Düsseldorf/Geldern. Prozess: Zwölfjährige lernte ihren Peiniger (18) bei Snapchat kennen. Der Düsseldorfer soll das Mädchen auch bedroht und gewürgt haben.
Mehrere Hundert Millionen Nachrichten werden jeden Tag über den privaten Messengerdienst Snapchat verschickt. Slogan: „Teile den Moment“. Einem jungen Düsseldorfer aber reichten digitale Momente offenbar nicht mehr aus: Der 18-Jährige soll ein Kind zu einem persönlichen Treffen gedrängt, das zwölfjährige Mädchen schwer sexuell missbraucht und gewürgt haben. Seit Donnerstag steht er deshalb vor dem Landgericht Düsseldorf.
Der inzwischen 19-Jährige kommt mit seiner Mama ins Gericht, etwas zu spät – er ist auf freiem Fuß. Er trägt ein weißes Hemd zur schwarzen Jeans, eine Brille mit sichtbar starken Gläsern; trotz eines dünnen Schnäuzers sieht er etwas jünger aus als einer, der im November 20 wird. Das Gesicht verbirgt er hinter der Laptophülle seines Anwalts.
Öffentlichkeit wird ausgeschlossen
Der Prozessbeginn muss um eine halbe Stunde nach hinten verschoben werden, und auch dann beginnt er nicht mit der Verlesung der Anklage, sondern mit Anträgen: Die Öffentlichkeit soll ausgeschlossen werden, finden die Rechtsanwältin, die das Opfer als Nebenklägerin vertritt, und der Verteidiger des Angeklagten. Dem folgt die 7. große Strafkammer, die als Jugendkammer tagt. Die Verhandlung werde „durchgängig“ die Intimsphäre der Minderjährigen und des Heranwachsenden behandeln, eine Erörterung vor Publikum würde Persönlichkeitsrechte verletzen. Es gehe um die sexuelle Selbstbestimmung.
Bis einschließlich der Plädoyers am Ende von voraussichtlich fünf Prozesstagen wird in diesem Saal also niemand mithören dürfen, was am 24. Juli vor genau einem Jahr in Geldern im Kreis Kleve geschah. Auch die Mutter des Angeklagten nicht. Als eine Justizbeamtin den Zuschauerraum von außen abschließt, sitzt sie auf dem Flur und weint.
Drohungen: Körperliche Angriffe auf die ganze Familie
Doch was das Landgericht im Vorfeld bekannt gegeben hat, sagt bereits viel. Demnach wird dem 19-Jährigen „schwerer sexueller Missbrauch von Kindern und Körperverletzung“ vorgeworfen. Er soll sich an jenem Juli-Montag mit dem Mädchen über Snapchat in Geldern verabredet haben. Kurz vorher aber soll das Kind ihm, ebenfalls über den Messengerdienst, geschrieben haben, dass es sich nicht treffen dürfe. Worauf der Ältere der Zwölfjährigen drohte, mit körperlichen Angriffen auf sie und die ganze Familie.
Aus Angst soll das Mädchen dann doch zugestimmt haben. Die Beiden trafen sich im Haus der Tante, die nicht zu Hause war. Der Angeklagte, so das Landgericht, soll sich mit dem Kind aufs Bett gelegt und „verschiedene sexuelle Handlungen eingefordert“ haben. Schließlich soll es zum Geschlechtsverkehr gekommen sein, vaginal und anal. Dabei soll der Angeklagte sein Opfer auch gewürgt haben. Alles endete erst, als die Eltern des Mädchens ins Haus kamen und die Zwei entdeckten.
Ein Urteil könnte nach bisheriger Planung Mitte September fallen. Erst im Juli urteilte das Amtsgericht Geldern über einen ähnlichen Fall aus dem Kreis Kleve: Hier soll ein 19-Jähriger mit einer 12-Jährigen Sex gehabt haben. Einvernehmlich, erklärten beide, zu Gewalt kam es offenbar nicht. Trotzdem sind der Geschlechtsverkehr und das Senden sexualisierter Textnachrichten als Missbrauch von Minderjährigen strafbar. „Sie wussten, was Sie tun“, war die Richterin überzeugt. „Sie waren 19, sie war zwölf.“