Deutschlands beliebtestes Tatort-Team auf neuen Wegen. Im jüngsten Fall tauchen die Münsteraner Ermittler ins Internet ein.

Der Tatort aus Münster ist mittlerweile ja ein wenig wie ein Restaurant mit wechselnden Köchen. Man weiß nie, was man bekommt. Hin und wieder gibt es Köstlichkeiten wie „Limbus“, meist gehobene Hausmannskost, manchmal auch Experimentelles, das daneben geht. „MagicMom“ heißt der neueste Fall. Und er ist, um im Bild zu bleiben, ein Klassiker, zubereitet mit für das altgediente Personal unbekannten Zutaten.

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Schönes Haus, süße Kinder, netter Mann – Evita Vogt (Laura Louisa Garde) scheint es geschafft zu haben. Trotzdem baumelt sie nun leblos von der Decke ihres schmucken Eigenheims. Sieht für den Laien wie Selbstmord aus, aber dann wäre dieser Tatort ja schon nach zehn Minuten zu Ende. Das geht ja nicht. Also heißt es: Thiel und Boerne, übernehmen Sie. „Fremdeinwirkung nicht ausgeschlossen“, stellt Professor Boerne (Jan Josef Liefers ) bei der Leichenschau fest, ist ansonsten aber erst einmal ratlos.

Verdächtige in allen Welten

Natürlich sind die beiden Ermittler nicht immer eine Meinung.
Natürlich sind die beiden Ermittler nicht immer eine Meinung. © WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas | Unbekannt

Und die Information einer Hospitantin aus der Gerichtsmedizin macht die Sache nicht einfacher. Die Tote war nämlich „MagicMom“, eine ebenso aufgedrehte wie bekannte Influencerin, genauer gesagt „Momfluencerin“, die ihren 630.000 Followern in zahllosen Internetvideos Tipps und Tricks verriet, wie sich das Leben zwischen Kindern, Haushalt und Beruf meistern lässt und damit sehr viel Geld verdient hat. Was bedeutet, dass neben den schnell ermittelten Feinden der jungen Mutter im echten Leben auch diverse Neiderinnen aus dem Netz zu den Verdächtigen zählen.

Da ist Nachbarin Thekla (Monika Oschek), die behauptet, dass es mit der angeblichen Perfektion des Opfers nicht weit her gewesen sei und es in der Ehe mit Moritz Vogt (Golo Euler) schon lange heftig gekriselt habe. Und dann ist da auch noch die Konkurrentin „BusyBine“ (Agnes Decker), die der MagicMom geraten hat, sich doch bitte „an ihren Extensions aufzuhängen“.

Professor Boerne als Influencer

Thiel (Axel Prahl) fühlt sich in der virtuellen Welt in etwa so wohl wie ein Veganer in der Schlachterei. Boerne dagegen verfällt schnell wieder in die „Hoppla, jetzt komm ich“-Attitüde, obwohl seine Internet-Kompetenz irgendwo zwischen angelesenem Halbwissen und völliger Ahnungslosigkeit pendelt. Regisseurin Michaela Kezele unterstützt ihn dabei, indem sie den Pathologen in vertikal eingespielten Videoclips, wie man sie von Plattformen wie Instagram und Tiktok her kennt, selbst zum Influencer macht. Da wendet er sich dann direkt an das TV-Publikum und doziert aufgeregt etwa – umgeben von allerlei visuellen Spielereien – über den Unterschied zwischen dem Tod durch Strangulation und Asphyxie.

Überhaupt wirken in dieser Folge fast alle Beteiligten, als seien sie bereits zum Frühstück in einen Kessel mit Energy-Drink gefallen. Vor allem die überraschend einträchtigen Thiel und Boerne kalauern oft herrlich politisch unkorrekt, als würden sie nach Anzahl der Wörter pro Minute bezahlt.

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold

Gibt ihtrem Chef kontra: Christine Urspruch als Silke Haller
Gibt ihtrem Chef kontra: Christine Urspruch als Silke Haller © dpa | Felix Kästle

Aber auch für Assistent Mirko Schrader (Björn Meyer), der längst viel mehr als ein Stichwortgeber ist, und Silke Haller (Christine Urspruch) gilt die Devise: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold. Sie haben aber auch reichlich Gelegenheit dazu, weil das Drehbuch einen eigentlich überflüssigen zweiten Handlungsstrang einbaut, in dem Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann) eine neue Stelle für eine(n) Sensibilitätsbeauftragte(n) schaffen will.

Ein paar Klischees zu viel werden bedient, nicht jeder Gag zündet, nicht jede Pointe sitzt. Aber die Spielfreude des Ensembles ist so groß, dass der Spaß schnell vom Fernseher ins Wohnzimmer überspringt. Schmeckt großartig, wird allerdings nicht jedem munden.