Herne. Besuchern bringt die Cranger Kirmes viel Spaß, Stadt und Schaustellern viel Geld. Was der Rummel wirtschaftlich für die Region bedeutet.
„Wird etwa Kirmes in der Hölle sein?“, hat Martin Luther einst gefragt. Weiß man nicht. Was man weiß ist, dass ab Donnerstag wieder Kirmes in Herne ist. Auf Crange. Die Cranger Kirmes. Eher Himmel als Hölle. Erwartet werden, wenn das Wetter mitspielt, bis zu vier Millionen Besucher. Das macht den Rummel im Revier zu einem großen Wirtschaftsfaktor. Wer alles von den elf tollen Tagen profitiert.
Rund 10.000 Volksfeste gibt es jedes Jahr in Deutschland
Grundsätzlich gilt: Volksfeste wie die Cranger Kirmes sind beliebt. Seit 25 Jahren erhebt und aktualisiert der Deutsche Schaustellerbund e.V. gemeinsam mit der ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH die Daten zu den rund 10.000 Veranstaltungen, die es zwischen Alpen und Nordsee jährlich gibt. Und aus diesen Daten geht hervor, dass zu diesen Festen im vergangenen Jahr 198,5 Millionen Besucher kamen. Ein historischer Höchstwert. Genau wie der Bruttoumsatz, der 2023 auf den Festplätzen gemacht wurde. Der belief sich auf 6,5 Milliarden Euro.
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Regional wird es dann ungenauer, da die Studie nicht auf einzelne Veranstaltungen eingeht. Aber da kann man auf – wenn auch ältere – Zahlen des Stadtmarketings Herne zurückgreifen. Das hat mal ausgerechnet, dass jeder Besucher im Schnitt 43,50 Euro auf dem Rummel lässt. Macht bei rund viel Millionen Gästen knapp 175 Millionen Euro. Der Bundesverband selbst ist in der aktuellen Studie etwas zurückhaltender und geht von nur 32,80 pro Person aus. Was für Crange aber immer noch 131 Millionen Euro bedeuten würde. Fast die Hälfte des Geldes wird laut Studie für Essen und Trinken ausgegeben.
Viele Besucher geben auch Geld außerhalb der Kirmes aus
Der Kirmesplatz selbst ist aber nicht der einzige Ort, an dem die Menschen ihr Geld lassen. Bei jedem großen Volksfest – egal ob Crange, der Düsseldorfer Rheinkirmes, den Cannstatter Wasen oder dem Oktoberfest, fließen viele Euro auch in die heimische Wirtschaft. Bundesweit gaben gut ein Drittel der befragten Besucher (33,6 %) an, auch außerhalb der Kirmes Geld ausgegeben zu haben – im Schnitt 33,40 Euro. Macht in ganz Deutschland zwei Milliarden, umgerechnet auf die Herner Besuchszahlen immerhin 133 Millionen Euro.
Davon profitieren viele Branchen. Bei den meisten heimischen Taxifahrern etwa läuft das Geschäft hervorragend. „An den Wochenenden besser als Weihnachten und Silvester zusammen“, weiß Jochen Schübel vom Stadtmarketing Herne aus vielen Gesprächen. Und während des Rummels verwandeln sich Firmen- und Garagenhöfe rundherum in gebührenpflichtige Parkplätze. Und nur auf Crange gibt es Heckenwirtschaften – private Hinterhöfe, die sich für elf Tage in Freiluft-Kneipen verwandeln.
Einzigartig auf Crange: Der Aufbautourismus
Auch in vielen klassischen Restaurants rund um den Festplatz gibt es vor allem freitags, samstags und sonntags kaum noch einen freien Platz. „Auch wir rechnen mit großem Andrang“, sagt der Betreiber des „Cranger Kiosks“, der direkt auf dem Weg zum Kirmesplatz liegt. Wie groß, weiß er selbst nicht. „Wir haben hier erst im April übernommen.“ Bereits seit zwei Wochen aber sei „mehr los als üblich. Es sind schon viele Leute da.“
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Das kann Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes (DSB) nur bestätigen. Und er weiß auch, warum das so ist. „Weil Crange anders ist.“ Hier kommen viele Besucher schon, während die Schausteller Karussells und Buden noch zusammensetzen. „Die wollen wissen, wie weit ihre Kirmes schon gediehen ist“, sagt Ritter. Ein Phänomen, für das sogar ein Wort existiert. „Wir nennen das Aufbautourismus“, sagt Schübel. Und damit keiner dieser Touristen Durst oder Hunger leiden muss, dürfen drei Ausschänke auf dem Gelände schon zwei Wochen vor Beginn öffnen. „Aufbaukantinen“ nennt man sie. „Die gibt es nur auf Crange“, sagt Ritter.
„Das größte Klassentreffen der Welt“
Vieles gibt es nur auf Crange, für Einheimische auch das „größte Klassentreffen der Welt“. Tage, an denen kaum jemand in Urlaub fährt, sondern alle zurückkommen, die es irgendwann in die Ferne gezogen hat. „Und wie geht‘s?“ „Muss.“ „Und sonst?“, Alles klar“ ist deshalb der Verlauf eines typischen Kirmesgesprächs. Bevor das nächste Bier bestellt wird. Crange ist eine Bank, ist voll, vor allem am Wochenende. Wenn es nicht zu kalt oder heiß ist. „Crange hat noch ganz viel von echter Kirmes“, sagt Ritter. Deshalb kommen auch die Schausteller so gerne. 500 Betriebe sind auch in diesem Jahr wieder da. „Mehr als auf dem Oktoberfest.“
Und auch sie sind ein nichts zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Per Gesetz müssen sie für die Kosten aufkommen, die der Stadt als Veranstalter entstehen. Gemeinsam füllen sie, so ist zu hören, die Herner Stadtkasse mit mehr als 1,2 Millionen Euro jährlich. Für Müllabfuhr und Absperrungen ebenso wie für die Miete einer alten Schule, in der während der Kirmes die Wachen für Polizei und Feuerwehr untergebracht sind. Zudem kommen mit Familienmitgliedern und Angestellten rund 3000 Menschen für mehr als zwei Wochen in die Stadt. Bundesweit geben die 5600 Schaustellerunternehmen mit ihren Angestellten laut Studie jährlich rund 135 Millionen in den Kirmesstädten aus.
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Zahlen für einzelne Kirmesplätze liefert die Studie auch in diesem Fall nicht. „Aber wir lassen viele Euro hier“, sagt Ritter und erinnert sich daran, was Gerd Pieper, der ehemalige und kürzlich verstorbene Chef der gleichnamigen Parfümerie-Kette, ihm vor längerer Zeit mal erzählt hat. Nämlich, dass er die Filialen in Herne niemals schließen würde. Sie würden dank der Schausteller einen Umsatz machen, wie viele andere nur in der Vorweihnachtszeit.
Was allerdings nicht heißt, dass die Branche extrem gut verdient. Erst Corona, dann Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation – „wir merken auch, was in der Welt passiert“, stellt Ritter klar, räumt aber ein: „In den letzten zwei Jahren waren die Plätze sehr gut gefüllt. Die Menschen zeigen, dass sie auf die Kirmes wollen.“