Ruhrgebiet. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis selbstfahrende Autos unsere Städte verändert. Doch noch fließt das kaum in Planungen ein.

Das Robotaxi kommt. Wird es so aussehen, wie der autonom fahrende Prototyp, den Tesla in der Nacht zu Freitag (ab 4 Uhr deutsche Zeit) vorstellen will? Oder wird ein chinesisches Modell das Rennen um die erste Zulassung machen, ein Mercedes oder ein VW? Die Erwartungen sind hoch an das Event, auch weil Tesla-Chef Elon Musk gesagt hat, dass die Entwicklung eines vollautonomen Autos darüber entscheide „ob Tesla viel Geld wert ist oder praktisch null“.

Baidu Apollo Day 2024
In Wuhan, China, sollen bereits dieses Jahr 1000 Apollo RT6-Robotaxis von Baidu fahren. © Bloomberg via Getty Images | Bloomberg

Unabhängig von Tesla: Das selbstfahrende Auto wird kommen. Und es wird unsere Städte verändern. Werden parkende Autos verschwinden und Fahrspuren zu Parks oder Radstrecken umgebaut? Oder wird die günstigere Mobilität dazu führen, dass plötzlich viel mehr Autos unterwegs sind, weil keiner mehr Bus und Bahn fährt und selbst Schüler ins Robotaxi steigen können? Wie viele Spuren soll dann die neue Straße haben? Macht es noch Sinn, Schienen zu legen? Wie viele Ladesäulen braucht man dann? Sollten sich die Verkehrs- und Stadtplaner nicht schon heute damit beschäftigen?

15 Cent pro Kilometer

Es gibt eine Zahl, die das Potenzial des Roboautos zusammenfasst: 15 Cent pro Kilometer würde eine Fahrt kosten, wenn man sich das Robo-Shuttle mit anderen teilt, hat die Unternehmensberatung Deloitte ausrechnen lassen. Das ist deutlich günstiger als der eigene Pkw und dürfte auch den Nahverkehr auf vielen Strecken unwirtschaftlich dastehen lassen.

Wie schnell und stark diese Wende kommt, ist nicht ausgemacht. „Die Zukunft ist längst da, sie ist nur nicht überall gleich verteilt“, sagt Steffen Braun, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Die Modellversuche mit hunderten selbstfahrenden Fahrzeugen in San Francisco, in Singapur und chinesischen Städten zeigen: Mittlerweile fahren die „Roboterautos“ im Stadtverkehr um ein Vielfaches sicherer als Menschen. „Entscheidend sind die soziale Akzeptanz und der richtige gesetzgeberische Rahmen.“

Steffen Braun ist stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart.

„Tesla hat das Potenzial zum Gamechanger. Ob es sich verwirklicht und eine neue Stufe des autonomen Fahrens für geteilte Nutzung vorgestellt wird oder nur eine erweiterte Fahrfunktion, das ist die andere Frage.“

Steffen Braun
Mitgründer der Morgenstadt-Initiative von Fraunhofer

Braun glaubt: „In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir in einigen Regionen weltweit ein Aufkommen von autonomen Fahrzeugen erleben.“ Tesla hat die Fähigkeit zum autonomen Fahren schon in vielen Fahrzeugen vorgerüstet. Sie kann mit einem Software-Update aktiviert werden. „Aber in Deutschland und Europa leben wir in einer der am höchsten regulierten Regionen. Das wird ganz klar die Einführung geteilter autonomer Fahrzeuge hemmen. Ich erwarte, dass wir erst in sieben bis zehn Jahren in deutschen Großstädten Situationen haben wie in San Francisco.“

Autonomes Fahren in Hamburg und München

Immerhin testet VW über seine Tochter Moia seit 2021 in München und Hamburg autonom fahrende Shuttle-Busse. Bis 2026 ist ein Fahrer an Bord, der im Notfall eingreift. Dann sollen die Elektro-Bullis ohne Fahrer auskommen und Gäste befördern.

Auch Christian Rauch, Referatsleiter am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn, glaubt, dass „wir in zehn bis fünfzehn Jahren deutlich weiter sind, als wir es uns heute vorstellen können“. Er tritt dennoch auf die Erwartungsbremse. Rauch glaubt, dass die Zahl der autonomen Fahrzeuge nicht so schnell steigen wird, dass „ein substanzieller Effekt“ davon ausgeht. „Es ist ein Baustein, auch für den Nahverkehr. Da gibt es ein enormes Effizienzpotenzial.“ Gerade vor dem Hintergrund, dass Fahrpersonal knapp ist und im Schnitt mehr als die Hälfte der Betriebskosten ausmacht.

Regulators To Vote On San Francisco Robotaxi Expansion
Auch die Firma Cruise ist in San Francisco unterwegs. Etwa 60 Unternehmen testen in den USA ihre selbstfahrenden Prototypen. © Bloomberg via Getty Images | Bloomberg

Steffen Braun, der auch die „Morgenstadt“-Initiative mitgegründet hat, glaubt dagegen, dass die Veränderung disruptiver ausfällt: Hinter jede Route könne man Kosten legen. Gerade für Schienen und Tunnel würde der Vergleich ungünstig ausfallen. „Realistisch wird es in vielen Städten einen Prozess geben, bei dem festgestellt wird, wann autonome geteilte Shuttles kostengünstiger und komfortabler sind.“ Hochfrequente Stammstrecken würden sich wahrscheinlich halten. Doch gerade auf dem Land könnte viel Nahverkehr on-demand abgedeckt werden.

Wie viele Parkplätze braucht ein Land?

Auch beim Thema Parkplätze sind die Experten unterschiedlicher Ansicht: Wenn Robotaxis von vielen Menschen genutzt würden, bräuchte es nur ein Zehntel der heutigen Parkplätze, erklärt Braun. „Wo Autos heute 95 Prozent Stehzeit haben, können die am besten ausgelasteten Robo-Shuttles stattdessen 90 Prozent Fahrzeit haben. Sie müssen eigentlich nur laden. Schon dadurch braucht es viel weniger Parkfläche.“

Die Flächen könnten frei werden für:

  • Parks und Bäche, die auch benötigt werden, um die Städte herunterzukühlen und so an das sich ändernde Klima anzupassen.
  • Für Fahrradwege,
  • Gastronomie,
  • und andere soziale Aktivitäten.
  • Tiefgaragen könnten rückgebaut oder umgewandelt werden. Urban Farming ist ein Vorschlag, also Pak Choi aus dem Parkhaus.
  • Und parken könnten die verbliebenen Fahrzeuge immer noch in der Innenstadt. Parkraum ist schließlich mehr als genug da. Neue Riesenparkhäuser am Stadtrand wird es wohl nicht brauchen.
  • Weil es auch mit Robotaxis Stoßzeiten geben wird, könnte man einige Fahrspuren modular nutzen: bis zum Nachmittag für Verkehr, abends als Restaurantterrasse.

Parkplätze müssten schon heute so geplant werden, dass sie später umgebaut werden könnten, sagt Braun. „Es ist davon auszugehen, dass praktisch alle Verkehrsbauten oder -infrastrukturen im ersten Lebenszyklus mit autonomer Mobilität konfrontiert werden, also in den ersten 15, 20 Jahren. Die Verkehrsplanung in deutschen Städten sollte eigentlich mehrere Jahrzehnte vorausdenken. Und an vielen Stellen beschäftigt man sich noch nicht mit dem autonomen Fahren. Das ist ein blinder Fleck.“ Er weiß aber auch: „Als Stadt kann ich heute nicht belastbar mit Konzepten planen, die nicht rechtlich freigegeben oder technologisch reif sind.“

Mehr Autos oder mehr Freifläche?

Rauch dagegen meint, dass sich die Zahl der Fahrzeuge zunächst erhöht, was auch die Deloitte-Studie voraussagt. Viele Städte versuchen bereits, den Fahrradverkehr (wie auch den Fußgänger und den Nahverkehr) zu fördern, um dem Auto Anteile abzunehmen. Das wird oft als Verteilungskampf beschrieben. Kommt es so, dass viele Flächen frei werden, hätte sich dieser Konflikt erledigt. Rauch glaubt, dass er erst richtig losgeht. Die Tendenz, Straßen zu Fahrradwegen umzuwidmen, gehe dennoch in die richtige Richtung, auch wenn das autonome Fahren dabei nicht im Vordergrund stehe.

Und wie handhaben es die Städte? Essen und Gelsenkirchen winken auf Nachfrage ab. Autonomes Fahren ist in der Praxis kein Thema. Sie verweisen auf die Forschung.

Die Forscher sind gespannt auf das neue Robotaxi am Freitagmorgen.