Oberhausen. Eigentlich wollte Christian König nur ein blaues Trikot haben. Wie daraus eine der größten Fußballtrikot-Sammlungen Deutschlands wurde
„Gehen wir hoch“, sagt Christian König gleich nach der Begrüßung und weist den Weg zur Treppe. Nach oben, wo es in seinem Raum, seinem „Trikotzimmer“, auf den ersten Blick aussieht, wie in einem Sportgeschäft. Nur, dass es im Geschäft nicht so viel Auswahl gibt. 1797 Trikots liegen ordentlich gefaltet in den Schränken, die fast jede Wand des Raumes bedecken. Und wenn Sie nicht schnell genug lesen, kann sein, dass es schon 1798 oder 1800 sind, bis Sie am Ende des Textes angelangt sind.
Mit einem Trikot des 1.FC Bocholt fing alles an
Was zeigen? Wo soll er anfangen? Vielleicht damit, wie alles angefangen hat. Mit dem Wunsch in den 1970er Jahren nämlich, ein Trikot seines Lieblingsvereins Schalke 04 zu besitzen. „Den hat mein Vater mir damals leider nicht erfüllen können.“ König hat das dann seit 1984 nachgeholt. Sein allererstes Exemplar, ein Heimtrikot des 1. FC Bocholt 1983/84 von Jürgen Niggemann, wo er als Jugendlicher selbst gegen den Ball getreten hat. Schnell hat ihn die Sammelleidenschaft gepackt.
Allein von der deutschen Nationalmannschaft besitzt König mittlerweile 86 Trikots in verschiedenen Variationen. Rot Weiß Oberhausen ist 158-mal vertreten, und von Schalke 04 hat er 178 aus den letzten Jahrzehnten. Dazu gesellen sich Oberteile von der Creme de la Creme des internationalen Fußballs ebenso wie von Teams der 2. oder 3. Liga und diversen Amateurklassen. Eine textile Zeitreise durch die Fußballgeschichte der vergangenen Jahrzehnte, oft mit Sponsorenaufdrucken von Firmen, die längst nicht mehr existieren.
Ein Retro-Trikot der deutschen Weltmeistermannschaft von 1954 hat er genauso wie ein 91er-Oberteil, das die Nationalelf so nur ein einziges Mal in einem Länderspiel getragen hat. 550 Euro hat er dafür ausgegeben. „Mein teuerster Kauf.“ Ja, er hat sogar Trikots von Vereinen, die es nur im Film oder Fernsehen gibt. Kurz greift König nach unten rechts unten und zieht ein blau-rotes Oberteil hervor. „AFC Richmond“, sagt er nur – ein fiktiver Verein aus der Erfolgsserie „Ted Lasso“. Für einen Schalke-Fan noch ungewöhnlicher allerdings sind die schwarz-gelben Trikots im Schrank. Der Oberhausener lacht: „Ich bin mit sowas verheiratet“, sagt er gerne, wenn er einräumen muss, dass seine Frau BVB-Fan ist.
Eigentlich sollte bei 1904 Trikots Schluss sein
Er selber kann mit der „Kommanditgesellschaft“ ja nichts anfangen. Überhaupt ist „Dortmund“ ein Begriff, den er nicht so gerne hört. Genau wie den Begriff „verkleinern“. Aber das geht jedem Sammler so. „Bisher“, sagt König, „ist der Platz für die Trikots mit jedem Umzug mehr geworden.“ Das Problem dabei? „Ich glaube nicht, dass ich noch mal umziehe.“
Aber eigentlich hat er seiner Frau ja auch versprochen, dass bei 1904 (Gründungsjahr von Schalke) Trikots Schluss ist. Eigentlich. „In die vorhandenen Schränke würden noch gut 200 mehr passen“, hat er bereits ausgerechnet. Das müsste erst mal reichen. Und in zweieinhalb Jahren geht der Polizeibeamte in den Ruhestand. „Dann kann ich noch den Dachboden ausbauen.“ Spaß beiseite. „Meine Frau akzeptiert mein Hobby. Sie ist ja selber Fußball-Fan.“
Sammelobjekte gibt es jedenfalls noch genügend. Schließlich bringen die großen Vereine jedes Jahr zwei neue Trikots auf den Markt. Die kauft der Oberhausener meist nicht sofort. „Gegen Ende der Saison gibt es die ja oft zum halben Preis.“ Schwieriger ist der Markt der getragenen Trikots. „Die Sammler-Szene dafür ist größer, als man allgemein annimmt.“ Und König ist kein Unbekannter mehr in dieser Szene.
Über Jahre hat er Kontakte geknüpft. Zu Spielern, zu Ordnern, zu Zeugwarten. Und überall kennt er Leute, die jemanden kennen. Außerdem ist da ja noch das Internet. Aber das ist Segen und Fluch zugleich. Riesiges Angebot, aber auch viele Fälschungen. „Da muss man sich schon ein wenig auskennen.“ Dann merkt man schnell, dass etwas nicht stimmen kann, wenn das 1. Länderspiel-Trikot des damals eher schmächtigen Philipp Lahm in Größe XL zum Verkauf steht. Oder dass Superstars wie Ronaldo oder Messi den ganzen Tag über nichts anders machen dürften, als ihre Oberteile zu wechseln, so oft werden angeblich von ihnen getragene Trikots im Netz angeboten.
Seltene Trikots kosten Millionen
Echte Trikots aus unvergessenen Spielen erzielen allerdings immer wieder Rekordsummen. Eines von Pele aus der Fußball-WM 1970 etwa brachte 188.000 Euro. Und das Oberteil, mit dem Maradona die Argentinier 1986 zum Weltmeistertitel führte, wurde sogar für umgerechnet 8,4 Millionen Dollar versteigert.
König kann nicht genau sagen, was seine Sammlung wert ist. Es interessiert ihn aber auch nicht. „Ich verkaufe ja nichts.“ Lieber katalogisiert er seine Trikots und stellt sie ins Netz. Zurzeit wird aber an einem, neuen Design der Seite gearbeitet, sodass nicht alle aufgerufen werden können..
Gibt es noch einen Trikot-Wunsch? „Klar“, sagt König. Ein Trikot, in dem der FC Schalke gerade Deutscher Fußballmeister geworden ist, wäre ein Traum. „Aber da“, sagt der 59-Jährige, „war ich schon einmal näher dran.“