Bremen. . Bayer Leverkusen sieht sich mit dem 3:0-Erfolg in Bremen bestens gewappnet für die Herausforderung in der Champions League beim FC Barcelona.
Nein, Ärger hat Kevin Kampl im Weserstadion hinterher keinen bekommen. Aber es war ernsthafte Sorge des Rückkehrers mit dem sorgsam blondierten Haupthaar möglicherweise in Bremen in die Bredouille zu gekommen, weil der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen nun einmal das Spielgerät wie auf dem Präsentierkeller durch die Katakomben der Ostkurve trug. „Den habe ich direkt nach dem Abpfiff stibitzt. Ich hoffe, es kommen keine Beschwerden. Ich habe ja keinen gefragt“, beschied der 24-Jährige mit breitem Grinsen. Die Kunststoffkugel trug er als Trophäe für sein erstes Bundesligator in der Armbeuge herum.
Dass Kampl mit feinem Schlenzer als Einwechselspieler den Schlusspunkt zum mühelosen 3:0 beim wehrlosen SV Werder setzte, passte ins fröhliche Bild, mit dem die rheinische Reisegruppe die norddeutsche Tiefebene verließ. Drei Punkte im Gepäck und eine Portion Selbstvertrauen, wenn bereits heute der Flieger Richtung Barcelona geht. Zum Champions-League-Gruppenspiel beim Titelverteidiger (Dienstag ab 20.45 Uhr im Live-Ticker). Auch wenn das Star-Ensemble durch den Ausfall von Lionel Messi seiner prominentesten Kraft beraubt ist, kann das die Vorfreude im Bayer-Tross nicht schmälern. Für Kampl geht mit dem Auftritt im Camp Nou ein Herzenswunsch in Erfüllung: „Von einem solchen Match träumt jeder Fußballer. Wir wissen um die Stärke des Gegners, aber wir wollen einfach unser Spiel auf den Platz bringen.“
Personaltausch ohne größeren Qualitätsverlust
Mit den Siegen gegen Mainz (1:0) und Werder ist die kleine Sinnkrise ist überwunden. In der Bundesliga liegt Leverkusen wieder im Soll. „Wir wissen doch, was wir können“, meinte Sportchef Rudi Völler, der seine „Dornröschenschlaf“-Ansage vom vergangenen Sonntag durchaus als Weckruf verstanden haben wollte. „Es ist wichtig, dass wir gewisse Dinge nicht unter den Tisch kehren. Die Mannschaft hat eine gute Antwort gegeben. Dass wir gewinnen, wenn wir so stark rotieren, freut mich besonders.“ Trainer Roger Schmidt hatte Ramalho, Wendell, Kampl, Calhanoglu und Chicharito auf die Bank gesetzt – der fünffache Personaltausch ging ohne größeren Qualitätsverlust vonstatten. Besonders sehenswert, wie nach dem 1:0 von Admir Mehmedi (31.) ausgerechnet der in Bremen geborene Julian Brandt die Kugel über die Mauer zum 2:0 ins Tor hob (58.).
Für Schmidt ist der 19-Jährige nicht nur ein „toller Fußballer“, sondern auch ein schönes Beispiel, wie unter dem Bayer-Kreuz Toptalente reifen können. „Julian entwickelt sich in schnellem Tempo. Er hat ein tolles Spielverständnis, eine entsprechende Dynamik und eine hervorragende Mentalität.“ Dass Brandt mit seinem Freistoßtor die eigentlich Hakan Calhanoglu zugedachten Freistoßkünste („Ich freue mich für Julian“) kopierte, überraschte selbst Schmidt. „Eine sehr schwierige Entfernung, ein sehr wichtiger Moment.“
Kramer will sich keine kostenlose Lehrstunde abholen
Gleichwohl: Das Duell gegen Barça wird ein komplett anderes Spiel. 63 Prozent Ballbesitz und 17 Torschüsse wird der Gegner nicht zulassen. Aber Profis wie der reif aufspielende Christoph Kramer haben nicht vor, sich bei den Katalanen eine kostenlose Lehrstunde erteilen zu lassen: „Wir fahren da nicht hin, um vorher schon die Punkte abzugeben.“ Darauf habe die Mannschaft doch die ganze Saison hingearbeitet, meinte der Weltmeister. „Das müssen wir auch ein Stück weit genießen.“
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Kapitän Lars Bender hatte dieselbe Empfehlung: „Wir müssen jetzt versuchen, dort noch mutiger zu sein.“ Ein guter Rat eingedenk der Vorgeschichte. Im März 2012 bezog Bayer Leverkusen im Achtelfinale eine Abreibung von historischem Ausmaße. 1:7 kam die damals noch von Robin Dutt befehligte Werkself unter die Räder. Der Imageschaden – nicht nur für Dutt - war gewaltig, auch wenn sich die Fußball-Welt vor Messis Fünferpack verneigte. „Daraus haben wir unsere Lehren gezogen. Unsere Mannschaft von damals ist mit der heute nicht zu vergleichen“, glaubt Bender, der tatsächlich mit Torwart Bernd Leno, Stefan Kießling und Karim Bellarabi nur einen von vier verbliebenen Akteuren darstellt, die damals mit staunenden Mündern auf dem Platz standen. Souvenirjäger, spotteten damals viele Kritiker, hätten sich kaum anders verhalten. Kevin Kampl sollte also gut überlegen, ob es auch aus Barcelona unbedingt ein Erinnerungsstück braucht.