es gibt eine private Verbindung zwischen einem engen Niersbach-Mitarbeiter und einem der Partner von Freshfields. Auch bei der FIFA sind noch zahlreiche externe Juristen erst am Anfang ihrer Untersuchungen. Bundesinnenministerium und Kanzleramt lassen derzeit intern ihre Akten zur WM 2006 prüfen.

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