Essen. Der Kölner „PeterLicht“ hat sich mit Songs wie „Lied vom Ende des Kapitalismus“ etabliert. Jetzt kommt er mit neuer Musik und einer Tour.
PeterLicht (ja, er schreibt sich zusammen) heißt mit bürgerlichem Namen Meinrad Jungblut. Der gebürtige Kölner hat sich mit Songs wie „Sonnendeck“ und „Lied vom Ende des Kapitalismus“ als kluger Indiepop-Vordenker etabliert. Sein neues Album heißt „Alles klar“ und ist gerade erschienen. Eine ausgedehnte Tour gibt es auch im Herbst. Licht ist zudem als Schriftsteller tätig. Unsere Sonntagszeitung hat mit ihm gesprochen.
Herr Licht, alles klar? Was bedeutet der Albumtitel?
PeterLicht: Ich liebe diese Begrüßungsformel. Alles klar? Ich höre sie so oft. Was soll man darauf antworten? Meine Rolle als Sänger und Songschreiber ist es, diese Welt zu besingen. Ich mache Weltgesänge, das ist mein Beruf. Die neue Platte handelt von der Frage, was der Klimawandel mit meiner Seele macht. Oder mit den Seelen der Menschen, die um mich herum sind. Mit dem Mindset der Gesellschaft. Über allem liegt eine düstere Verheißung: Dies ist der heißeste Sommer, den wir je hatten, und sei gewiss, es wird der kühlste deines kommenden Lebens sein. Das wirkt sich auf mich und uns aus. Ich bin in dieses Gefühl eingetaucht, ich konnte gar nicht anders. Und daraus sind diese Songs entstanden. Einer trägt den Titel „Klar“. Da gibt es die Zeile: „Es ist alles so schön klar.“
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Aber in der Welt ist aktuell gar nichts klar. Manch einer wird sagen: „Verschließt er die Augen vor der aktuellen Lage in der Welt?“
Nein, ich verschließe nicht die Augen. Ich öffne sie. Ich blicke in die Welt. Und was ich sehe, treibt mich um. Alles wird klar gesagt, aber nichts ist klar. Der Wandel, in dem wir uns befinden, ist mit Händen zu greifen. In diesem Sinne ist alles klar. Doch was man tun soll, was ich tun soll, und wie es weitergeht, das ist völlig unklar – das ist ganz klar. Also ist wieder alles klar.
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Das macht was mit uns, sagen Sie. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich habe meine Verletzlichkeit gespürt. Und ich glaube, dass es nicht nur mir so geht, sondern vielen anderen auch. Dass wir eine allgemeine Verletzlichkeit im Angesicht der vielfältigen Bedrohungen spüren. Ich habe versucht, diese Verletzlichkeit zu transformieren, indem ich darüber singe und damit umgehe. Dadurch ist ein sehr persönliches, klares und direktes Album entstanden. Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass ich mich auf eine Bühne stelle, von meiner Verletzlichkeit singe, und sie sich dadurch transformiert. Und es fühlt sich nicht mehr verletzlich an.
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„Wenn mal wieder alles zu viel ist, wenn mal wieder nichts mehr geht, und du weißt nicht wohin, das macht alles keinen Sinn“ - so singen Sie in „Baum im Fluss“. Das klingt sehr ernüchternd.
Gar nicht. Es gibt Zustände und Momente, in denen nichts mehr geht. Dann wirft man einen Baum in einen Fluss, und der Fluss fließt weiter. Für mich ist das ein wunderschönes, kraftvolles Bild. Und es ist nicht nur ein Bild. Ich mache das tatsächlich öfter. Ich wohne in Köln. Wenn nichts mehr geht, gehe ich zum Rhein und werfe möglichst große Äste oder Stämme ins Wasser. Das ist für mich zu einem Ritual geworden. Manchmal liegen dort richtig dicke Baumstämme, und ich trete sie in den Rhein. Dann treiben sie davon, und ich blicke ihnen nach. „Mit einem Gruß an das Meer“, denke ich dann. Das befreit mich total. Deshalb habe ich daraus dieses Lied gemacht.
Nicht nur in diesem Song, in allen anderen gibt es Naturbilder. Bäume, Gletscher, Höhlen, das Meer, Vögel, der Horizont.
Ja, genau. Es ging mir darum, dem Lebensgefühl im Angesicht einer sich unumkehrbar wandelnden Natur nachzuspüren. Deshalb finden die Songs gewissermaßen in der Natur statt. Sie erklingen alle unter freiem Himmel, daher auch die vielen Naturverweise. Ich stelle immer mehr fest, wie viel Kraft es mir gibt, in der Natur zu sein. Ich bin dort sehr häufig, und das ist mit der Zeit immer intensiver geworden. Ich habe so etwas wie das Waldbaden für mich entdeckt. Dabei steht man einfach im Wald und wird ein Teil davon. Ich habe versucht, dieses Erlebnis in meine Musik einfließen zu lassen oder es durch meine Musik auszudrücken. Der Klimawandel ist Realität. Hoffentlich können wir noch einiges verändern, aber vieles ist unumkehrbar oder wird es bald sein. Wir können nichts anderes tun, als unseren Weg weiterzugehen – idealerweise gelassen und in heiterer Gemütsruhe. Das gelingt nicht immer, aber manchmal schon. Für mich hat diese Auseinandersetzung eine therapeutische Wirkung. Durch die Musik finde ich Trost. Vielleicht hat einer der Songs auch eine ähnliche Wirkung auf andere Menschen. Dann hätte das für mich einen tieferen Sinn.
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Was ist neu an diesem Album?
Diesmal sind noch mehr verschiedene Musiker*innen beteiligt. Es gibt viele echte Drums, Blasinstrumente, ein altes Klavier und Frauenstimmen. Das Ziel war es, noch akustischer zu klingen, was sich durch den Bezug zur Natur, die Empfindlichkeit und die Verletzlichkeit ergab. Eine absolute Premiere war die Zusammenarbeit mit einem Kinderchor, die den emotionalen Höhepunkt der Produktion darstellte. Da standen 15 Kinder im Studio und sangen: „Wir schulden euch nichts, aber ihr schuldet uns die Welt.“ Das hat mich umgehauen. Das Album beginnt mit diesem Song, der vielleicht der wichtigste von allen ist.
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„Sonnendeck“ hat Sie im Jahr 2000 über Nacht bekannt gemacht. Wie fühlen Sie sich heute mit diesem Song?
Ich mag den Song sehr und höre ihn immer wieder. „Sonnendeck“ gehört einfach dazu. Ich bin sehr froh, dass es dieses Lied gibt und dass es da draußen immer noch unterwegs ist. Es zieht seine Kreise. Das mag ich an Songs: Wenn sie fertig sind, entlässt man sie in den Äther, und sie beginnen ihr Eigenleben. Was sie transportieren oder bedeuten, entzieht sich meiner Kontrolle, und das ist genau richtig so. Warum der eine Song viel Aufmerksamkeit bekommt und der andere wenig, ist einerlei. Ich bin nicht mehr dabei. Ich liebe es, durch meine Musik mit der Welt da draußen verbunden zu sein. Für mich ist das ein Wunder.
Gibt es eine nette Geschichte, die Sie mit „Sonnendeck“ verbinden?
Ja, da gibt es einige. Kürzlich erzählte mir ein älterer Herr, dass ihm die Zeile „Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf dem Sonnendeck“ bekannt ist, obwohl er das Lied gar nicht kennt.
Die erste EP „6 Lieder“ haben Sie im Jahr 2000 unter Ihrem bürgerlichen Namen Meinrad Jungblut veröffentlicht. Warum danach als PeterLicht? Meinrad Jungblut wäre doch auch ein schöner Künstlername.
(lacht) Das stimmt, das haben mir schon viele Leute gesagt. Es sind 24 Jahre seit der ersten EP vergangen, und ich finde es gut, dass es PeterLicht gibt, mein Alter Ego. Das fühlt sich befreiend an. Musik zu machen bedeutet auch, aus der eigenen Existenz herauszutreten und die Flucht nach vorne anzutreten. Ich will einer Energie eine Stimme geben, und mit PeterLicht geht das wunderbar. Ich hatte damals Erzählungen über Licht für ein Buchprojekt geschrieben, und dann waren plötzlich das Licht und PeterLicht da. Das war eine große Geste, denn mehr als Licht geht ja nicht. Heute werde ich mit beiden Namen angesprochen. Ich mag PeterLicht.
Im März 2006 haben Sie Ihr Buch „Wir werden siegen. Buch vom Ende des Kapitalismus“ veröffentlicht, eine Sammlung von Geschichten, Gedichten, Tagebuchfragmenten, Slogans, Songtexten und Zeichnungen. Sie schreiben für das Theater. Was ist Ihnen wichtiger? Ist die Musik noch ein Stück wichtiger?
Es geht mir um den Sound. Den Sound der Welt. Ob er durch Musik oder durch Text entsteht, ist für mich dasselbe. Wunderbar ist es, wenn beides zusammenkommt, wie jetzt bei einem Album. Ich bin Musiker, Sänger und Autor. Fast jedes Jahr schreibe ich ein Theaterstück. Mein letztes Buch war der Roman „Ja okay, aber“. Die verschiedenen Tätigkeiten befruchten sich gegenseitig. Manchmal entsteht aus einem Text ein Song und umgekehrt. Zurzeit steht die Musik im Vordergrund.
Sie wurden einmal als Songpoet und Gesellschaftskritiker bezeichnet. Fühlen Sie sich da richtig beschrieben?
Das ist okay. Wenn ich meine Kritikschläppchen anziehe, dann kritisiere ich damit immer auch mich selbst. Ich bin nicht der Typ, der von außen die Gesellschaft kritisiert und sagt, wie es besser zu sein hat. Ich bin ein Teil davon. Ich mag die Poesie und die Groteske.
Welchen Wunsch haben Sie für „Alles klar“?
Vor allem freue ich mich, dass die Platte jetzt da ist. Ich hoffe, dass sie da draußen eine schöne Reise antritt und etwas bei den Leuten auslöst. Wir werden mit „Alles klar“ auf Tour gehen, und ich freue mich riesig auf die Konzerte.
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