Essen. Die Bundestagswahl rückt näher und die Zahl der Fake-Nachrichten wächst. So gefährlich sind gefälschte Fotos oder Videos im Netz.

Beginnen wir mit der Königsdisziplin. Den sogenannten Deepfakes. Das sind mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) erstellte Videos, die kaum von echten Aufnahmen zu unterscheiden sind. Diese Art der Falschinformation gibt es schon länger, es ist nur immer unkomplizierter, sie zu verbreiten. „Die Gefahr von Deepfakes liegt unter anderem daran, dass sie zunehmend einfacher erstellt werden können und gleichzeitig immer bessere Qualität haben“, warnt Dominique Geißler, Forscherin an der LMU München. „Während früher noch Expertenwissen nötig war, können heute auch Laien überzeugende Fälschungen produzieren.“

„Meine Damen und Herren, wir verachten Sie! !

Sie können etwa Personen Dinge sagen oder tun lassen, die nie passiert sind. Das musste auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am eigenen Leib erfahren. Da postete der schleswig-holsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt auf Instagram ein kurzes Video auf, in dem Merz sagt: „Meine Damen und Herren, wir verachten Sie! Und wir verachten die Demokratie.“ Tatsächlich hatte Merz diese Aussage nie getätigt, das Video stammt von einem Satire-Kanal, der Merz die Worte unterjubelte. Auch Olaf Scholz hat es schon ein paar Mal erwischt. Mal versucht er sich am Line-Dance, mal als Boxer. Ernster war das angebliche, vom Kanzler verkündete Parteiverbot der AfD, für das man eine alte Rede von ihm änderte.

Manchmal reicht auch eine kurzes, unscharfes Video, um Menschen zu manipulieren.
Manchmal reicht auch eine kurzes, unscharfes Video, um Menschen zu manipulieren. © dpa-tmn | Weronika Peneshko

Oft aber sind es gar nicht die perfekten Deepfakes, die den größten Schaden anrichten. „Es müssen nicht technisch perfekte Manipulationen sein, die große Wirkung entfalten“, weiß Geißler. Meist reicht auch ein „Cheapfake“, wie Experten es nennen. Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat, ein geschickt geschnittenes Video, ein veränderter Kontext – „es geht darum, einen emotionalen Eindruck bei den Menschen zu hinterlassen, der sich durch Fakten und Richtigstellen nur schwer wieder korrigieren lässt“, sagt Geißler

Gesundheitsminister Lauterbach in Handschellen

Wie das geht, zeigt ein Video, das über den offiziellen Kanal der AfD verbreitet wurde und unter anderem sekundenlang zeigt, wie SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach von Polizisten abgeführt wird und Robert Habeck, Kanzlerkandidat der Grünen, Laub im Park aufsammelt - untermalt mit der Aussage, Politiker müssten Verantwortung übernehmen, wenn sie das Land vorsätzlich in den Ruin führen. Tausendfach geschaut und weiter geschickt. Auch das ist nach Einschätzung von Geißler nicht ungefährlich. „Die Forschung zeigt, dass die wiederholte Konfrontation mit denselben Inhalten dazu führen kann, dass wir Falsches für wahr zu halten, selbst wenn wir ursprünglich skeptisch waren.“ Die sozialen Medien verschärften das Problem zusätzlich. „Falschinformationen verbreiten sich hier rasend schnell, während Richtigstellungen oft nur einen Bruchteil der Menschen erreichen. Das schafft eine gefährliche Dynamik.“

Fake News lauern im Bundestagswahlkampf überall
Fake News lauern im Bundestagswahlkampf überall © IMAGO/depositphotos | Rafapress

Wie sich zum Beispiel an dem Foto einer Kindergartengruppe in Begleitung einer Polizistin zeigt. Der Facebook-Kanal der AfD Mayen-Koblenz verbreitete das Bild mit dem Kommentar: „Willkommen im besten Deutschland aller Zeiten: Kindergartengruppen mit Polizeischutz!“ Diese Aussage suggerierte bei Zigtausenden, dass Kindergartengruppen in Deutschland aufgrund der Sicherheitslage nur noch mit Polizeischutz Ausflüge machen könnten. Die Richtigstellung der Polizei, dass es sich lediglich um den Besuch einer Kindergartengruppe auf einer Dienststelle handelte, bei dem die Kinder die Streifenfahrzeuge und die Ausrüstung besichtigen durften, ging im Trubel unter.

„Wer eine stabile Meinung hat, fällt nicht um“

Auch mancher Landeswahlleiter hat Erfahrung mit Falschinformationen machen müssen. Es gäbe eine Wahlpflicht in Deutschland, ist eine dieser Feststellungen. Oder dass eine Unterschrift auf dem Wahlzettel die abgegebene Stimme verdoppele. Stimmt natürlich beides nicht. Genau wie die Behauptung, unfrankierte Briefwahlunterlagen würden nicht gezählt.

Viele dieser Falschbehauptungen kommen aus dem Ausland. Insbesondere Russland, da sind sich die meisten Experten einig, hat seine Desinformations-Maschinerie perfektioniert. Ferdinand Gehringer, Cybersicherheits-Experte bei der CDU nahen Konrad-Adenauer-Stiftung glaubt – Stand jetzt - allerdings trotzdem nicht, dass die bevorstehende Bundestagswahl durch solche Kampagnen entschieden wird. Damit könne man nur Menschen manipulieren, die noch unentschlossen sind oder ohnehin in die beworbene Richtung tendieren. „Wer eine stabile andere Meinung hat, fällt durch so etwas nicht um“, betont Gehringer.

Die Deepfakes machen aber auch ihm langfristig Sorgen. „Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“, ist er überzeugt. „Irgendwann werden sie so gut sein, dass selbst Experten sie nicht mehr erkennen.“ Was nach Einschätzung von Dominique Geißler ein ganz neues Problem aufwirft. „Das Wissen um die Existenz solcher Deepfakes kann auch dazu führen, dass echte Aufnahmen als Fälschungen abgetan werden.“ Daher sei es wichtig, in die digitale Bildung zu investieren: „Menschen müssen lernen“, sagt Geißler, „Medieninhalte kritisch zu hinterfragen.“

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