Genervte Fußballfans: Der NRW-Verkehrsminister will schnell ein paar Züge mehr aufs Gleis setzen. Hätte man vorher wissen können, oder?

Stellen wir uns einfach mal vor, all die Autofahrer im Ruhrgebiet, die wir aus vielerlei Gründen in den öffentlichen Nahverkehr locken möchten, würden tatsächlich Gebrauch davon machen. Dann würden wir das erleben, was wir gerade als EM-Gastgeber erleben: einen Stresstest, den Bus und Bahn nur mit allerlei Verwerfungen bestehen. Insofern sind die vier Wochen, in denen wir gerade stecken, ausgesprochen lehrreich.

Gezeter in den sogenannten sozialen Netzwerken

Gewiss: Wer den Ärger englischer Fußballfans über das unbestreitbare Abreise-Theater aus Gelsenkirchen seit Tagen über die sogenannten sozialen Netzwerke inhaliert, der muss glauben, dass die Dimension einer nationalen Katastrophe erreicht ist. Das Geschäftsmodell von X und Co. ist nun einmal das potenzierte Gezeter. Das muss man einordnen können.

Zweifellos sind nämlich auch viele Anhänger mit dem, was sie hier vorfinden, ausgesprochen zufrieden. Frag nach in Düsseldorf, in Köln, in Dortmund. Dass Gelsenkirchens Stadionanbindung eher eine für Autos ist als für den ÖPNV, hätte indes beim Abhaken des Kriterienkatalogs für die Vergabe der Spielorte schon auffallen müssen. Jetzt lässt sich nicht mehr viel retten.

Wenn allerdings der Verkehrsminister des Landes nun schnell mehr Züge auf die Gleise schicken will, dann darf man zumindest einmal fragen, ob vorausschauende Planung so etwas nicht beinhaltet: Wer hat denn ernsthaft geglaubt, halb Europa mache sich mit dem Auto nach Deutschland auf? Dass die Bahn für den Transport wichtig würde, ist nicht wirklich verblüffend.

Die altbekannten Probleme innerhalb des Ruhrgebiets

Die altbekannten Verbindungsschwächen und Verspätungsprobleme innerhalb des Ruhrgebiets, mit denen Bahn-Pendler Therapeuten dauerbeschäftigen könnten, treten natürlich nun umso mehr zutage. Das ist keine schöne Visitenkarte für die Region. „Vergessen Sie alles, was Sie über deutsche Effizienz zu wissen glaubten“, lästert die New York Times mit Blick auf die überfüllten Bahnsteige. Das tut weh. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Wer das alles in Perfektion haben will, der darf Fußballturniere nur noch an die Schweiz vergeben.

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