Julius Weckauf aus Jüchen begeistert ganz Deutschland. Er spielt im Kinofilm “Der Junge muss an die frische Luft“ den jungen Hape Kerkeling.
Es ist Freitagnachmittag, Mitte Januar. Leicht nebeliges Nieselwetter am Niederrhein. Auch in Hochneukirch, einem Ortsteil von Jüchen. Dort, im Schreibwaren- und Büchergeschäft der Familie Weckauf, suchen die Kunden in Ruhe etwas zu Lesen aus, versenden Pakete oder geben ihre Lotto-Tipps ab. Zeit für ein Pläuschchen untereinander und auch mit Bernd und Simone Weckauf, den Inhabern des Geschäfts, gehört selbstverständlich dazu. Wozu auch Hektik? Hier in Hochneukirch auf dem Lande hat man Zeit für ein Gespräch. Auch mit Julius, dem jüngsten Sohn der Weckaufs. Der Junge kennt die Kunden, und sie kennen ihn. Eine ältere Frau strahlt ihn beim Hinausgehen an und streicht ihm über den Kopf. Seine Fröhlichkeit, seinen Witz und sein aufgewecktes Wesen weiß man hier schon lange zu schätzen.
Lachen und weinen
Seit dem 25. Dezember 2018 begeistern sich Millionen Menschen in Deutschland dafür, Tendenz immer noch steigend. Denn seitdem ist Julius Weckauf als junger Hape Kerkeling in Caroline Links Verfilmung des Beststellers „Der Junge muss an die frische Luft“ auf der Leinwand zu sehen. Auch Schauspielgrößen wie Joachim Król und Hedi Kriegeskotte sind dabei, und sie sind gut. Aber Julius ist die Seele und das Zentrum dieses tief berührenden Films, in dem sich unglaublich komische Szenen mit herzzerreißend tragischen Momenten abwechseln. Der Film schafft diese Gratwanderung, gleitet nie ins Kitschige ab. Das verdankt sich vor allem der natürlichen Unbefangenheit des heute Elfjährigen, der zuvor noch nie mit Schauspielerei oder Film in Berührung gekommen war.
Die Rolle passt zu ihm
Es waren Kunden von Bernd und Simone Weckauf, die ihnen von einem Casting erzählten, in dem der Darsteller des jungen Hans Peter Kerkeling gesucht werde. Unabhängig voneinander waren gleich mehrere Jüchener der Meinung, der Julius wäre die Idealbesetzung für diese Rolle. Tatsächlich schaffte es der Junge, sich gegen Hunderte von Mitbewerbern durchzusetzen. Sein Erfolgsgeheimnis: Er blieb einfach so, wie er war. Um einen gewitzten Jungen zu spielen, musste Julius sich nicht verstellen. Diese Natürlichkeit und Spielfreude ist es, die seine Darstellung im Film so anrührend und überzeugend macht.
Kartoffeln von Opa
Julius hat eine positive Ausstrahlung und kann gut auf Menschen zugehen, sie erheitern, für etwas begeistern. Das zeigte sich schon, als er fünfjährig Passanten selbst gezogene Kartoffeln seines Großvaters anbot. „Da hat sogar jemand gesagt, eigentlich habe ich schon Kartoffeln, aber Du machst das so toll, dass ich noch welche nehme“, berichtet er. Julius hat ebenso wie Kerkeling ein inniges Verhältnis zu seinen Großeltern, ohne dass diese als Elternersatz einspringen müssen. Denn Bernd und Simone Weckauf sind immer für ihre drei Kinder da. „Nesthäkchen“ Julius begleiteten sie während der gesamten 45-tägigen Dreharbeiten. Sie opferten ihre knapp bemessene freie Zeit und Julius seine kompletten Sommerferien für das Spielfilm-Projekt. Dass die Familie von der gesamten Film-Crew um Regisseurin Caroline Link voll integriert wurde, machte die Dreharbeiten für alle zu einem unvergesslichen Erlebnis.
WestLotto-Sonnencreme
Als es einmal bei den Dreharbeiten hieß, alle sollten sich gut eincremen wegen Außenaufnahmen bei Sonnenschein, wird Julius aktiv. Er erinnerte sich an die kleinen Sonnencremetuben in der Annahmestelle seiner Eltern, kleinen Werbegeschenken von WestLotto. Julius meinte dann vor der versammelten Mannschaft: „Im Laden von meinem Papa gibt es gerade Sonnencreme. Die kann ich für alle mitbringen, dann kann uns nichts passieren.“ Außerdem fand der 2007 Geborene die Atmosphäre der Siebziger Jahre, die er in Kulissen, Garderobe, Musik oder Requisiten des Films erlebte „megacool“. Zeitreisen kann man schließlich nicht jeden Tag unternehmen.
Umgekehrter Karneval
Sich verkleiden, maskieren, in andere Rollen schlüpfen, das spielt in „Der Junge muss an die frische Luft“ eine entscheidende Rolle. Das Publikum erlebt die Geburt eines großen Comedians, der schon als Kind ein wunderbares Repertoire an schrägen Figuren entwickelt und darstellt. Der damals neunjährige Julius verkörpert den emsigen Hans Peter überzeugend. Sogar eine kindliche Vorstufe des späteren Horst Schlämmer gelingt ihm in einem Sketch. Diese Figur von Kerkeling ist bei den Weckaufs besonders beliebt. Kein Wunder, liegt doch Schlämmers „Wirkungsstätte“ Grevenbroich gleich neben Jüchen. Ein Faible fürs Verkleiden hat übrigens auch Julius als Karneval-Fan. In seinem Heimatort wird „die 5. Jahreszeit“ auf ungewöhnliche Weise gefeiert. Dort ziehen am Rosenmontag verkleidete Gruppen von Kindern und Jugendlichen durch den Ort. Unterwegs werden den Narren Bonbons und Kamelle von den Wartenden an der Zugstrecke zugeworfen.
Zukunft offen
Wer Julius in seinem häuslichen Umfeld erlebt, merkt, dass kein Grund zur Sorge besteht, ob die plötzliche Berühmtheit nicht doch schädliche Auswirkungen auf das Kind haben könnte. Die Eltern schützen ihn vor zu viel Medienrummel. Simone Weckauf bringt es auf den Punkt. „Unsere ganze Familie, die Nachbarn, eigentlich alle im Ort freuen sich für Julius über seine tolle Leistung und die positive Resonanz darauf. Aber alle behandeln ihn genau wie vorher. Bei uns bleibt alles so, wie es ist.“ Der weitere Weg von Julius ist keineswegs auf die Schauspielerei festgelegt. Den großen Erfolg darf er jetzt erst einmal gemeinsam mit seiner Familie unbeschwert genießen. Dabei bleibt Julius bodenständig und voller Witz. Er nimmt den sechsjährigen Familienhund Gretchen an die Leine, öffnet die Ladentür und zwinkert uns zu: „Auch der Hund muss mal an die frische Luft.“