Ruhrgebiet. Was ist das bloß für ein Juni? Oder ist das etwa normal? In der Nacht auf Freitag startet der kalendarische Sommer. Was blüht uns nun?

Das Unwetter zieht weiter. Es ändert die Richtung. Die Meteorologen müssen dringend die Warnungen aktualisieren. Aber jetzt ist erst mal eine Feuerwehr am Telefon: Wann und wo genau wird es uns treffen? Starkregen? Mit Gewitter? Ja, nein, und bei uns, wie heftig? Es ist gerade stressig in der Regionalen Wetterzentrale Essen. Wo das große Unwetter herzieht, da ist komplett sie zuständig: Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen. Die nächste Feuerwehr ruft an . . .

Am Tag nach dem Sturm sitzt der Meteorologe Jan Kärger in Essen über den aktuellen Wettermodellen. Hm, eindeutig sind die auch wieder nicht. „Die Wetterlage ist alles andere als sattelfest“, sagt der 32-Jährige vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Es seien ab Donnerstag viele kleine Tiefs unterwegs, „jede Zugbahn kann sich von jetzt auf gleich ändern“. Was er für die nächsten Tage beschreibt, ist unterm Strich dies: etwas wärmere Tage mit einem Hang zu Schauern und gewittrigen Neigungen. Was, um Himmels Willen, ist das für ein Juni?

Juni ist nicht umsonst der Monat mit dem meisten Regen

Mädchen schützt sich mit einem übergroßen Regenschirm vor den Unbillen des Wetters  in Witten.
Ein Kind schützt sich mit einem übergroßen Regenschirm vor den Unbillen des Wetters an einem Sportplatz in Witten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services © Symbolbild | Jürgen Theobald

Die Pflanzenwelt jubelt. Grün explodiert. Juni ist nicht umsonst der Monat mit dem meisten Regen. Wachstum braucht Wasser. Viele Menschen schauen aber gerade auch eher sparsam nach draußen. Die Gartenstühle bleiben drin. Der Grill trägt eine Regenjacke. Im Garten regieren die Schnecken. Der vorherrschende Eindruck: alles so grau, dunkel und nass. Die Antwort ist einfach: Stimmt. Es ist ein normaler deutscher Juni - aus dem 20. Jahrhundert. Die Folge: Sommer ist nur ein Märchen. Bisher.

Wenn der DWD-Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn in Essen auf die Daten guckt, dann sprechen die eine eindeutige Sprache: Das Frühjahr war viel zu warm, viel zu nass und zu grau. „Die Sonne hat rund 90 Stunden weniger geschienen, als man nach dem langjährigen Mittel erwarten könnte“, sagt er. Dazu muss man aber an dieser Stelle wissen: Das Frühjahr der Meteorologen geht vom 1. März bis 31. Mai, das haben sie sich so zurechtgezimmert, weil glatte Monate statistisch besser zu verarbeiten sind.

Die Schafskälte hat geliefert

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In der astronomischen Wirklichkeit gehört der größere Teil des Juni noch zum Frühjahr. Und da hat sich der Trend der Vormonate umgekehrt: Die Mitteltemperatur der ersten 18 Tage Juni liegt bei vergleichsweise unterkühlten 14,2 Grad. „Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert bis zum Monatsende noch ein Stück ansteigt“, so Kesseler-Lauterkorn. 14,2 liegt nicht nur um gut zwei Grad unter dem langjährigen Mittel von 1991 bis 2020, in dem schon die Erderwärmung eine Rolle spielt; es liegt sogar um rund ein Grad unter dem langjährigen Mittel 1961 bis 1990. Sprich: Vor 60 Jahren wäre dieser Juni niemandem besonders aufgefallen, vielleicht ein bisschen kühl, aber sonst? Allerweltsjuni.

Was ist 2024 passiert? Die Schafskälte hat geliefert. Sie heißt so, weil man Schafe tunlichst nicht vor dieser Periode zwischen dem 6. und dem 20. Juni scheren sollte, es würde ihnen mächtig- bis saukalt. Schafskälte kommt auch nicht jedes Jahr, aber zumindest früher so regelmäßig, dass das Wort in den Sprachgebrauch übergegangen ist. So ähnlich wie die Eisheiligen und der Siebenschläfer. „Häufig machen sich im Juni nochmal kalte Luftmassen auf den Weg nach Mitteleuropa, wobei die Temperaturen unter zehn Grad sinken können“, heißt es zur Erklärung: „Dieser markante Kälteeinbruch wird oft von regnerischen Wetter begleitet.“ Kann man so sagen, ja.

„Klimatologisch gesehen eine Riesen-Hausnummer und bedenklich“

Wetter in Nordrhein-Westfalen
Tief hängen dunkle Wolken über einem Blühstreifen in der Nähe von Bergheim-Ingendorf in NRW. © DPA Images | Henning Kaiser

Doch zurück zu Thomas Kesseler-Lauterkorn, dem Meteorologen und stellvertretenden Leiter des Regionalen Klimabüros des DWD. Er hat auch mal in ältere Daten für NRW geguckt. Langjähriges Mittel 1961 bis 1990: 9,0 Grad. 1991 bis 2020: 10,0 Grad. 2001 bis 2023: 10,2 Grad. 2011 bis 2023: 10,5 Grad. 2014 bis 2023: 10,7 Grad. „Dass die letzten zehn Jahre bereits 0,7 Grad über dem ,Normalwert‘ liegen, ist klimatologisch gesehen eine Riesen-Hausnummer und bedenklich“, sagt er. Der langfristige Klima-Trend ist eindeutig, auch wenn das kurzfristige Wetter weiter Spielraum hat, kühlere Perioden zu verursachen.

Und damit zum aktuellen Geschehen. In zwei Wochen beginnen in NRW die Sommerferien. Herr Kärger, kann man dazu schon was sagen? „Es gibt mittelfristige Prognosen, die wir auch nutzen“, sagt der Meteorologe: „Für die Sommerferien halte ich sie aber noch für sehr vage.“ Irgendwann lässt er sich aber doch soweit festnageln, wie das einem seriösen Wetterkundler möglich ist: „Wenn man sagt, es wird irgendwann mal heiß im Sommer, liegt man sicher nicht falsch.“ Auf den Punkt.