Köln. Frauen, die ihren Körper verkaufen und leise leiden, Männer, die nicht nachdenken: Der Kölner „Tatort: Siebte Etage“ - ein Seelendrama.
In der siebten Etage stehen sie in knappen Kostümen neben den Zimmereingängen und warten auf ihre Freier. „Alle Frauen sind freiwillig hier, Zuhälter sind unerwünscht“, beteuert der Geschäftsführer im Eros-Center. Mag schon sein: Aber natürlich ist es nicht die problemfreie Zone, als die sie sich den ermittelnden Polizisten gerne verkaufen möchte. Und jetzt hat auch noch irgendwer den Haustechniker von der Fensterbank in die Tiefe gestoßen. „Siebte Etage“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) - ein Fall, dessen Zutaten man sofort dem „Kölner Tatort“ zuordnet, der sich von jeher in Gesellschaftsstudien verguckt hat.
Milieu-Analyse, Seelenschau und Sozialdrama
Die verruchte Welt des Rotlichts taugt jederzeit vortrefflich als Kulisse für einen Krimi. Doch Eva und Volker A. Zahn, die das Drehbuch für diesen „Tatort“ geschrieben haben, wollen deutlich mehr, als ein paar folkloristische Puff-Elemente zu zelebrieren, nur um eine Mordgeschichte möglichst effektvoll zu garnieren. Sie wollen in die Untiefen einer Parallelwelt blicken, Milieu-Analyse, Seelenschau und Sozialdrama zu einer Anklage verdichten: Was passiert da eigentlich in unserer Nachbarschaft? Wer sind die Opfer, wer die Täter? Was macht es mit denen, die tagtäglich ihren Körper verkaufen?
Ballauf und Schenk sind mal angewidert, mal peinlich berührt
Das kann im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, noch dazu im Kölner Tatort, flugs zu einer Pädagogik-Lehrstunde verkommen. Doch oberlehrerhafte Kommentare der Ermittler-Buddies Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) über die Schlechtigkeit der Welt bleiben dieses Mal aus. Die beiden sind stille Beobachter, manchmal angewidert, mitunter auch nur peinlich berührt. Wenn Schenk einer zitternden jungen Frau, die gerade vom Tod der Mutter erfahren hat, den kleinen Make-Up-Spiegel vorhält, weil sie sich fix für den nächsten Kunden zurechtmachen muss, dann spielt Dietmar Bär die Verlegenheit in diesem starken Augenblick so wunderbar dezent aus, dass es berührt. Regisseur Hüseyin Tabak weiß, was anderen Erzählern zuweilen abgeht: Es ist immer klug, Worte zu sparen, wenn Bilder alles sagen.
Zorn und Verbitterung aus allzu vorhersehbaren Motiven
Tabak konzentriert seine kammerspielhafte Inszenierung in der Enge der Räumlichkeiten (Kamera: Lukas Gnaiger) ganz auf drei (stark gespielte) Frauen, deren Sicht den Film trägt. Um ihrer Stimme Nachdruck zu verleihen, schaltet Tabak zwischenzeitlich in den Theater-Modus um: Jasmin (Antonia Bill), Cosima (Senita Huskic) und Tani (Maddy Forst) wenden sich direkt ans Publikum, um Einblick in ihr Innerstes zu geben. Das wirkt, selbst wenn sich ihr Zorn und ihre Verbitterung aus allzu vorhersehbaren Motiven speisen, die am Klischee entlangschrammen: Männer, die in ihnen nur „ein Stück Fleisch mit Löchern“ sehen, falsche Versprechen, unerfüllbare Hoffnungen, familiäre Brüche. „Smile though your heart is aching - lächle, obwohl dein Herz schmerzt“, singt Nat King Cole mit samtener Stimme im Hintergrund. Das passt natürlich.
Männer als amorphe Fleischmasse im Kopulations-Stakkato
Ein paar Grautöne mehr hätten dem Anliegen aber nicht geschadet. Männer tauchen hier als hartherzige Väter auf, als genervte Puffbesitzer, als Schmarotzer, als Feierbiester, als gedankenlose Freier in verschiedenen Idiotenstufen, und in der wüstesten Zuspitzung in harten, schnellen Schnitten als amorphe Fleischmasse im Kopulations-Stakkato. Und der Haustechniker, ein Proleten-Macho, der mit diebischer Freude auf die Klobrille im Etablissement pinkelt, hat es nicht besser verdient, als tot auf dem Asphalt zu liegen, denkt man da fast: Männer sind Schweine und Frauen Opfer, bis sie sich endlich mal zur Wehr setzen: Diese etwas grobschlächtige Erkenntnis entpuppt sich immerhin als Treibstoff für ein paar Thriller-Momente im letzten Viertel des „Tatorts“: Am Ende müssen Ballauf und Schenk doch noch die Waffen ziehen.