Bochum. "Computerspiele? Kultur? Wie soll das gehen?” Ein Passant deutet auf das Plakat der Living Games-Veranstaltung. Genau so etwas möchte das erste Kultur- und Kreativfestival in Europa erreichen. Kontroverse: ja. Diskussion: unbedingt.

Vor den Toren der Jahrhunderthalle in Bochum ist die Verwunderung groß. Alles dreht sich um Computer- und Videospiele – und die haben es in der Öffentlichkeit mitunter nicht leicht. Jahrelang ging es wenig inspiriert um „Killerspiel”-Klischees: Verbote. Einschränkungen. Gamer und Politik redeten hier scheinbar ordentlich aneinander vorbei. Das Thema dreht sich inhaltlich nämlich mächtig im Kreis. Doch mittlerweile kommt Bewegung in die festgefahrene Situation.

„Das hat Kraft gekostet”, sagt Stephan Reichart, Chef der Aruba Studios in Mülheim. Er hat das Living Games Festival aus der Taufe gehoben und wirkt zudem als Präsident des Branchenverbandes G.A.M.E. Computerspiele sollen selbstbewusst die Kulturbühne erklimmen. Für die Branche ein erster wichtiger Schritt, um der Daddel-Welt zu einer stärkeren Ernsthaftigkeit zu verhelfen. Living Games wird vom Land NRW gefördert.

Kulturelle Gleichberechtigung von Computerspielen

Da passt es gut, dass mit Dieter Gorny ein Schwergewicht der kulturellen Szene mit in den Ring steigt. Der Direktor für Kreativwirtschaft zur Kulturhauptstadt 2010 diskutiert in der Jahrhunderthalle über die Chancen der Gamesbranche. Und hört man genau hin, so steht einer kulturellen Gleichberechtigung von Computerspielen wenig im Wege. Die Gründe dafür klingen plausibel: Bei Games existieren komplexe Charakterentwicklungen, ausgearbeitete Storyboards und kunstvolle Gestaltung. Auch der Deutsche Kulturrat sendete bereits positive Signale.

Dennoch: Woran mangelt es, dass die Begriffe Ego-Shooter und Counter-Strike oftmals ungefiltert als Amoklauf übersetzt werden? „ Es mangelt wohl an Aufklärung – gerade bei Leuten, die mit dem Thema nicht groß geworden sind”, sagt Peter Weber (30), freier Autor und Besucher des Festivals.

Reichart: „Ich habe gerade ein älteres Ehepaar getroffen. Die Leute haben sich hier informiert: Was spielen meine Kinder da eigentlich?” Natürlich gebe es auch bei Computerspielen Qualitätsunterschiede. Und es existieren Titel, die für Kinder eben nicht geeignet seien. Doch genau dies sei etwa bei Filmen auch der Fall. „Wir wollen eine Diskussionskultur über Games erreichen, um Computerspiele als Kulturgut mit Filmen oder Musik auf die gleiche Stufe zu stellen.”

2009 soll Living Games wiederholt werden

Thematisch findet sich dies in der Jahrhunderthalle bei verschiedenen Vorträgen wieder: Es geht um die Entwicklung virtueller Welten, künstliche Intelligenz oder Berufsbilder in der Spieleentwicklung. Reichart: „Wir wollen auch erklären, wie Computerspiele funktionieren.” Aufklärungs-Ansätze.

Außerdem besteht die Gelegenheit, um Spiele direkt anzutesten. Einige Besucher rütteln ordentlich am Guitar Hero-Instrument. Andere testen ihre Fitness an der Wii. eSport ist ein Element des Festivals: Um das Phänomen der wettbewerbsmäßig organisierten Gamer zu erklären, gibt es auch hier das passende Diskussionsforum. Tenor: "Die Anzahl der virtuell agierenden Athleten wird in den nächsten Jahren weiter stark ansteigen."

Es sind Diskussionen, die in der breiten Öffentlichkeit noch am Anfang stehen: Im Mai 2009 soll Living Games in der Jahrhunderthalle wiederholt werden – dann spekulieren die Macher auch auf eine größere Resonanz. Rund 480 Besucher kamen zur Premiere. Bei der zweiten Auflage soll ein Talentcamp installiert werden, bei dem internationale Nachwuchsentwickler mit nationalen Nachwuchsentwicklern in gemeinsamen Workshops agieren.

Zudem sollen internationale Toptitel mit Auszeichnungen versehen werden. Der Wettbewerb soll sich dann an der Goldenen Palme orientieren. Reichart: „Wir wollen den Leuten klarmachen, dass Games mehr als nur Unterhaltung und Spaß bedeuten.”

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