Essen. . Er kann Pantomime spielen, High Five geben, tanzen und Witze reißen. Pepper ein Roboter, der im Marienheim Siegen-Weidenau ältere Menschen unterhält.
1,20 Meter ist er groß und bewegt sich auf Rollen. Seine großen Augen sehen freundlich aus und leuchten in verschiedenen Farben. Er ist extra kindlich konstruiert, damit Menschen keine Angst vor ihm haben. Wenn man ihm über den Kopf streichelt, fängt er an zu kichern und spricht: „Ich bin heute so kitzelig.“ Pepper ist ein Roboter und seit gut sechs Monaten immer wieder im Marienheim Siegen-Weidenau, eine Tochtereinrichtung des St. Marien-Krankenhauses Siegen, unterwegs. Dort unterhält er ältere Menschen, übt mit ihnen Rätsel raten, spielt Musik und vertreibt mit ihnen die Zeit, wenn die Pfleger mit anderen Aufgaben beschäftigt sind.
Pepper hat Sensoren am Kopf und an den Fingern, kann hören, sehen, sprechen und sogar Stimmlagen und Emotionen erkennen. Entwickelt wurde der Roboter in Frankreich, dann nach Japan verkauft und auf den Massenmarkt gebracht. An der Universität Siegen lernt Pepper, wie er im deutschen Pflegealltag eingesetzt werden kann.
Roboter Pepper bricht das Eis
Die Heimleitung und das Pflegepersonal waren sofort begeistert, die Bewohner am Anfang eher skeptisch. Spätestens nachdem Pepper das Alter der Senioren erraten sollte und manchmal um ein paar Jahrzehnte daneben lag, war das Eis gebrochen. „Die Erfahrung zeigt, dass die Senioren sehr schnell neugierig werden und merken, dass sie Spaß mit Pepper haben können und dadurch steigt sofort die Akzeptanz“, erzählt Projektleiter Dr. Rainer Wieching. Wenn Pepper zum Beispiel anfängt zu tanzen, schauen sich die Senioren die Bewegungen ab und machen dann lachend die Armbewegungen oder Tai-Chi Übungen nach.
Die Muttergesellschaft des Marienheims, das St. Marien-Krankenhaus Siegen, gehört im Bereich der Robotic zu den Pionieren in Deutschland. „Deswegen war die Teilnahme an diesem innovativen Projekt für eine Einrichtung aus unserer Sparte Altenhilfe ein folgerichtiger Schritt“, so Diana Ruhmöller, Leiterin der Altenhilfe des Siegener Gesundheitsunternehmens.
Pepper verleiht gute Laune
Pantomime kann Pepper schon jetzt spielen. Die Senioren können raten und ihre Antwort auf Peppers Tablet eintippen, das am Bauch befestigt ist. In Anlehnung an das Galgenmännchen-Spiel können sie es so lange versuchen, bis das Galgenmännchen komplett ist. „In Gesprächen mit den Senioren und den Pflegekräften haben wir erfahren, dass die älteren Menschen vor allem Gedächtnis-Spiele ausprobieren möchten, um sich die Zeit zu vertreiben. Also haben wir extra für diese Bedürfnisse etwas programmiert“, erklärt Dr. Wieching. Eine studentische Gruppe aus dem HCI-Masterstudiengang hat in seinem Seminar die Funktionen dafür entwickelt. „Uns ist besonders wichtig, dass wir immer vorab mit den Nutzern sprechen, um deren Bedürfnisse und Alltagspraktiken zu erfahren. Wir können uns nur bedingt in ihre Welt hineinversetzen, also sagen die Senioren und Pflegekräfte uns, was sie sich wünschen und was ihr Leben einfacher machen kann.“
Pepper soll nicht nur gute Laune verbreiten. Er soll den Senioren in Zukunft auch dabei helfen, körperliche Übungen zur Prävention von Stürzen durchzuführen. Der Roboter soll die Senioren aktiv ansprechen und zum Mitmachen motivieren, die Übungen erklären und mit positiven Kommentaren oder Tipps helfen.
Roboter sollen Pflegekräfte niemals ersetzen
In Japan ist der demographische Wandel bereits deutlich weiter fortgeschritten als im Rest der Welt. Dort arbeitet Pepper auch schon in Shops und Supermärkten, zeigt den Kunden den Weg zum Produkt oder informiert über Preise und Inhaltsstoffe. Manche Familien haben ihn sogar schon privat gekauft und leben mit ihm zu Hause. Generell seien Japaner Robotern gegenüber anders eingestellt als Deutsche, sagt Dr. Wieching und erklärt die kulturellen Unterschiede: „Viele Japaner glauben, dass auch Dinge eine Seele haben können, Roboter also auch. Deutsche fühlen sich eher durch die Technik bedroht und haben Angst, dass der Roboter wie im Science-Fiction Film dem Menschen gefährlich werden kann.“ Viele Pflegekräfte hätten auch Bedenken, dass die Roboter ihnen Arbeitsplätze wegnehmen würden. „Wir wollen Pflegekräfte niemals ersetzen“, sagt Wieching. Roboter und Menschen sollten vielmehr hybride Teams bilden und sich gegenseitig ergänzen.
Damit das klappt, müssten die Pflegekräfte den Roboter einfach und schnell über eine App auf die Bedürfnisse der Patienten einstellen können. Der Roboter muss sich gegenüber einer dementen Person zum Beispiel anders verhalten als bei jemanden, der nicht mehr gut gehen kann. „Das Ziel muss sein, dass Laien ohne Programmier- oder IT-Kenntnisse Pepper bedienen und konfigurieren können“, meint der Projektleiter. Daran arbeiten er und sein Team.
Was passiert, wenn Roboter immer stärker in unser Privatleben eintreten?
Das Rad neu erfinden, wollen sie bei alldem nicht. Die Siegener setzen vor allem auf Kooperationen mit der Fachhochschule Kiel und der Waseda Universität in Tokio, Japan. Die japanischen Partner forschen gerade daran, wie die Akzeptanz der Menschen gegenüber Robotern im Alltagsleben noch erhöht werden kann, wenn diese zum Beispiel spirituelle Musik oder religiöse Symbole aus dem japanischen Kulturkreis benutzen, um die Menschen besser zu erreichen. „Wir müssen noch viel gemeinsam forschen, bis die Roboter uns semi-autonom oder sogar in Teilbereichen voll-autonom in der Pflege unterstützen können“, sagt Dr. Wieching. Es gehe in der Zukunft dann viel mehr auch um ethische, rechtliche und soziale Fragestellungen, nicht nur um Robotik-Programmierung.